Oh, ein Match. Sehr gut. Bookfrohlein möchte mich kennenlernen. Jetzt muss ich nur noch
hier eine Nachricht schreiben. Vielleicht, hallo, deine wunderschönen Augen. Nee, das
ist zu Stereotyp. Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit ihr
anzutragen? Ja, das ist schon besser. Das reimt sich und wird gleich ganz gebildet.
Aber es ist irgendwie immer noch ein bisschen unpersönlich. Das geht noch besser. Olde
Maid, mich deucht. Wir würden trefflich zusammenpassen. Nee, das klingt nach Mittelaltermarkt.
Wie haben die denn damals wirklich ihre Burgfräulein umworben im Mittelalter, als die Liebe noch
Minne hieß? Da gibt es keine eindeutige Antwort drauf. Aber wenn du meine Meinung hören willst,
Liebe gibt es nicht ohne Leid. Davon bin ich Reinmer als Minnedichter des zwölften Jahrhunderts
überzeugt. Und keiner kann diesen süßen Kummer so schön ertragen wie ich. Also, um Burgfräulein zu
beeindrucken, nimm dir ein Beispiel an mir und ästhetisiere deinen Liebesschmerz. Klage ihr ein
Ohr ab. Nein, bloß nicht. Nicht diese ganze Leidenspathetik. Hör nicht auf Reinmer,
sondern hör auf mich, Steinmer, und überzeuge Burgfräulein mit Humor. Standesgemäß auf
Mittelhochdeutsch natürlich, dem Deutsch des Mittelalters. Sag ihr etwa, als ein Zwiehn in
einem Sacken fährt mein Herz hin und da. Wilde Gliecher, dann ein Dracke, fächt es von mir zu
zirgar. Es will u's durch ganze Brust von mir zu derselben riechen. All so stark ist sie in Gelust.
Wie ein Schwein in einem Sack bewegt sich mein Herz hin und her. Wilder als ein Drache kämpft sich
mein Herz von mir zu dir, meine Geliebte. Es will aus meiner Brust springen, hin zu der glückseligen
Dame. So stark ist sein Verlangen. Steinmer, du minne Komiker des dreizehnten Jahrhunderts,
machst du dich über mich lustig? Das schöne Trauern ist eine ästhetische Tugend. Es ist meine Tugend.
Wenn du schon Tierbilder aufgreifen willst, um das höchste Gefühl, die glückselige Minne, zu
beschreiben, dann ist nur der Falke als adeliger Jagdvogel würdig genug. Oder der Adler, der König
der Lüfte. Am besten beide zusammen, das wirkt gleich noch dramatischer. Mein Herz hebbet sich
zis Bill. Zu Freuden zwinget sich mein Murd, als der Falke in den Flug geturrt. Und der Ahrenz weime,
julies ich, Freunde, daheime. Mein Herz macht sich auf zum Vergnügen. Zu Freuden schwingt sich mein
Sinn auf, wie der Falke es im Flug macht und wie der Adler, wenn er in der Luft dahin schwebt. Ja,
ich ließ die Freuden daheim zurück. Wie ein Falke bewegt sich dein Herz zu deiner Geliebten,
sagst du? Du bist kein würdevoller Falke, sondern eine watschelnde Ente, die sich ängstlich vor
jedem Falken versteckt. So lebe ich in Sendem Ungemache. Vorminnen schricken ich mich, tuchen
als ein Ente sich, die snelle Falken jagend, in einem Bache. Ich lebe in sehnsuchtsvollem Schmerz.
Wenn die Liebe mich anspringt, ducke ich mich wie eine Ente, die im Bach von schnellen Falken gejagt
wird. Steinmeier, was soll das denn bedeuten? Wenn du mehr von den beiden mittelalterlichen
Dichtern wissen und lesen willst, schau mal auf der Homepage Lyrik des Deutschen Mittelalters vorbei.
Ein Projekt der FAU Erlangen-Nürnberg und der Universität Stuttgart. Wir wollen mit euch in
die mittelalterliche Lyrik eintauchen.
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:04:43 Min
Aufnahmedatum
2023-01-19
Hochgeladen am
2023-01-19 16:46:05
Sprache
de-DE
Wer heutzutage in Flirtlaune ist, lädt sich Tinder, Bumble und Co aufs Handy und kann direkt loslegen. Wie sah das im Mittelalter aus? (Und kann man sich da vielleicht etwas Inspiration holen? )
Dr. Sandra Hofert ist unsere Expertin fürs Flirten im Mittelalter und klärt euch über Minnesang auf