Ja, vielen Dank. Ich freue mich hier zu sein und meine Forschung ein bisschen vorstellen zu dürfen.
Sie sehen, ich habe meinen kompletten Habilitationstitel mitgebracht, aber da das
doch etwas barock ist, erspare ich das uns allen und komme eigentlich gleich zu den sehr
einfachen Fragestellungen, die sich damit verbunden haben, nämlich wie entwickelt sich
in der frühen Neuzeit, also zur Zeit der Renaissance, eine Vorstellung von der gesprochenen Sprache der
römischen Antike. Und das ist nicht ganz trivial, wie wir gleich noch sehen werden.
Und was damit verbunden ist, auch die Frage, wie entwickelt sich dadurch ein Verständnis dafür,
dass das Italienisch und andere romanische Sprachen, wie das Französisch oder Spanische,
sich aus dem gesprochenen und nicht aus dem geschriebenen Latein durch Sprachwandel
entstanden sind. Weil Ursprung des modernen linguistischen Begriffes Vulgärlatein ist
hiermit gesetzt in der Renaissance, bevor jemand was falsches vermutet. Vulgärlatein ist nicht
unanständig, das meint Sprache des Volkes von Vulgus. Die Geschichte, die ich untersucht habe,
beginnt auch ganz einfach und sehr konkret im Jahre 1435 im Vorzimmer des Papstes Eugen
des Vierten. Da gab es eine Reihe von apostolischen Sekretärinnen, die sich
gelangweilt haben, weil sie auf eine Audienz des Papstes gewartet haben. Und wenn es einem so
fad ist und es ist gerade Renaissance, nämlich die Zeitalter der Wiedergeburt der Antike,
kann man sich natürlich mal fragen, was haben die Römer eigentlich gesprochen. Außerdem gab es zu
dieser Zeit auch noch die sogenannte questione della lingua, nämlich die sogenannte Sprachenfrage
in Italien. Und die handelt davon, soll man eigentlich weiterhin Latein schreiben, wie man
das das ganze Mittelalter hindurch gemacht hat oder wäre es nicht mal Zeit auf Italienisch zu
wechseln, dann könnten alle das verstehen. Auf solche Ideen ist auch jemand schon vorher gekommen,
nämlich Dante, den kennt man, das ist der, der eine Midlife-Crisis hat und dann ins Inferno
hinabgestiegen ist und heute siebenhundertsten Geburtstag hat. Und dem ist schon mal aufgefallen,
dass so Wörter wie Erde, Himmel, Liebe, also Terram oder Calum ganz irgendwie verwandt sind
mit den romanischen Wörter, also mit Italienisch terra oder Französisch tier. Aber er hat nicht so
recht gewusst, warum. Deswegen kommen die apostolischen Sekretäre aus der Renaissance
jetzt auf die Idee, das mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Leonardo Bruni hatte eine gute
Idee. Er sagte, das muss so sein, in der Antike gab es zwei komplett verschiedene Sprachen. Warum?
Es konnte nicht sein, dass eine Marktfrau, ein Metzger oder ein Bäcker auf der Straße,
dass die das gleiche Latein gesprochen haben wie Cicero, Virgil, Livius. Das war undenkbar. In der
Renaissance ein Affront, eine Plasphemie. Deswegen, ganz logisch, die mussten was komplett anderes
gesprochen haben als Cicero. Ging ja nicht. Und das hat er auch entsprechend vertreten. Wie sich das
dann weiterentwickelt hat, deswegen das Fragezeichen hier, keine Ahnung, das hat er einfach ausgelassen,
sicherheitshalber. Sein Kontrahent, Flavio Biondo, ebenfalls ein Humanist, der hat eine bessere Idee
gehabt. Die sogenannte Korruptionsthese. Das heißt nicht, dass er korrupt war oder vielleicht auch,
aber das spielt hier keine Rolle. Es gab auch, er nimmt auch zwei Sprachen an, also die Sprache der
Gebildeten im alten Rom, das sind die Sprache Ciceros und Virgils, aber auch die Sprache der
Ungebildeten, die aber irgendwie zusammenhängen mussten. Und aus dieser ungebildeten Sprache des
Volkes musste sich irgendwie das Italienische entwickelt haben, also die Volkssprache. So einfach
ging das nicht, weil das konnte ja nicht sein, dass auch in Florenz irgendwie der Metzger,
Becker, Entschuldigung für die Diffamierung der Berufszweige, aber das sind die Beispiele dort,
irgendwie die gleiche Sprache gesprochen haben wie Cicero oder so. Also Idee, das waren die Barbaren,
die sind schuld. Die haben das Latein so verunstaltet, die Goten, Langobaden und Vandalen,
dass da eine ganz furchtbare Volkssprache rausgekommen ist. Diese Idee hat man dann aufgegriffen und man
hat furchtbar diskutiert, über 150 Jahre lang und es gab noch andere Ideen. Vielleicht waren es nicht
die Goten, Vandalen, Langobaden, sondern die Gallier oder die Etrusker noch schlimmer. Man
hatte eine Menge Ideen und hat also eine Menge Völker aus dem Hut gezaubert, um diesen Verfall,
wie man das damals nannte, also diese Korruption zu erklären. Wie konnte aus dem Latein Cicero denn
das Italienische entstehen? Undenkbar. Und das war zumindest eine ganz gute Lösung und wie man hier
noch mal sieht an der Chronologie, man hat sehr lange diskutiert und weil ja die Zeit der
Presenters
Dr. Roger Schöntag
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:06:55 Min
Aufnahmedatum
2021-10-25
Hochgeladen am
2021-12-22 15:58:49
Sprache
de-DE