Über drei Millionen Zuschauer hat der Kinofilm Kein Ohrhase von und mit Till Schreiger in wenigen
Wochen ins Kino gelockt. Eine romantische Komödie, wie der Regisseur und Autor sagt,
bei der es ziemlich zur Sache geht. Der Zeitkolumnist Harald Martenstein beschreibt in
einer Klosse als Aufmacher des letzten Zeitmagazins, wie er mit einem beinahe
sechsjährigen Buben im Kino war. Er wollte einen Kinderfilm sehen, ab sechs
Jahren zugelassen und fand sich in einer eher derbenen Komödie wieder. Und wo
Till Schweiger gestern bei Körner sagte, es solle darum gehen, dass Männer und
Frauen mehr über ihre sexuellen Welten und Erfahrungen lernen sollten.
Martenstein schreibt, ich habe jetzt eine schlechte Meinung vom Kinderfilm. Ich war
aber auch froh, dass ich wenigstens nicht in ein Weihnachtsmärchen gegangen bin,
weil ich mir jetzt lebhaft vorstellen kann, was der Weihnachtsmann dort mit
seinen Rentieren tut. Maria und Josef der Esel und dann auch noch die heiligen
Drei Könige mit ihren heiligen Zungen. Das Kind sagte, es hätte in dem Film nicht
alles verstanden. Die Kinder von Till Schweiger haben in dem Film aber alle
mitgespielt. Zitat Ende. Nun ist die freiwillige Selbstkontrolle Kino in der
Diskussion, die diesen Film ab sechs freigegeben hat.
Übrigens mit der Begründung, die Kinder würden sowieso nicht alles verstehen.
Till Schweiger selbst hatte damit gerechnet, dass der Film ab 16 freigegeben
wird. Er hat nämlich einen Film für Erwachsene gemacht. Interessant ist dabei
aber für uns die breite öffentliche Debatte, an der sich nun Elternverbände,
Feuilletonisten, Talkshows, kurz die gesellschaftliche Öffentlichkeit mit
Vielgewinn beteiligt. Was tun wir, wenn eine gefühlte oder gesetzliche Schamgrenze
überschritten wird? Wie funktioniert das Regelwerk gesellschaftlicher Kontrolle?
Sportjournalisten kungeln mit einer gedobten Branche, Moderatoren nutzen ihr
Bildschirm bekanntes Gesicht für Eigenwerbung ihrer Bücher, Menschen
verzichten auf ihr grundgesetzlich gesicherte Persönlichkeitsrechte für
ein bisschen mediale Aufmerksamkeit. Produzenten finanzieren ihre Vorabendserien,
in dem sie ganze Erzählstränge als Schleichwerbung verkaufen. Kameraleute
setzen sich zu Geiselnehmern ins Auto mit dem Ziel näher am Geschehen dran zu
sein. Szenen von unsäglicher Gewalt im Abendprogramm, ein Armorklauf und die
Mediengewohnheiten des Täters. Ja, wer kontrolliert sie denn die Medien? Wie
konnte das geschehen? fragt dann der Bürger angefasst. Ist der Einzelne denn
da machtlos? Was kann man denn da tun? Die Fragen nach der Medienkontrolle treten
immer in die öffentliche Debatte, wenn es zu Grenzüberschreitungen, zu
journalistischem Fehlverhalten oder zu Geschmacksverirrungen im Programm, in der
Zeitung oder im Netz gekommen ist. Kasuistiken werden öffentlich dann
diskutiert und gewogen. Der Ruf nach härteren Gesetzen gehört dann zur
Liturgie der politischen Reden. Es muss als eine Problemanzeige festgehalten
werden, dass die öffentliche Wahrnehmung dessen, was in Deutschland unter
Medienkontrolle verstanden wird und was Medienkontrolle macht, wie sie wirkt, wer
sie bewirkt, wer wie zuständig ist, als ein sozusagen offenes Geheimnis gelten
kann. Medienkontrolle, wie sie sich heute in Deutschland darstellt, ist ein
gewachsenes Netz, unterschiedlicher den jeweiligen Medien und ihren politischen
Regelungszusammenhängen angepasster Institutionen und Instanzen, deren
öffentliches Wirken allerdings, wie es scheint, wenig Bekanntheit und damit wenig
öffentliche Relevanz erkennen lässt. Die Bürger sind wenig bis gar nicht
informiert über Beschwerdeinstanzen, Beschwerdewege, über die
rechtsstaatlichen Unterscheidungen und Entscheidungen und über die
Diskussionslage zwischen Ethik, Moral und Recht im öffentlichen Feld der Medien.
Dieser gesellschaftliche Missstand ist zum einen darin begründet, dass der Ruf
Presenters
Prof. Dr. Johanna Haberer
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:29:34 Min
Aufnahmedatum
2008-01-16
Hochgeladen am
2017-07-06 17:20:51
Sprache
de-DE