Guten Abend und vielen Dank für die freundliche Einführung. Ich bin Neurologin und Neurobiologin.
Eine ganz wichtige Frage in der Neurobiologie ist, wie kann man genau verstehen, was im
menschlichen Gehirn passiert, wenn es erkrankt ist. Denn in der Medizin können wir ja von vielen
Dingen relativ einfach Probeentnahmen machen, von der Haut, vom Darm, von der Leber. Aber ein
erkrankter Patient mit einer neurologischen Erkrankung wird nicht ganz schnell einer
Biopsie zustimmen, um die Erkrankung zu verstehen. Tiermodelle sind eine Möglichkeit, die uns vieles
geholfen haben zu verstehen, aber dann doch nicht alles lösen. Und vor Augen gab es dann eine
revolutionäre Studie im Jahr 2007, die sozusagen der Motor meiner aktuellen Forschung wurde. Ich
war an diesem Tag, als dieses Manuskript veröffentlicht wurde von einer japanischen
Arbeitsgruppe, war ich in Kalifornien am Sork-Institut und merkte, wie alle meine Kollegen
sehr unruhig wurden. Und man brauchte sozusagen so Konstrukte, die man bei einer Firma bestellen
konnte. Und neben mir wurden Kreditkarten gezückt, um persönlich diese Sachen zu bestellen, weil man
einfach große Angst hatte, dass die Zentralverwaltung in der Bestellung zu langsam sein würde und man
irgendwie abgehängt würde. Inzwischen sind 13 Jahre vergangen. Diese Forschungsrichtung ist
enorm expandiert in ganz verschiedene Richtungen. Und ich möchte Ihnen heute berichten, was wir hier
in Erlangen damit machen. Und eine menschliche Hautzelle, darum wird es heute Abend gehen, kann
zu einer Nervenzelle werden. Sie kennen Abdrücke dieser Art wahrscheinlich eher aus der Kriminalistik,
aber wir wenden sie auch in kriminologischen Fragestellungen in gewisser Weise an, um
molekulare Fingerabdrücke zu verstehen und sozusagen mit Hilfe dieser Hautzelle Nervenzellen
zu generieren und damit dann Erkrankungen des Nervensystems besser zu verstehen. Die Gliederung
meines Vortrags heute Abend hat drei Teile. Im ersten Teil möchte ich eben diese wunderbar
verwandlung, also dieses Prinzip der Reprogrammierung erklären. Dann möchte ich Ihnen zwei Beispiele aus
unserer Arbeit präsentieren und möchte dann im letzten Teil meines Vortrags über Perspektiven
und Visionen mit Ihnen sprechen. Und zum Start habe ich ein Bild gewählt, das älter ist, als die
Beschreibung der Reprogrammierung und einer der Herren aus dem Publikum kam hier rein und sagte,
ich möchte heute Abend verstehen, wie aus einem alten Körper ein Jünger werden kann und das ist
ein ganz altes, ein ganz alter Traum in der Menschheitsgeschichte, wie man aus einem alten
Körper einen Jungen generieren kann. Und dieses Bild, das Lukas Kranach 74-jährig geschaffen hat,
ist eines, wo einerseits hier die kargen Felsen sind, wo alte, kranke Frauen in Wägen und Tragen
anstransportiert werden. Sie werden dann entkleidet, steigen in den Jungbrunnen hinein, im Zentrum des
Beckens hier ein Wasserspender und mithilfe dieses Zauberbeckens, dieses Zauberwassers entsteigen
diesem Wasser dann junge, schöne, hübsche Damen, die dann dem Wasser entsteigen, von Jünglingen
eingekleidet werden und erneuert sind. Und so ähnlich müssen Sie sich die Forschung vorstellen,
die wir machen. Wir starten mit einer Hautzelle. Die Hautzelle ist quasi eine Zelle, die festgelegt
ist in ihrer Funktion, die erwachsen ist, die eigentlich ihren Platz gefunden hat. Und wir
machen dann einen Vorgang, der nennt sich Reprogrammierung. Also wir geben normalerweise
virale Vektoren auf diese Hautzelle und diese viralen Vektoren, die exprimieren dann Transkriptionsfaktoren
und diese Transkriptionsfaktoren schmeißen dann sozusagen Pluripotenzgene wieder an. Und dadurch,
dass dann eben diese Stammzelleigenschaften aus diesen Hautzellen geschaffen werden,
also dass die sozusagen eine Zeitreise zurück zu einer embryonalähnlichen Zelle machen, werden
dann eben Stammzellen, also pluripotente Stammzellen, Stammzellen, die in der Lage sind,
sich wieder in ganz verschiedene Arten von Zellen, in Muskelzellen, in Darmzellen, in
Nervenzellen, aber auch in Hautzellen wieder zu differenzieren. Und mit denen machen wir dann
die Forschung. Aber bevor ich zu dem Punkt komme, nochmal eine kleine Erläuterung aus diesem
Bild von Lukas K. nach dem älteren. Also diese Fibroplasten werden dann sozusagen diese alten
Damen, die in diesen Jungbrunnen steigen. Und in diesem Jungbrunnen gibt es dann sozusagen
diese Transkriptionsfaktoren, die ihnen dann sozusagen wieder jugendliche Eigenschaften
verleihen. Und mit diesen jugendlichen Eigenschaften versehen, steigen sie dann aus dem Becken,
sind verjüngt, ein galanter junger Mann reicht ihnen einen Mantel und sie können sich dann den
sinnlichen Freuden hingeben. Vielleicht haben sich die Männer unter ihnen jetzt gefragt,
Presenters
Prof. Dr. Beate Winner
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:33:14 Min
Aufnahmedatum
2020-01-16
Hochgeladen am
2020-01-21 11:19:55
Sprache
de-DE
Stammzellen regen die Fantasie von Wissenschaftlern und Laien gleichermaßen an. Aber was sind sie, wo kommen sie her und wie kann man sie verwenden, um neurodegenerative Erkrankungen besser zu verstehen.