Guten Abend, meine Damen und Herren. Mein Name ist Eva Otzuk und ich freue mich sehr, heute
Abend mit Ihnen über die Zukunft der Demokratie im Zeitalter emergierender Technologien nachzudenken.
Bestimmt haben Sie alle von der sogenannten Zauber-Schere CRIS-VacCas9 gehört, die das
Erbgut von Lebewesen schneiden kann. Als ich 2015 abzeichnete, dass das Verfahren auch
an der menschlichen Keimbahn angewandt werden könnte, forderte die Scientific Community
weltweit ein Moratorium, um sorgfältig über das Ob der Anwendung nachzudenken. Wie Sie
wissen hat Dr. He nicht so lange nachgedacht. Er verkündete 2018, er habe das Verfahren
angewendet und zwar an der Keimbahn von späteren Zwillingsmädchen, den er eine Resistenz gegen
HIV eingepflanzt habe. Der Aufschrei war riesig, unter anderem weil Nebenwirkungen und Spätfolgen
weitgehend unbekannt sind. Eingefordert wurde daraufhin erneut ein Moratorium sowie eine
intensiv geführte globale öffentliche Debatte, in der man erörtern sollte, ob und unter
welchen Voraussetzungen jemals solche Eingriffe in das Erbgut zukünftiger Menschen durchgeführt
werden könnten, verantwortungsvoll. Wie aber soll man eine solche öffentliche Debatte
über emergierende Technologien sinnvoll führen? Das ist die Frage. Klar ist, dass wir hierzu
das Fachwissen verschiedener Disziplinen benötigen, Naturwissenschaften, Medizin, aber auch die
Perspektiven betroffener Personen. Klar ist aber auch, dass das allein nicht ausreicht.
Die liberalen Demokratien entstanden in der Folge der Religionskriege und sie schützen
die Freiheiten der Menschen nach ihren eigenen Wertvorstellungen zusammenzuleben. In liberalen
Demokratien leben in der Regel Menschen verschiedener Religionszugehörigkeiten und Menschen verschiedener
Weltanschauungen friedlich zusammen. Das ist nun der Rahmen und die Frage, wie führt man
nun solche hochkomplexen öffentlichen Debatten über emergierende Technologien in diesen
Kontexten, in liberal-pluralistischen Gesellschaften? Die politische Philosophie spricht hier von
der Notwendigkeit eines öffentlichen Vernunftgebrauchs. Was heißt das? Wenn man öffentlich für
gesetzliche Regelungen plädiert, die die Freiheiten anderer Menschen massiv tangieren,
dann sollte man so argumentieren, dass dem auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger,
auch wenn sie unterschiedliche Weltanschauungen haben, zustimmen könnten. Im Idealfall. Das
heißt, man sollte versuchen, wenn man in diese öffentliche Debatte geht und über Gesetze
nachdenkt, so zu argumentieren, wie es Gesetzgebertun oder Richter des Bundesverfassungsgerichtes
die Gesetze vor allen Bürgerinnen und Bürgern als freien und gleichen rechtfertigen müssen.
Und das zu tun dadurch, dass man auf zentrale politische Grundwerte, demokratische Grundwerte
und zentrale Verfassungsprinzipien wie die Freiheit und die Gleichheit rekurriert. Zu
welchem Ergebnis kommt man aber, wenn man über keimbaren Eingriffe nachdenkt und dabei
zentrale demokratische Grundwerte wie beispielsweise die der Freiheit zugrunde liegt. Nun, das
kommt ganz darauf an, wie ich in meiner Forschung gezeigt habe, welchen Freiheitsbegriff man
hier genau zugrunde liegt. Es gibt eine Theorie Strömung, die unter dem Namen der liberalen
Eugenik und im Namen der Freiheit für eine weitreichende Anwendung auch nicht therapeutische
Anwendung von keimbaren Eingriffen wirkt zur Freiheitssteigerung. Diese Position begreift
die genetische Ausstattung selber als eine Freiheitsressource und sie betrachtet oder
sie benutzt einen Freiheitsbegriff, der sehr stark Freiheit als eine Funktion von Ressourcen
und Möglichkeiten begreift. Man muss sich vorstellen, hier wird die genetische Ausstattung
selber als sowas wie ein Grundgut bezeichnet, das Optionen erhöhen kann. Das heißt, man
geht davon aus, je mehr genetische Grundgüter ein Mensch hat, desto größer sein seine Optionenraum
und desto offener sei seine Zukunft. Es ergibt sich also ein Imperativ zum Eingriff auch
zu nicht therapeutischen Eingriffen. Dieser Freiheitsbegriff betrachtet den menschlichen
Körper weitgehend als eine Ressource und Freiheit wird in dieser Position weitgehend
als etwas dem Menschen Äußerliches, ein externer Optionenraum verstanden. Daneben gibt es viele
andere und viele komplexere Freiheitsbegriffe. Ein solcher Freiheitsbegriff berücksichtigt
beispielsweise sehr, sehr stark das Selbstverhältnis von Personen. Hier geht man davon aus, dass
es um von Wahlfreiheit gebraucht zu machen, eines bestimmten Selbstverhältnisses von
Menschen bedarf. Wie kann man sich das vorstellen? Was heißt das? Nun, stellen Sie sich vor,
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:07:39 Min
Aufnahmedatum
2022-10-25
Hochgeladen am
2022-12-07 10:06:13
Sprache
de-DE