Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu einem Vortrag über Konzepte sozialer Freiheit.
Worin besteht soziale Freiheit? Gibt es Freiheiten, die die Philosophie, die Anthropologie,
die politische Theorie, die Rechtswissenschaft und die Theologie in ihren langen und intensiven
Auseinandersetzungen mit dem Freiheitsbegriff gleichsam übersehen haben? Diese Schlüsselfrage
stellt sich für eine Soziologie, die sich, wie Baumann es formuliert hat, als a science of
unfreedom, first and foremost entwickelt habe, oder in den Worten Babies. Surrendered freedom is the
substance of society. Denn wenn Individuen als frei beschrieben werden, etwa von der Philosophie,
wieso zeigt ihr Handeln dann gewisse Regelmäßigkeiten? Weil, so argumentieren
bereits die Klassiker der Soziologie, Klassen, Macht, Herrschaft, Autorität, aber auch die
Sozialisation, Ideologien, Kultur und Erziehung eine Form von äußerem oder internalisierten Zwang auf
die Individuen ausüben, der ihre Willens- und Handlungsfreiheit beschränkt. Für Emmy Dürkheim,
Karl Marx, Max Weber, Michel Foucault, Pierre Bourdieu und Margaret Archer erscheint Freiheit
daher eher als soziale Fiktion. Die Sozialstruktur stelle, ganz im Sinne der Philosophie, ein äußeres
Hindernis dar. Das ist Individuen für Unmögliche oder sie zumindest darin einschränke, wie Gunnar
Aguag es ausdrückt, to live one's own life. Ende des Zitates. Wenn manche Sozialtheoretiker, wie
etwa Jürgen Habermas, Anthony Gittens oder John Searle herausarbeiten, dass die Sozialstruktur
Freiheit nicht nur einschränkt, sondern auch ermöglicht, dann impliziert dies nicht, dass sie
Konzepte sozialer Freiheit entwickeln. Auch Sozialtheoretiker, die das spezifische Post moderner
Freiheit zu bestimmen suchen, etwa Zygmunt Baumann, Peter Wagner und Manfred Prisching, entwickeln
nicht notwendigerweise ein explizites Konzept sozialer Freiheit. Insgesamt wurde eine genuin
soziale Freiheit aufgrund komplementärer Blickverengungen oft übersehen. Vor diesem
Hintergrund lassen sich vier Bedingungen für die Entwicklung eines Konzepts sozialer Freiheit
formulieren. Es setzt erstens eine gewisse kritische Distanz gegenüber klassischen und
modernen sozialtheoretischen Positionen voraus, die Freiheit als soziale Fiktion betrachten.
Zweitens muss bestimmt werden, was das genuin soziale an der Freiheit meint. Ein soziologisch
aufgeklärtes Konzept sozialer Freiheit wird drittens Freiheit nicht als Gegenbegriff zu den
Begriffen Notwendigkeit, Kontingenz, Zwang oder Bindung bestimmen, denn ein gewisses Maß an
Determiniertheit, zum Beispiel sozialer Schichtzugehörigkeit oder guten Gründen
folgend, an doppelter Kontingenz, an von außen erzwungenem Handeln, zum Beispiel durch Befehl
und an durch soziale Bindungen zumindest mitbestimmtes Handeln kennzeichnet jede Gesellschaft.
Schließlich muss ein Konzept sozialer Freiheit mitdenken, dass etwa der jeweilige Zwang und die
jeweiligen Bindungen historisch kontingent sind und Freiheit daher immer relativ zu einer bestimmten
Gesellschafts- bzw. Sozialordnung verstanden werden muss. Dies umfasst eine Antwort auf die
Frage, in welcher Gesellschaft wir leben. Im Lichte dieser Voraussetzungen sollen Konzepte
als dünn bezeichnet werden, die auf mehrere dieser Bedingungen nicht oder kaum eingehen.
Im Folgenden werden nur dicke Konzepte sozialer Freiheit vorgestellt. Ich werde mit der Vorstellung
sozial-philosophischer und theoretischer Konzepte sozialer Freiheit beginnen. Die von Axel Honnett
entwickelte neo-hägelianische Freiheitstheorie enthält explizit ein Konzept sozialer Freiheit,
das von ihm neben ein Konzept negativer Freiheit, bei dem er sich an Thomas Hobbes orientiert,
und ein Konzept reflexiver Freiheit gestellt wird. Hier bezieht er sich auf Immanuel Kant
und Jean-Jacques Rousseau. Sozial an seiner Auffassung von Freiheit sei, dass er, Zitat,
eine bestimmte Institution der gesellschaftlichen Wirklichkeit als Medium und Vollzugsbedingungen
von Freiheit, Zitat Ende, betrachte. Die Institutionen der politischen Sphäre,
der Marktwirtschaft und der persönlichen Beziehungen, hier denkt Axel Honnett an Liebe
und Freundschaft, eröffneten Freiheiten, die nur dann verwirklicht werden könnten,
wenn das Individuum in Kooperation mit anderen handele. Dies setze die Übernahme
einer Wirperspektive voraus, die mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel als bei sich selbst sein im anderen
beschrieben wird. Die Absichten und die Wünsche des anderen würden dabei als Ermöglichungsbedingungen,
nicht als Grenze der eigenen Absichten und Wünsche wahrgenommen. Soziale Freiheit bedeute
den, Zitat, kompletten Wegfall all der Hindernisse, die die Absichten der anderen mit Subjekte im
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:34:38 Min
Aufnahmedatum
2022-12-16
Hochgeladen am
2022-12-21 09:06:03
Sprache
de-DE
Soziale Freiheiten wurden vielen Menschen in der Corona-Krise erst bewusst – in dem Moment, in dem sie ihre alltägliche Selbstverständlichkeit verloren, beispielsweise durch Kontaktverbote. Auch in der Soziologie wurde eine genuin soziale Freiheit aufgrund komplementärer Blickverengungen oft übersehen. Der Vortrag stellt vier Konzepte sozialer Freiheit vor. Eine klare Unterscheidung zwischen politischen Freiheiten, sozialen Freiheiten und Freiheitsrechten ist notwendig.