Italien bei den Germanen – eine Spurensuche im Germanischen Nationalmuseum [ID:29918]
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Ich darf Sie heute Abend ganz herzlich hier begrüßen im Germanischen Nationalmuseum. COVID hat auch bei uns einige Effekte,

zum Teil ein bisschen Arbeitsatmosphäre, aber es ist eine gute Gelegenheit, heute Abend sich mit den Originalen zu beschäftigen.

Thema des heutigen Abends, auch von einem Vortrag von Frau Werner, die nach mir kommt, ist die Frage,

inwiefern diese Schulbildungen, italienisch, flämisch, deutsch, französisch, heute in den Museen noch sinnvoll darzustellen ist.

Es ist eine der Grundlagen der musealen Gestaltung seit dem 18. Jahrhundert.

Bereits die Düsseldorfer Galerie im frühen 18. Jahrhundert und dann vor allen Dingen das Wiener Belvedere.

Ab den 17. und 18. Jahren waren ganz streng nach diesen Schulen eingerichtet.

Im 19. Jahrhundert hat sich das noch verstärkt durch den aufkommenden Nationalismus.

Und so ist noch heute in vielen Gemäldengalerien eigentlich die übliche Aufteilung,

dass man die italienischen, die französischen und die deutschen Schulen hat.

Ich nehme das zum Anlass, heute Abend im Germanischen Nationalmuseum an einigen Positionen zu überprüfen, ob das taugt.

Und habe das unter den Titel gestellt, Italien unter den Germanen in Anlehnung an das berühmte Gemälde Overbecks,

Italia und Germania.

Sind solche Trennungen sinnvoll oder gibt es Alternativen in der musealen Präsentation?

Wir beginnen im Jahr um 600 und stehen hier vor einem der berühmtesten Stücke des Germanischen Nationalmuseums,

vor dem sogenannten Schatz von Domagnano mit der Adlerfibel.

Diese Adlerfibel war über Jahrzehnte hinweg das Symbol des Germanischen Nationalmuseums,

sitzierte die Publikationen.

Warum ist sie so wichtig geworden?

Was hat diese Fibel hier am Germanischen Nationalmuseum verloren?

Entstanden ist sie im Kontext des unmittelbaren Personenkreises um Theodorich herum,

der ja bekanntlich Ravenna eingenommen hat und Ravenna zu seinem Königsitz gemacht hat.

Wir sehen hier auf der Karte, wo Domagnano liegt und wir sehen auch,

welche Bewegungen, nämlich die Bewegungen der Völkerwanderung, zu diesem Objekt geführt haben.

Dieses Objekt ist ein Paradebeispiel für die gegenseitige Beeinflussung

unterschiedlichster Stilströmungen, unterschiedlichster Regionen und Kulturprägungen.

Theodorich kam aus Byzanz.

In diesem Schmuckstück, in diesem Set von Schmuckstücken sind byzantinische, wiegotische

und Mittelmeerprägungen überhaupt eingeflossen.

Dieses Objekt kann eigentlich weder als gotisch, noch als germanisch, noch als italienisch gelten.

Es ist ein Ergebnis der Völkerwanderungszeit

und es ist auch ein Ergebnis einer Umbruchszeit, eines langen Prozesses,

der im Umfeld Theodorich stattgefunden hat.

Die ältere Geschichtsschreibung ist davon ausgegangen, dass mit Theodorich das weströmische Reich untergegangen ist.

Theodorich ist seit dem frühen 19. Jahrhundert zu einem Urgoten oder Urgermanen geworden,

als germanischer Volkskönig.

Und deshalb spielt er für das Germanische Nationalmuseum natürlich eine ganz zentrale Rolle.

Denn als die Brüder Grimm versucht haben, germanische Wurzeln in der deutschen Sprachkultur zu finden,

da spielt natürlich Theodorich als große Gründer und Vätergestalt eine zentrale Rolle.

Deshalb ist dieses Schmuckstückset hier am Germanischen Nationalmuseum.

Und wenn wir das heute etwas kritischer betrachten, uns von diesem Germanenturm,

das im 19. Jahrhundert natürlich die übelsten Auswirkungen erzeugt hat,

bis hin zu den ganzen Rassenideologien des 20. Jahrhunderts,

dann müssen wir da neue Positionen finden.

Selbst dieses Diktum vom Untergang des weströmischen Reichs lässt sich nicht aufrechterhalten.

Es handelt sich um einen langen Prozess,

ein Prozess von Aneignung, von Kulturaustausch, von Akkulturationsphänomenen.

Was im besten Sinne europäische Kultur oder, wenn Sie wollen, Migrationskultur

vor den Hintergrund dieser vielfältigen Völkerwanderungen,

die zu den unterschiedlichsten Beeinflussungen und zu den Verwischungen dieser Grenzen geführt hat.

Presenters

Prof. Dr. Daniel Hess Prof. Dr. Daniel Hess

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:17:40 Min

Aufnahmedatum

2021-02-23

Hochgeladen am

2021-03-02 08:44:05

Sprache

de-DE

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