5 - Shakespeares Hamlet und die Frauen: Rezeptionsgeschichte als Emanzipationsgeschichte [ID:4069]
50 von 297 angezeigt

Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Das Thema, das ich ausgesucht habe, ist ein Versuch, ein Anliegen des Eminöter Gedenkens

zu verbinden mit dem, was ich selber in meiner Wissenschaft, nämlich der englischen Literaturwissenschaft,

mache, von daher, also Shakespeare's Hamlet und die Frauen.

Man kann, man muss natürlich nicht, aber es ist möglich, die Rezeptionsgeschichte von

Shakespeare's Hamlet als Geschichte der Frauen-Emanzipation sehen.

Hamlet lässt sich nicht nur aber auch erzählen als Teil dieser Geschichte im Sinne einer

progressiven Ermächtigung der Frauen dadurch, dass sie eine besondere Nähe zu Shakespeare's

Helden geltend gemacht haben.

Ansonsten stehen sich der Gegenstand und der Anlass meiner Vorlesung offensichtlich fremd gegenüber.

Shakespeare und Eminöter gehören zwei verschiedenen Kulturen an, die den Kontakt zueinander weitgehend

verloren haben.

Die Humanities und mit ihnen die Literatur auf der einen Seite, die Naturwissenschaften und die Mathematik

und die theoretische Physik auf der anderen.

Und doch gibt es ein Buch, ein neueres Buch über Eminöter, dessen Kapitel jeweils mit Aussagen

aus Shakespeare's Dramen, zumeist aus Hamlet, überschrieben sind.

Und zwar ist es die Abhandlung eines serbischen Physikers namens Vladimir Ristic mit dem

Titel Nöther's Theorem von 2008.

Der Autor macht mit seiner Kombination von Shakespeare's Zitat und Nöther Referat aufmerksam,

auf Parallelen zwischen Nöthers Begabung, formale Beziehungen und auf allgemeine Formeln

hin zu abstrahieren und Hamlet's Art Sachverhalte in zugespitzte, verallgemeinernde Aussagen zu fassen.

Von Nöther selbst allerdings ist kein einziges Zeugnis des Interesses für Literatur,

geschweige denn für Shakespeare oder gar Hamlet, überliefert, obgleich sie ihre berufliche

Karriere wie die Rednerin des heutigen Abends begonnen hat mit einem staatlichen bayerischen

Examen für den Unterricht des Englischen und Französischen.

Sie hätte jedoch, um ein weiteres Wort aus dem Drama Hamlet, in diesem Fall das Schlusswort

für den toten Helden auf sie zu übertragen, sie hätte, wäre es zum Test gekommen, sich

höchst königlich bewährt.

Mit ihr wäre vermutlich die strenge strukturalistische Dramaanalyse Jahrzehnte früher in die Literaturwissenschaft

eingeführt worden, als dies mit der strukturalen Semantik von Greymard in den 1960er Jahren

tatsächlich geschehen ist.

Nöthers holländischer Mathematikkollege Bartel van der Verden formuliert den Grundsatz

ihrer Arbeiten so, alle Beziehungen zwischen Zahlen, Funktionen und Operatoren werden erst

dann durchsichtig verallgemeinerungsfähig und wirklich fruchtbar, wenn sie von ihren besonderen

Objekten losgelöst und auf allgemeine begriffliche Zusammenhänge zurückgeführt sind.

Dieses Prinzip hätte Nöther auf Shakespeare bezogen dazu gebracht, vom individuellen,

einmaligen und kontingenten in den Drama abzusehen und die Gesamtheit der Relation,

welche die dramatischen Elemente zu einem System verknüpfen, integrativ zu beschreiben.

Symmetrien in den Handlungssträngen, Entsprechungen zwischen Haupt- und Nebenhandlung und den diese

spiegelnden Theateraufführungen auf der Bühne, Parallelen zwischen Figurenkonstellationen

und Analogien zwischen den Situationen, wie sie besonders augenfällig in Hamlet, aber

auch in Midsummer Night's Dream oder wieder in King Lear zu beobachten sind, hätte sie

in klare, simple Formeln gefasst und so die reiche schexspirische Welt geordnet.

Als Mathematikerin hat sie, wie Albert Einstein in seinem schönen Nachrufsag der Zitat

Poesie der strengen Logik gehuldigt.

Als Literaturwissenschaftlerin würde sie, so kann vermutet werden, eine strenge Logik

in der Poesie gefunden haben.

Doch dies sollte nicht sein.

Und so wird mein Vortrag zu Ehren von Emy Nöther, die große Mathematikerin des frühen 20. Jahrhunderts,

auf andere, weniger direkte Weise mit Shakespeare in Verbindung bringen, insofern nämlich,

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Ina Schabert Prof. Dr. Ina Schabert

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:43:50 Min

Aufnahmedatum

2014-06-25

Hochgeladen am

2014-06-27 10:29:17

Sprache

de-DE

Schon bevor im 18. Jahrhundert die akademische Literaturkritik den Dramatiker wieder zu schätzen lernte, waren Shakespeares Stücke bei den Frauen beliebt. Neben energischen Heldinnen wie Lady Macbeth und Cleopatra wurde Hamlet zu einer ihrer Lieblingsfiguren. Aufgrund seiner kulturell weiblichen Charakterzüge wie Sensibilität, Nachdenklichkeit und Passivität konnten sie sich mit ihm verwandt fühlen. Die Identifikation mit ihm ermöglichte es ihnen, sich anstatt als das Sonderwesen ‚Frau‘ als Mensch zu denken. Der Assimilationsprozess steigerte sich bis zur Verkörperung der Hamlet-Rolle durch englische, deutsche und französische Starschauspielerinnen. Dies geschah vor allem um 1900, zur Zeit der ersten Frauenbewegung, die zugleich Emmy Noether den Mut machte, sich den als männlich geltenden Beruf des Mathematikers anzueignen.

Tags

Emmy-Noether-Vorlesung
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen