Konzepte sozialer Freiheit. Eine Einführung [ID:46243]
50 von 272 angezeigt

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu einem Vortrag über Konzepte sozialer Freiheit.

Worin besteht soziale Freiheit? Gibt es Freiheiten, die die Philosophie, die Anthropologie,

die politische Theorie, die Rechtswissenschaft und die Theologie in ihren langen und intensiven

Auseinandersetzungen mit dem Freiheitsbegriff gleichsam übersehen haben? Diese Schlüsselfrage

stellt sich für eine Soziologie, die sich, wie Baumann es formuliert hat, als a science of

unfreedom, first and foremost entwickelt habe, oder in den Worten Babies. Surrendered freedom is the

substance of society. Denn wenn Individuen als frei beschrieben werden, etwa von der Philosophie,

wieso zeigt ihr Handeln dann gewisse Regelmäßigkeiten? Weil, so argumentieren

bereits die Klassiker der Soziologie, Klassen, Macht, Herrschaft, Autorität, aber auch die

Sozialisation, Ideologien, Kultur und Erziehung eine Form von äußerem oder internalisierten Zwang auf

die Individuen ausüben, der ihre Willens- und Handlungsfreiheit beschränkt. Für Emmy Dürkheim,

Karl Marx, Max Weber, Michel Foucault, Pierre Bourdieu und Margaret Archer erscheint Freiheit

daher eher als soziale Fiktion. Die Sozialstruktur stelle, ganz im Sinne der Philosophie, ein äußeres

Hindernis dar. Das ist Individuen für Unmögliche oder sie zumindest darin einschränke, wie Gunnar

Aguag es ausdrückt, to live one's own life. Ende des Zitates. Wenn manche Sozialtheoretiker, wie

etwa Jürgen Habermas, Anthony Gittens oder John Searle herausarbeiten, dass die Sozialstruktur

Freiheit nicht nur einschränkt, sondern auch ermöglicht, dann impliziert dies nicht, dass sie

Konzepte sozialer Freiheit entwickeln. Auch Sozialtheoretiker, die das spezifische Post moderner

Freiheit zu bestimmen suchen, etwa Zygmunt Baumann, Peter Wagner und Manfred Prisching, entwickeln

nicht notwendigerweise ein explizites Konzept sozialer Freiheit. Insgesamt wurde eine genuin

soziale Freiheit aufgrund komplementärer Blickverengungen oft übersehen. Vor diesem

Hintergrund lassen sich vier Bedingungen für die Entwicklung eines Konzepts sozialer Freiheit

formulieren. Es setzt erstens eine gewisse kritische Distanz gegenüber klassischen und

modernen sozialtheoretischen Positionen voraus, die Freiheit als soziale Fiktion betrachten.

Zweitens muss bestimmt werden, was das genuin soziale an der Freiheit meint. Ein soziologisch

aufgeklärtes Konzept sozialer Freiheit wird drittens Freiheit nicht als Gegenbegriff zu den

Begriffen Notwendigkeit, Kontingenz, Zwang oder Bindung bestimmen, denn ein gewisses Maß an

Determiniertheit, zum Beispiel sozialer Schichtzugehörigkeit oder guten Gründen

folgend, an doppelter Kontingenz, an von außen erzwungenem Handeln, zum Beispiel durch Befehl

und an durch soziale Bindungen zumindest mitbestimmtes Handeln kennzeichnet jede Gesellschaft.

Schließlich muss ein Konzept sozialer Freiheit mitdenken, dass etwa der jeweilige Zwang und die

jeweiligen Bindungen historisch kontingent sind und Freiheit daher immer relativ zu einer bestimmten

Gesellschafts- bzw. Sozialordnung verstanden werden muss. Dies umfasst eine Antwort auf die

Frage, in welcher Gesellschaft wir leben. Im Lichte dieser Voraussetzungen sollen Konzepte

als dünn bezeichnet werden, die auf mehrere dieser Bedingungen nicht oder kaum eingehen.

Im Folgenden werden nur dicke Konzepte sozialer Freiheit vorgestellt. Ich werde mit der Vorstellung

sozial-philosophischer und theoretischer Konzepte sozialer Freiheit beginnen. Die von Axel Honnett

entwickelte neo-hägelianische Freiheitstheorie enthält explizit ein Konzept sozialer Freiheit,

das von ihm neben ein Konzept negativer Freiheit, bei dem er sich an Thomas Hobbes orientiert,

und ein Konzept reflexiver Freiheit gestellt wird. Hier bezieht er sich auf Immanuel Kant

und Jean-Jacques Rousseau. Sozial an seiner Auffassung von Freiheit sei, dass er, Zitat,

eine bestimmte Institution der gesellschaftlichen Wirklichkeit als Medium und Vollzugsbedingungen

von Freiheit, Zitat Ende, betrachte. Die Institutionen der politischen Sphäre,

der Marktwirtschaft und der persönlichen Beziehungen, hier denkt Axel Honnett an Liebe

und Freundschaft, eröffneten Freiheiten, die nur dann verwirklicht werden könnten,

wenn das Individuum in Kooperation mit anderen handele. Dies setze die Übernahme

einer Wirperspektive voraus, die mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel als bei sich selbst sein im anderen

beschrieben wird. Die Absichten und die Wünsche des anderen würden dabei als Ermöglichungsbedingungen,

nicht als Grenze der eigenen Absichten und Wünsche wahrgenommen. Soziale Freiheit bedeute

den, Zitat, kompletten Wegfall all der Hindernisse, die die Absichten der anderen mit Subjekte im

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:34:38 Min

Aufnahmedatum

2022-12-16

Hochgeladen am

2022-12-21 09:06:03

Sprache

de-DE

Soziale Freiheiten wurden vielen Menschen in der Corona-Krise erst bewusst – in dem Moment, in dem sie ihre alltägliche Selbstverständlichkeit verloren, beispielsweise durch Kontaktverbote. Auch in der Soziologie wurde eine genuin soziale Freiheit aufgrund komplementärer Blickverengungen oft übersehen. Der Vortrag stellt vier Konzepte sozialer Freiheit vor. Eine klare Unterscheidung zwischen politischen Freiheiten, sozialen Freiheiten und Freiheitsrechten ist notwendig.

Tags

Sozialtheorie Sozialphilosophie Soziale Freiheit
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen