Herzlichen Dank für diese freundliche Einführung und für die Einladung hier zu Ihnen zu sprechen.
Ich möchte einige Gedanken zur Diskussion stellen. Wir sollten auch Zeit haben für diese Diskussion,
trotz der Zug fährt zurück und den muss ich auch erwischen. 20 vor 8 muss ich dann hier
tatsächlich das Haus verlassen. Aber ich fasse es so, dass wir also ungefähr die Hälfte der Zeit
noch mal für die Diskussion haben. Und ich meine, Sie haben meinen Philosophen eingeladen,
Sie haben es ja in der Einführung schon gesagt, das birgt immer das Risiko, dass auch Philosophie
vorkommt und das wird sich auch nicht ganz vermeiden lassen. Ich möchte Gedanken,
eher Gedanken zur Zukunft der Bildung in der digitalen Wissensgesellschaft hier zur
Diskussion stellen, als Antworten geben für etwa die pädagogische Praxis. Allerdings,
das Ganze steht in dem etwas größeren Zusammenhang einer Philosophie humaner Bildung. Das habe ich
auch versucht, jetzt in Buchform zusammenzufassen im letzten Sommer. Das wird auch im März oder so,
März, Anfang April erscheinen, Philosophie humaner Bildung. Ich versuche also gewissermaßen die These,
die Sie ja schon zitiert haben, nämlich die These, dass jedenfalls ein Kernbestand humanistischer
Bildungsideale aktuell ist. Nicht überkommen, nicht in der Verengung auf alte Sprachen, darum geht es
eigentlich gar nicht, sondern ein Kernbestandteil des humanistischen Bildungsideales ist heute sogar
aktueller, denn je zuvor, wie mir scheint. Also ich beginne mit einigen Bemerkungen zur Frage,
was ändert sich eigentlich? Im Titel, den Titel haben ja Sie formuliert als Einladende, aber ich
habe den gerne akzeptiert, ist von der digitalen Wissensgesellschaft die Rede. Und eigentlich ist
dieser Begriff schon eine Provokation für mich. Ich habe ihn deswegen so stehen lassen, weil man
da dann gleich auch einiges erläutern kann. Also die erste Frage, die sich stellt, ist, was ändert
sich eigentlich durch das Digitale? Man kann die merkwürdige Beobachtung machen, fast eine
kulturhistorische Konstante. Immer wenn neue Technologien auftreten, zerfällt prompt die
Kommentierung, die intellektuellen insbesondere, in zwei Teile. Die einen sind euphorisch bis hin zur
These nun beginnt ein neues Zeitalter oder ein altes Zeitalter Ende, das Gutenberg Zeitalter endet
und damit vielleicht noch Logik und Rationalität, wie wir sie kennengelernt haben in den letzten
Jahrhunderten. Und die anderen sagen, große Bedrohung, Niedergang, Abend ländischer Kultur.
Was kommt da auf uns zu ganz schrecklich? Wir müssen die Bildungsinstitutionen schützen vor den
Einflüssen, die da hervorgehen. Und dann vergeht einige Zeit, einige Jahrzehnte und dann entspannt
sich das ein wenig und dann auf einmal klärt sich der Blick und man sieht die pragmatische Dimension
neuer Technologien, auch die Grenzen neuer Technologien und vielleicht sieht man und das
ist dann gleich eine erste philosophische These, das was sich nicht verändert hat durch neue
Technologien. Es gibt eine sehr beliebte, man kann sie im weitesten Sinn als postmodern bezeichnen,
Medienphilosophie, Medientheorie, die eigentlich auf einer erkenntnistheoretischen Prämisse beruht,
nämlich dass man zwischen Medium und dem was medial vermittelt wird, streng genommen keinen
Unterschied machen kann. Das jeweils Realität eben das ist, was sich medial vermittelt. Also
eine antirealistische, irrealistische Position. Eigentlich ist das eine Art Kind, eine Spätgeburt
des deutschen Idealismus aus dem späten 19. Jahrhundert, die jetzt in anderer Form wieder
auflebt. Ich halte das für ziemlich irreführend und ich vertrete einen jetzt erkenntnistheoretisch
gesehen realistischen Standpunkt, allerdings einen Realismus, der ist unaufgeregt, der ist nicht
verbunden mit Zertismus, dass es eine Möglichkeit gibt eindeutig und endgültig und sicher festzustellen,
ob bestimmte Sachverhalte, bestimmte Fakten tatsächlich bestehen oder nicht bestehen.
Also nicht verbunden mit Zertismus, im Gegenteil mit Fallibilismus und dieser Realismus ist auch
nicht verbunden mit einer metaphysischen oder ontologischen Aufblähung, Hypostasierung, nach
der man gewissermaßen Seins schichten und ähnliches unterscheiden muss, wie das in der Tradition von
Platon bis zu Max Scheler und gegenwärtige auch auf Phänomenologie zum Teil vertreten wird. Das ist
ein Realismus, der ist in unserer Lebenswelt verankert. Ich will es mal ganz platt formulieren,
wer wie im 19. Jahrhundert in Mode das Fremdpsychische bezweifelt, wer kann das im
philosophischen Oberseminar tun, ohne Schaden zu nehmen, das ist in Ordnung. Wer es ernsthaft tut
in der Lebenswelt, muss dringend zum Nervenarzt. Also wir haben einen robusten Realismus, ich meine
das ganz ernst, also Kinder, die meinen zwischen Stofftieren und Katzen besteht kein Unterschied.
Presenters
Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:52:30 Min
Aufnahmedatum
2012-11-19
Hochgeladen am
2012-12-20 14:50:12
Sprache
de-DE