Vielen Dank, lieber Christoph, für die lange Einführung. Das macht mich immer etwas verlegen.
Aber ich freue mich auch, dass Sie es geschafft haben, trotz des Wetters hier heute Abend hierher
zu kommen und dass wir uns über das Thema Ernährung und Flüssigkeit am Lebensende unterhalten.
Ich habe mir überlegt, wie fange ich an? Liebe geht durch den Magen, der Titel stammt von dir.
Und habe dann darüber nachgedacht, stimmt das wirklich im Zusammenhang mit dem Lebensende?
Da fiel mir eine Geschichte ein. Es ist eigentlich ein etwas merkwürdiges Sprichwort von der Tochter,
die mit ihren Eltern zu Abend isst und ihre Mutter fragt, kann sie mir erklären, was bedeutet,
dass eigentlich Liebe geht durch den Magen? Und die Mutter fängt an und erklärt lang und breit,
wie schön das Kochen ist und Nahrung zubereiten und gemeinsam zu essen und alles, was dazugehört.
Und irgendwann schüttelt die Tochter den Kopf und sagt, ich wollte euch eigentlich was sagen,
ich habe einen anderen Weg gefunden. Das zu dem Thema Liebe geht durch den Magen.
Auf jeden Fall haben natürlich Essen und Trinken etwas mit Lebensqualität zu tun und das hat
natürlich auch kein Geringerer als Willi Milovic auch in einem sehr doppelteutigen
Sprichwort eben an und zum Ausdruck gebracht, Essen und Trinken sind die drei schönsten Dinge des Lebens.
Und ich denke aber, es kommt dabei zum Ausdruck, dass natürlich Essen und Trinken mehr sind als nur
Nahrungsaufnahme und ich glaube, wir haben auf der einen Seite die medizinische Bedeutung von Essen und Trinken,
dass es natürlich etwas ist, was wir alle brauchen, um unser Leben zu erhalten.
Stoffwechselregulierung, das sind alles so die medizinischen Funktionen. Stoffwechselregulierung,
Wachstumsförderung, Kraft geben, Gesundheit fördern, Prävention des Krankseins durch Essen und Trinken,
Wohlbefinden und Lebensqualität. Das sind so eher die medizinischen Dimensionen, die wir mit dem Essen und Trinken in Verbindung bringen.
Aber es gibt natürlich eben auch noch Psychosoziale und Bedeutung des Essens und die sich sehr eben daran orientieren,
dass eben Essen etwas ist, was vielmehr gerade auch im Erwachsenenalter eine soziale Bedeutung hat.
Es gibt Sicherheit, es fördert Lust und Glücksgefühle, das ist vielleicht auch das, was mit dem Begriff Liebe geht durch den Magen verbunden ist.
Identitätsentwicklung sowohl aus der individuellen Perspektive als auch aus der sozialen Perspektive.
Es fördert die Gruppenkonformität, wir sitzen zusammen, wir verabreden uns und so weiter.
Und das sind so die Aspekte, die auch bei der Behandlung des Themas welche Bedeutung haben.
Essen und Trinken und Flüssigkeitsaufnahme und Nahrungsaufnahme am Lebensende von Bedeutung sind.
Eine Frage, die sich immer in diesem Zusammenhang stellt, ja wodurch wird denn eigentlich unser Essverhalten reguliert?
Und ist es tatsächlich auch nur das Hunger- und Durstgefühl, die das Essen und Trinken reguliert oder bestimmt oder sind es noch andere Faktoren?
Und in diesem Zusammenhang ist glaube ich auch ganz wichtig und ganz sinnvoll sich einmal zu überlegen, wie eigentlich das Essverhalten im Laufe des Lebens sich verändert.
Am Anfang des Lebens ist es sicherlich eher die Bedeutung innerer Reize, also die Hormone und die Magendehnung und was alles eine Rolle spielt,
um das Essen Durst- und Hungergefühle, die beim Säugling und beim Kleinkind das Essverhalten regulieren.
Aber im Laufe des Lebens nehmen dann die äußeren Reizen, die soziale Bedeutung des Essens, wir verabreden uns zum Essen, wir haben Freude am Essen,
wir empfinden die Geselligkeit als angenehm, hat eine viel größere Bedeutung als vielleicht das Essverhalten.
Und im späteren Verlauf des Lebens sind dann eher die rationalen, die kognitiven Aspekte von Bedeutung, die das Essverhalten regulieren.
Und das gilt ganz besonders auch für die älteren Menschen, dass man eben sagt, ich muss eigentlich mich regelmäßig ernählen oder man hält bestimmte Zeiten ein zum Essen,
weil eben die Bedeutung des Essens zum Lebenserhalt doch eben an und dann kognitiv sehr viel stärker kontrolliert wird.
Und wenn diese Funktion nachlässt, dann sind wir eigentlich an einer Grenze angelangt.
Das kann man sowohl im höheren Alter beobachten als auch bei einigen Erkrankungen.
Und das ist vielleicht auch für die Bedeutung, die Essen und Trinken am Lebensende haben, ganz entscheidend, dass wir uns diesen Formen der Kontrolle,
der Verhaltensregulation der Nahrungsaufnahme ein bisschen bewusster sind.
Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammenhang, ich habe es schon angedeutet, ist, wie lange eigentlich das Essen und Trinken tatsächlich eben einen lebenserhaltenden Funktion hat.
Und hier hat eben Bonnelli, ein Theologe und Philosoph aus Wien, eigentlich sehr schön einmal dargestellt,
dass jedes Wesen eigentlich mit einer biologischen Tendenz zur Selbstlimitation, also der Alterung, ausgestattet ist.
Und Hunger- und Durstgefühle und Nahrungsaufnahme sind die wesentlichen Aspekte, die dieser biologischen Tendenz entgegenstehen.
Und man kann sterben eigentlich als den Zeitpunkt ansehen, wenn diese biologische Tendenz der Selbstlimitierung,
den Möglichkeiten des Selbsterhaltungsstrebens entgegen stärker geworden sind,
dann ist eigentlich eine Lebenssituation, die in eine Endphase sich erstreckt gegeben.
Dem Sterbenden fehlt eigentlich dieser innere Antrieb zur Lebenserhalt.
Das kann man bei Menschen mit Demenz beispielsweise beobachten.
Presenters
Prof. Dr. H. Christof Müller-Busch
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:40:01 Min
Aufnahmedatum
2019-01-23
Hochgeladen am
2019-01-28 10:16:47
Sprache
de-DE