1 - Wissenschaftsfreiheit in China - Hochschulautonomie [ID:52414]
50 von 77 angezeigt

In China gibt es derzeit rund 2738 Hochschuleinrichtungen.

Davon sind lediglich 818 Hochschulen privat organisiert.

Der Großteil der Hochschulen in China ist also staatlich.

Hochschulen in China sind in einem autoritären System eingebettet.

Mit der Einführung der Reformära ab der späten 1970er Jahre wurde auch das Bildungswesen in einen

neuen rechtlichen Rahmen gegossen. Insbesondere mit dem Lehrergesetz von 1993, dem Bildungsgesetz

von 1995 und dem Hochschulgesetz von 1998. Das Bildungswesen wurde dabei an

marktwirtschaftliche Elemente angepasst. Hochschulen in China haben keine echte

Autonomie. Zwar haben sie im Zuge der Reformära gewisse Verwaltungskompetenzen erhalten,

auch um die Zentralregierung zu entlasten. Die parteiliche Kontrolle in Hochschulen

bleibt allerdings sehr engmaschig. Das heißt, wenn der Parteistaat zum Beispiel von dem

modernen Universitätssystem in chinesischer Prägung spricht, meint er vor allem eine

effiziente Verwaltung, aber nicht Hochschulautonomie. 1989 fand die blutige Niederschlagung der

Proteste statt, die maßgeblich von Studierenden sowie von Akademikern und Akademikerinnen geprägt

waren. Als Reaktion darauf entschied der Parteistaat, das sogenannte präsidiale

Verantwortungssystem unter der Führung der kommunistischen Partei Chinas innerhalb von

chinesischen Hochschulen einzuführen, das die Einrichtung von universitären Parteikomitees

zur Folge hatte. Schaut man sich die chinesischen Vorschriften an, so erkennt man, dass Hochschulen

dual organisiert sind. Das heißt, es gibt auf der einen Seite das universitäre Parteikomitee

und dem sind unterstellt diverse Parteiorgane und auf der anderen Seite gibt es einen Präsidenten,

der den Verwaltungsapparat leiten soll. Das heißt, dass die Verwaltungsorgane zu

dem Präsidenten gehören. In der Realität gibt es diese Dualität allerdings nicht.

Eine Abgrenzung zwischen Partei und Verwaltung ist sehr schwierig, denn es kommt zu Kompetenz und

Personalüberschneidungen und oft teilen sich Partei und Verwaltungsorgane ein Büro.

Natürlich hat das Konsequenzen, denn in vielen Fällen sind Mitglieder von

Parteiorganen auch in Verwaltungsorganen zuständig. Natürlich muss man sich vor Augen führen,

dass beide Seiten, also Parteiorgane wie auch Verwaltungsorgane, in dem gleichen

System eingebettet sind und beide natürlich vielleicht ähnliche Interessen verfolgen,

sodass man nicht immer davon ausgehen kann, dass das Verhältnis zwischen Partei und

Verwaltungsapparat notwendigerweise feindselig sein muss.

Wissenschaftliche Erhebungen zu den Hintergründen und Rollen von Parteimitgliedern und Funktionären

an chinesischen Hochschulen zeigen, dass eine parallele wissenschaftliche Position nicht

somit verfolgen sie gegebenenfalls auch wissenschaftliche Interessen.

Es ist durchaus nicht unüblich, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in China auch Mitglied der

Partei sind. Das kann aus ganz unterschiedlichen Gründen passieren, vielleicht auch einfach nur,

um die nächste Stufe in der Karriereleiter aufzusteigen. Allerdings gibt es auch

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die zeitgleich Parteifunktionär oder Funktionärin

sind an einer Hochschule. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Man sollte von einem Generalverdacht

in jedem Falle Abstand nehmen und sich fragen, welche primäre Rolle eine Person in einer Hochschule spielt.

Im November 2011 hat das chinesische Bildungsministerium die vorläufigen

Maßnahmen für die Abfassung von Satzungen von Hochschuleinrichtungen erlassen, um die

Kompetenzen innerhalb einer Hochschule besser zu verteilen. Hier geht es aber nicht darum,

ihnen echte Autonomie zu gewähren. Der Führungsanspruch der Partei wird zum

Beispiel an der Satzungsänderung der Fudan-Universität deutlich, die 2019 bekannt wurde.

In der neuen Fassung der Universitätssatzung wurde ein sehr wichtiger Satz aus der Per Ambel

gestrichen, nämlich die Bezugnahme auf die geistige Freiheit und die akademische Unabhängigkeit.

Außerdem erkennt man auch, dass das Wort Partei im Gegensatz zur alten Fassung viel öfter auftaucht,

nämlich 87 Mal. In der früheren Fassung tauchte das Wort Partei nur 39 Mal auf.

Auch an chinesischen Hochschulen gibt es wissenschaftliche Gremien,

welche die Interessen der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wahren sollen.

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:08:38 Min

Aufnahmedatum

2024-04-16

Hochgeladen am

2024-04-19 10:26:09

Sprache

de-DE

Grundlage für dieses digitale Angebot ist eine Publikation von Alexandra Kaiser, die im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts "Wissenschaftsfreiheit in der Volksrepublik China" entstanden ist. Das Einführungsbuch beleuchtet zentrale Aspekte der Lehr- und Forschungsfreiheit von Wissenschaftler*innen in China und die Frage der institutionellen Autonomie chinesischer Hochschulen. Es richtet sich an Wissenschaftler*innen und Hochschulen in Deutschland, die mit Wissenschaftler*innen und/oder Institutionen in China kooperieren und sich einen Überblick über das chinesische Wissenschaftssystem verschaffen möchten. Es eignet sich ebenfalls als Studienbuch für Studierende der Sinologie und modernen China-Studien wie auch für Studierende anderer Fächer, die einen Studienaufenthalt in China planen.

Das Buch ist hier abrufbar.

Tags

China wissenschaftsfreiheit Hochschulautonomie politisches system parteiliche Einflussnahme
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen