Verantwortung und Mensch-Tier-Beziehung in der privaten Tierhaltung. Empirische Studien am Beispiel der Haltung von Ziervögeln [ID:35873]
50 von 193 angezeigt

Meine Damen und Herren, den folgenden Vortrag habe ich am 20. März 2021 auf der Tagung der

Fachgruppe Tierschutz der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft gehalten.

Ich habe ihn am 18. Juli 2021 leicht modifiziert neu eingesprochen, um ihn in einer breiten

Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Forschungsergebnisse, die ich heute

vorstelle, wurden in einem interdisziplinär-sozialwissenschaftlich-tiermedizinischen

Team im Rahmen von zwei tiermedizinischen Doktorarbeiten gewonnen. Die Doktorandinnen

waren Frau Burmeister und Frau Fontaine. Mein Vortrag besteht aus fünf Teilen. Ich stelle

die relevanten Grundbegriffe und den Stand der Forschung vor. Ich präsentiere Ihnen die von uns

entwickelte Skala zur Erfassung der Beziehung von Vogelhaltern und ihren Vögeln. Ich stelle

empirische Befunde zur Relevanz dieser Beziehung im Fall der Erkrankung des Vogels vor. Ich leite

Handlungsempfehlungen für Tierärztinnen ab und beende meinen Vortrag mit einem Ausblick.

Ich will mich als erstes mit den Grundbegriffen der Verantwortung und der Mensch-Tier-Beziehung

befassen. Dabei nehme ich zunächst eine philosophische Perspektive ein und rezipiere

den fünfstelligen Verantwortungsbegriff von Loh. Loh definiert Verantwortung wie folgt.

Verantwortlich ist ein Subjekt S für ein Objekt O vor einer Instanz I gegenüber einem

Adressaten A und auf der Grundlagenormativer Kriterien N. Ein Subjekt bezeichnet dabei jemanden,

dem man Verantwortung zuschreiben kann. Ein Objekt bezeichnet ein Objekt oder einen Gegenstand,

für den jemand verantwortlich erklärt wird. Eine Instanz bezeichnet jemanden, vor dem sich das

Subjekt zu verantworten hat. Ein Adressat bezeichnet das Gegenüber des Subjektes,

der Betroffene, der Grund für das Verhandsein einer Verantwortung und normative Kriterien

bezeichnen den Maßstab und normatinen Bezugsrahmen, nachdem in einem gegebenen

Kontext darüber geurteilt wird, ob das Subjekt verantwortlich gehandelt hat. Zum Beispiel Werte,

Prinzipien, Gebote, Maximen, Gesetze, Regeln, Befehle, Aufgaben oder Anweisungen. In unserem

Fall der Verantwortung für kranke Vögel kann man diese fünf Stellen wie folgt konkretisieren.

Verantwortlich ist eine Vogelhalterin für einen Vogel vor der Vernunft, vor dem eigenen Gewissen

oder der Natur oder dem Gesetzgeber oder dem Tierarzt, gegenüber dem Vogel und auf der Grundlage

der Werte der Gesundheit und der Tierlebe oder des Gebotes jemandem zu helfen, der sich nicht

selbst helfen kann oder der Bestimmungen des Tierschutzgesetzes oder der Pflicht des Halters

im Falle einer tierärztlichen Behandlung. Wichtige Bestimmungen des Tierschutzgesetzes sind dabei

in Deutschland. Das Tier gilt seit 1986 als Mitgeschöpf. Dennoch ergibt sich aus dem Recht

eine unklare Stellung des Kieres. In Paragraph 90a des BGB ist festgehalten, Tiere sind keine

Sachen, sie werden durch besondere Gesetze geschützt, auf sie sind die für Sachen geltenden

Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Im Mai 2002

wurde der Tierschutzdauch in das Grundgesetz aufgenommen, um ihm mehr Gewicht zu verleihen.

In Österreich und der Schweiz ist zusätzlich geregelt, dass der Tierhalter verpflichtet ist,

ein Haustier bei Erkrankung unverzüglich dem Zustand des Tiers entsprechend unterzubringen,

zu pflegen und zu behandeln. Im Sinne der von Low vorgeschlagenen Subkategorien liegt

hier eine individuelle, nicht kollektive, particulare, nicht universelle, eher private

als öffentliche und vorwiegend moralische, weniger rechtliche Verantwortung vor. Ich ergänze

die philosophische mit einer soziologischen Perspektive, die auf den Rollenbegriff abhebt.

Die Philosophin Low argumentiert, dass Rollen uns die Objekte vorgeben, für die wir verantwortlich

sind. Der Soziologe Kaufmann arbeitet heraus, dass das Aufgabenspektrum, das mit dieser Rolle

verbunden ist, durch einen erheblichen Handlungsspielraum und entsprechendes selbstständige

Entscheidungszumutungen sowie hohes Folgenrisiko gekennzeichnet ist. Damit komme ich zur

Mensch-Tier-Beziehung, bei der ich drei Formen unterscheide, die unpersönliche, die persönliche

und die enge persönliche Mensch-Tier-Beziehung. Bei allen drei Formen liegt eine Serie von

Interaktionen vor. Als Beispiele dienen mir eine Tierärztin, die einen Luri behandelt,

ein Vogelhalter, der seine Finken füttert und ein Kind, das mit seinem Wellensittich spielt. Nur der

letzte Fall ist per Definition durch Gegenseitigkeit ein emotionales Band und Empathie gekennzeichnet.

Alle persönlichen Beziehungen sind durch die Wahrnehmung einer persönlichen Entität und

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:20:01 Min

Aufnahmedatum

2021-07-18

Hochgeladen am

2021-07-20 11:06:06

Sprache

de-DE

Welche Relevanz hat die Beziehung des Besitzers zu seinem Tier für die Wahrnehmung von Verantwortung in der privaten Tierhaltung? Der Vortrag stellt zwei interdisziplinäre, empirische, sozialwissenschaftlich-tiermedizinische Studien vor, die diese Frage für Ziervögel beantworten.

Tags

Mensch-Tier-Beziehung Human Animal-Studies Anthropomorphismus private Tierhaltung Tiergesundheit
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen