Die Technische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg
feiert in 2006 ihr 40-jähriges Bestehen. Sie, Herr Prof. Vollmer, sind vor 40 Jahren mit Prof. Händler
aus Saarbrücken über Hannover nach Erlangen gekommen. Wir beide haben uns sogar schon in
Saarbrücken als Studenten der Mathematik noch kennengelernt. Meine erste Frage an Sie,
wie sind Sie zur Informatik gekommen, obwohl es ja Informatik damals noch gar nicht gab?
Ich studierte ja wie Sie, nachdem ich in Heidelberg begonnen hatte, in Saarbrücken Mathematik. Und wir
hatten im vierten oder fünften Semester auch Übungen in angewandte Mathematik abzulegen. Und damals
hat Herr Händler eine Übung gehalten, in der er nicht die klassische numerische oder angewandte
Mathematik darstellte, sondern indem er uns eine Einführung in buchsche Algebra und Programmieren
gab. Das fand ich etwas neuartiges. Und da mir mehr die diskrete Mathematik lag als die analytische,
bin ich dann auch im Verlauf meines Studiums stärker in die Richtung gegangen, die er in
Seminaren vertreten hat. Und als Erstes habe ich mich damals mit der faszinierenden Maschine
Bull Gamma 60 befasst. Aber schon in der Diplomarbeit habe ich mich mit Warteschlangenmodellen für Rechnersysteme beschäftigt.
Ich habe hier Ihre erste Dokumentation sozusagen aus Erlangen hier, als ich schon in Erlangen waren,
Band 2 Nummer 1 der Arbeitsberichte des IMMD, wie es damals hieß. Ihre Arbeit lautete damals,
Ihre Promotionsarbeit über einen Automaten mit Speicherband über den Pufferautomat.
Wie haben Sie das weiter verfolgt oder ist das sozusagen war das ein Einzelfall?
Damals war ja das Gebiet der formalen Sprachen und der Automaten eigentlich das Grundlegende in
unserem Bereich. Neben Programmierung und ersten Ansätzen über künstliche Intelligenz war praktisch
Automatentheorie in formale Sprachen der Grundstock, auf dem wir aufsetzen. Nach der Promotion habe ich ja dann noch ein Jahr in Erlangen gearbeitet
mit einem Kollegen, der aus Japan bzw. damals aus Kanada kam, mit Herrn Kameda. Da haben wir noch etwas über Komplexität
von Automaten gemacht und dann bin ich erst mal zwei Jahre in die Industrie gegangen zu den
guderischen Eisenwerken in Wetzlar, wo ich Automatentheorie nur nebenher betrieben habe, in der Hauptsache mich mit
technisch-wissenschaftlichen EDV-Arbeiten beschäftigt habe. Damals war auch in so einem großen Konzern,
wie es der Flickkonzern darstelle, zu dem Bodirus gehörte, war die Beschäftigung mit Rechnern vornehmlich auf den
kommerziellen Bereich beschränkt. Ich sollte da unter anderem mithelfen, auch technisch-wissenschaftliche Berechnungen einzuführen.
Dann kam ich ja wieder zurück an die Universität Erlangen-Nürnberg, das war 1972, im Rahmen des Projekts DORA,
Datenverarbeitung in Organismen und in Rechenautomaten und habe da eigentlich mein Lieblingsgebiet entdeckt,
nämlich Zellularautomaten, dem ich im Wesentlichen meinem Berufsleben lang treu geblieben bin.
Und natürlich habe ich Ausreiser gehabt in die verschiedenen Richtungen, aber das Gebiet der Zellularautomaten
blieb mein Lieblingsgebiet.
Damit haben Sie eine Frage schon beantwortet, was war Ihr Hauptforschungsgebiet, das steht auch heute noch in Ihren Unterlagen mit
den Zellularautomaten, aber auch Parallelisierung. Was haben Zellularautomaten und Parallelisierung miteinander zu tun?
Zellularautomaten stellen sozusagen die einfachste Form von parallel arbeitenden Systemen dar, allerdings nur Modelle,
aber an ihnen kann man gewisse Phänomene, wie das globale Wirken aus lokalen Ursachen heraus besonders schön erkennen und darstellen,
sodass es auch didaktisch meines Erachtens geschickt ist, mit diesem Modell in die Parallelverarbeitung einzuführen.
Die Realität der Parallelverarbeitung, wenn man an ihre Rechnersysteme denkt, die ist natürlich viel vertragter,
als es in dem modellhaften Bereich der Zellularautomaten der Fall ist.
Aber mit der Parallelisierung sind Sie natürlich immer noch auf einem der händlichen Lieblingsgebiete,
denn Parallelisierung hat er schon sehr früh, schon in Hannover begonnen mit dem Projekt Biene, wo viele fleißige Biene an einem Problem arbeiten können.
Sie hatten eben erwähnt, dass Sie Nebenschauplätze noch für Ihre Tätigkeit hatten.
Einer dieser Schauplätze ist ja nun die Geschichte und wir sitzen hier an einem historischen Objekt, nämlich einem Tisch.
Und der Tisch ist wirklich der erste Tischrechner der Welt und dabei noch konstruiert und gebaut von einem der bekanntesten Computerkonstrukteure, nämlich von Simon Gray.
Simon Gray hat so einen Rechner Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre gebaut, als kleinen Bruder für einen sehr schnellen, leistungsfähigen Großrechner,
denn er wollte auch zu Hause mit einem solchen Gerät weiterarbeiten.
Wir haben hier in der Sammlung, wir hatten in Hannover schon im Lehrstuhl ein solches Gerät bei Herrn Händler, das damals schon ausgesondert war,
mit dem ich persönlich meinen ersten Programmierkurs halten musste, einen Maschinencode-Kurs auf einem solchen Rechner.
Der ganze Tisch ist der Rechner, es war ein 12-Bit-Rechner, wie gesagt von Simon Gray, um weitere Rechner zu konstruieren.
Sie selbst von der Geschichte her waren lange Zeit Vorsitzender des Arbeitskreises in der Gesellschaft für Informatik.
Sie sind heute noch Vorsitzender der Zuse-Gesellschaft. Wie kommen Sie neben der Parallelität, neben den Zellularautomaten zur Geschichte?
Presenters
Prof. Dr. Roland Vollmar
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:18:42 Min
Aufnahmedatum
2006-07-24
Hochgeladen am
2017-07-04 13:55:19
Sprache
de-DE
Interview von Dr. Franz Wolf mit Herrn Prof. Dr. Roland Vollmar im Zuge der ISER