Vielen Dank für die freundliche Begrüßung. Vielen Dank für die Einladung nach Erlangen.
Das ist eine Premiere für mich. Wenn man das Notwendige möglich machen will, hat man nicht wirklich Ruhe.
Das heißt, der Ruhestand hat sich zu etwas entwickelt. Keine Pflichten, nur noch Kür.
Dazu gehören Veranstaltungen wie diese, aber vor allen Dingen mitwirken, so weit wie möglich, national, international,
damit wir von diesem Pfad, auf dem wir im Moment sind, schnellstmöglich runterkommen.
Ich glaube, wenn man sich so beschaulich der Adventszeit annähert, kann keiner von uns sich genau vorstellen,
wie eine Welt bei vier Grad globaler Temperaturerhöhung aussehen würde.
Was man aus Szenarien, aus militärischen Vorzeitmethoden entnehmen kann, ist eine Welt der kompletten Barbarei.
Auf dem Pfad sind wir im Moment. Und das ist eigentlich eine eigentümliche Situation, sozusagen, für die Menschheit auf der Titanic.
Der Eisberg wird von vielen gesehen. Keiner traut sich wirklich, umzusteuern, obwohl die Matrosen schon meutern.
Unten im Tanzsaal wird noch getanzt. Einige ignorieren völlig. Ist wahrscheinlich kein Eisberg, sondern irgendwie ein Vater Morgana.
Das heißt, der Zustand der Welt auf das zu kommen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich unter zwei Grad, ist denkbar wenig ermutigend.
Trotz alledem werde ich einen Vortrag halten. Vielleicht überrascht euch sie das etwas, der im Wesentlichen optimistisch ist.
Und ich werde auch gleich begründen, warum es gleichwohl notwendig ist, mit viel Optimismus und Sachverstand,
aber auch mit viel Nachdruck und viel mehr Energie als bisher, für wirksamen Klimaschutz auf allen Ebenen einzutreten.
Ich werde am Anfang kurz kitzieren, wie der Klimawandel eingebettet ist in ein Geflecht multipler Krisen.
Es gibt überhaupt keine Möglichkeit, wenn wir Klimaveränderungen dieses Ausmaßes verhindern wollen,
als eine integrierte Sichtweise, um dann möglichst auch konkret vor Ort national Beispiele zu setzen, zu handeln.
Das global systemische Denken ist eine unabdingbare Notwendigkeit.
Der zweite Punkt ist, wenn wir über Zukunft reden, sind Szenarien die besten Methoden, die wir kennen.
Und wenn man sicher einen Überblick verschafft über das, was weltweit an Szenarien existiert,
dann wissen wir, das ist die beste Evidenz, die man über die Zukunft erhalten kann,
und dass die Kombination aus einer Effizienzrevolution, aus erneuerbaren Energien, aus nachhaltigeren Produktions- und Konsumweisen
in der Tat dazu führen kann, dass wir komplett auf fossile und nukleare Energien verzichten können.
Und das ist immer dieser Dreiklang, den man nicht gegeneinander ausspielen darf, schon gar nicht auf den Verbraucher verlagern darf,
nämlich Politik zu ändern, auch unser Wirtschaftssystem zu ändern, Unverhalten zu ändern.
Alle drei Großstrategien müssen zusammenwirken, um die multiplen Weltkrisen einzudämmen.
Wir haben technisch-ökonomische Megatrends, die uns enorm helfen, in die Richtung von 2° prinzipiell voranzukommen.
Das ist die dramatische Kostenreduktion bei erneuerbaren Energien, bei Wind, Photovoltaik, aber auch bei Batterien und anderen,
auch im Bereich der Effizienztechniken. Aber Technik alleine wird nicht helfen.
Was wir brauchen, ist ein enorm ansteigendes Niveau an sozialen Bewegungen, die Druck machen auf Politik, auf Unternehmen,
damit es vielleicht gelingt, das, was wir Kapitalismus nennen, wo es um Kapitalverwertung, Konkurrenz, maximale Akkumulation von Kapital,
von Ressourcen geht, in Richtung grünere Entwicklung zu treiben. Und dafür brauchen wir Politik.
Es gibt Kollegen, Freunde auch in meinem Umfeld, die sagen, vergesst die Politik. Das ist absolut kontraproduktiv.
Im Gegenteil, wir brauchen bessere Politik. Wir müssen Strukturen ändern, sonst lässt sich der Kapitalismus nicht,
sämtisch und gar nicht, in die Richtung steuern, die wir brauchen. Also Strukturveränderung, eine große, wirkliche Transformation, ist notwendig.
Ich will mal mit einem Zitat beginnen, und ich bin unverdächtig, den Papst zu oft zu zitieren, aber mit seiner Enzyklika laudatossi hat er einen Punkt derart präzise
und mit derart überzeugender Sprachgewalt formuliert, dass ich das gerne mal vorlesen möchte. Wir kommen heute nicht mehr umhin anzuerkennen,
dass ein wirklicher ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussion aufnehmen muss,
um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde. Ich finde, das ist die Notwendigkeit auf den Punkt gebracht, dass man immer gemeinsame Ansätze suchen muss,
um die ökologische Krise zu meistern, einzudämmen und gleichzeitig Beiträge zur sozialen Krise zu leisten. Dass die tägliche Last im Bereich der ökologischen Krise absolut Unnachhaltigkeit bedeutet,
brauche ich nicht im Einzelnen zu beschreiben. Ich rede heute nicht über die dramatische Vernichtung von Arten, über dramatische Vernichtung von urbarem Land oder Regenwald
oder über Fischung von Meeren, sondern nur über den Bereich, wie wir Klimaschutz voranbringen können. Aber mit einer Grundüberzeugung, wenn es gelänge,
diese Krise in integrierter Form in den Griff zu bekommen, dann leisten wir automatisch auch Beiträge zur Krisenbewältigung anderer ökologischer Krisen.
Wir haben eine Krise der Lebensstile, wenn Sie auf einer Absisse abtragen, einen Index über menschliche Entwicklung und auf der Ordinate den ökologischen Fußabdruck.
Dann sieht man, alle Industrieländer liegen ganz im oberen Bereich rechts, enorm ökologischen Fußabdruck und gleichzeitig einen relativ hohen menschlichen Entwicklungsindex.
Und es gibt kein einziges Land, was in diesen grünen Quadranten liegt, zu dem wir hin müssen als Weltgemeinschaft.
Wir müssen vermeiden, dass diejenigen, die auf dem Weg sind und unbedingt auf dem Weg unterstützt werden müssen, ihre menschliche Entwicklung,
ihre soziale Entwicklung zu verbessern, den gleichen Weg folgen, den wir ihnen im globalen Norden vorexerziert haben.
Das heißt, eine Krise der Lebensstile bedeutet, sich über nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster ernsthaftere Gedanken zu machen und sie vor allen Dingen in die Tat umsetzen.
Presenters
Prof. Dr. Peter Hennicke
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:56:51 Min
Aufnahmedatum
2019-11-14
Hochgeladen am
2019-12-05 12:15:51
Sprache
de-DE