So, liebe Studierende, jetzt zweiter Teil von Fichte. Wir haben ja beim letzten Mal gesehen,
Fichtesdenken ist schroff, krass und schroff. Ein Denken extremer Zuspitzung. Und genau in
dieser Zuspitzung geschieht es dann, dass die Gegensätze immer wieder ineinander rutschen
oder dass manches dann geradezu kippt. Die Freiheit, für die er mit großem Pathos eintritt,
verschwindet irgendwann in der Notwendigkeit, kippt in die Notwendigkeit. Der freie Wille
schmilzt dahin in der vermeintlich sonnenklaren Einsicht. Das absolute Ich, das souveräne Ich,
kippt in das absolute Wir, der eigenen Nation, und zwar, das werden wir gleich sehen,
einer der deutschen Nationen ganz spezifisch. Fichte teilt hier manches mit den Frühromantikern,
die zu teils seine großen Anhänger waren, er hatte da Kreise von Frühromantikern um sich,
in jener, die also gerade in der Überspitzung des Ich dann irgendwann kippen in den Autoritarismus,
nämlich Halt suchen an unbefragten Autoritäten, weil sie mit der freischwebenden Subjektivität
auf Dauer nicht klarkommen. Für manche bedeutet das, dass sie in den Patriotismus hineinkippen,
und genau dafür ist Fichte das Paradebeispiel. Der enthusiastische Jünger der französischen
Revolution wird in seinen letzten Jahren in Berlin dann zum Propheten einer antifranzösisch
gerichteten deutschen Selbstbehauptung. Er mobilisiert Widerstand, jetzt vor allem kulturellen
Widerstand, bietet sich dann aber zugleich dem König Friedrich Wilhelm III. von Preußen als
eine Art säkularer Feldprediger an. Der König lehnt das allerdings dankend ab. Furchterweise
gewinnt der deutsch stümelnde Nationalismus bei Fichte dann geradezu eine kosmopolitische
Weihe. Und das mag erinnern an ein Wort, das sehr viel später erst entstanden ist, das kann ich
jetzt nicht Fichte zur Last legen, nämlich das am deutschen Wesen die Welt genesen möge.
Also wenn man Fichtes Reden an die deutsche Nation liest, drängt sich dieses Wort,
das wie gesagt später, sehr viel später erst entstanden ist, drängt sich eigentlich auf. Also
mir ist es so gegangen, ich hatte immer wieder das Gefühl, also das zeigt sich genau hier,
diese unglaubliche Anspruch am deutschen Wesen soll die ganze Welt irgendwie sich ein Beispiel
nehmen, daran soll die Welt genesen ja geradezu gerettet werden. Okay, jetzt der historische
Ort dessen, was ich Ihnen in der heutigen Sitzung vorführen werde, ist der historische Ort ist
Berlin unter französischer Besatzung. Historische Niederlage Preußens war dem vorangegangen,
okay und damit ist was zerbrochen. Es gibt kein zurück mehr zu den alten Verhältnissen, also kein
zurück zum Status quo ante. Wir haben eine neue historische Situation und die Frage ist, was
bedeutet das für die Zukunft? In Fichtes zu gespitzter Alternative bedeutet das, dass sich
Preußen Deutschland auf Dauer assimilieren wird an die französische Hegemonie oder wird die deutsche
Nation die Kraft zur Selbstbehauptung finden. Das ist, sagen wir mal, Fichtes Anliegen und die Reden,
die er öffentlich gehalten hat zwischen Dezember 1807 und März 1808, also über drei Monate hinweg,
dienten genau dem, die Kräfte zur Selbstbehauptung der deutschen Nation zu mobilisieren. Also diese
Reden fanden starke Resonanz, waren eben auch weithin besucht und Fichte hat von Anfang an zugleich
auf Publikation gesetzt. Also die einzelnen Reden wurden dann immer auch publizistisch zugänglich
gemacht und dann später zu einem Gesamtbuch zusammengepackt. Mit all dem, mit seiner deutsch
stümelnden Propaganda, einem antifranzösischen Propaganda, ging Fichte ein enormes persönliches
Risiko ein und er hatte Beispiele vor Augen, was das dann bedeuten konnte. Also etwa das Beispiel
des Nürnberger Buchhändlers und Verlegers Johann Philipp Palm, der wird von Fichte auch erwähnt.
Palm, ein Buchhändler, ein Verleger, der sich weigert, die Klarnamen anzugeben, die Klarnamen
der anonym publizierenden Schriftsteller, an deren Identität die napoleonischen Militärbehörden
sehr interessiert gewesen wären. Deshalb stand er unter Druck zu sagen, okay, wer hat das geschrieben?
Palm hat diesem Druck widerstanden und wurde dann zum Tode verurteilt, hingerichtet durch
eine Schießungskommando und das muss ein ganz fürchterliches Gemetzel gewesen sein. Also das
hat nicht gleich geklappt. Also erst, ich weiß, wir haben so wie auch immer, also das hat elend
gedauert, bis er dann tot war. Ein fürchterlicher Tod. Klammerbemerkung, Palm ist der Namensgeber
einer Stiftung, die Palmstiftung, die auch heute noch aktiv ist, nämlich zur Unterstützung von
Projekten, die die Meinungsfreiheit fördern. Also die Palmstiftung vergeb Preise zum Beispiel
oder Stipendien anderes an insbesondere Journalisten in zum Teil sehr bedrohten Situationen. Die wird
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:49:23 Min
Aufnahmedatum
2020-04-08
Hochgeladen am
2020-04-09 08:39:52
Sprache
de-DE