Wissen begegnet uns überall, aber fast immer in aufbereiteter Form. Reichweitenstarke Formate
wie MyLab oder Quarks erfreuen sich dieser Tage besonderer Beliebtheit. Ihr Anspruch ist es ja,
wissenschaftliche Inhalte an ein breiteres Publikum zu vermitteln. Das Wissenschaftspopularisierung
dabei nie ideologiefrei funktioniert. Das kann eine Beschäftigung mit der Geschichte der
Wissenspopularisierung zeigen. Wie sieht es aber mit den historischen Anfängen einer
Popularisierung von Wissen aus? Im 18. Jahrhundert beginnt das, was man heute unter das Schlagwort
der disziplinären Ausdifferenzierung fasst. Das heißt eine zunehmende Spezialisierung
unserer Wissensbereiche. Das ist gleichzeitig auch die wichtigste Voraussetzung dafür, sinnvoll von
so etwas wie einer Populärwissenschaft sprechen zu können. Es wird also in einem ersten Schritt
ein Fachwissen von Fachleuten produziert, dass dann in einem zweiten Schritt auf spezifisch
populäre Weise an ein breiteres Laienpublikum weitergegeben wird. Im 18. Jahrhundert war die
sogenannte Volksaufklärung schon damit befasst. Bereits die Volksaufklärer haben intensiv über
Wissenspopularisierung nachgedacht und ganze Theorien der Popularität entworfen, wie die Theorie der
Popularität von Johann Christoph Greiling, die wir hier auf der rechten Seite sehen. In diesen
Theorieschriften ging es den Volksaufklärern einmal um das Reflektieren auf konkrete Techniken. Das
heißt um das Nachdenken über so etwas wie einen populären Stil, eine bildhafte Darstellung,
eine anschauliche Vermittlungsweise, einen prägnanten Ausdruck. Neben diesen konkreten
Techniken der Popularisierung ging es ihnen aber noch grundsätzlicher um die Vermittlung
einer Haltung bei ihren Rezipientinnen und Rezipienten. Mit Michel Foucault gesprochen
kann man das Unternehmen der Volksaufklärung deshalb auch als ein Programm der Sozialdisziplinierung
ansprechen. Das heißt, oberrechkeitsstaatlich gewünschte Verhaltensweisen sollten eingeübt
und verfestigt werden. Wissenschaftspopularisierung geht historisch immer auch mit dem Versuch einher,
eine uniformierte Wissenschaft zu schaffen bzw. das Wissen, das in einer Gesellschaft
frei zirkuliert auf Linie zu bringen. Die Top-Down-Vermittlung von Fakten spielte
dabei schon in der Volksaufklärung eine tragende Rolle. Beispielsweise das Faktum über die
vermeintlich kürzere Lebensdauer von unvorherrateten Männern. Das war ein Faktum,
das sexualpolitisch natürlich sehr sinnvoll eingesetzt werden konnte, weil im 18. Jahrhundert
derjenige Fürst als der Glücklichste galt, der über die meisten Untertanen verfügen konnte.
Fakten von lateinisch Fakta, das Hergestellte, sind also nie etwas, das einfach vorliegt,
sondern das produziert, aktiv hergestellt oder diskursiv geschaffen werden muss.
Narrating Science, also die Frage dahinter, wie wird Wissenschaft eigentlich erzählt,
bildet gerade auch einen Untersuchungsgegenstand in der neueren Erzähltheorie. Wenn du dich dafür
interessierst, welche Erzählmuster gerade auch selbsternannte Wissenschaftsjournalistinnen
und Wissenschaftsjournalisten unserer Tage verwenden bzw. wie sogenannte Faktenchecker
Wissen weltanschaulich zu richten, dann könnte eine Beschäftigung mit der Erzähltheorie und
also ein Studium der Germanistik hier in der FAU genau das Richtige für dich sein.
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:03:41 Min
Aufnahmedatum
2023-02-02
Hochgeladen am
2023-02-02 00:36:12
Sprache
de-DE
Wissenschaftliche Inhalte an ein breites Publikum zu vermitteln, funktioniert trotz bester Absichten nie ideologiefrei. Korbinian Lindel beschäftigt sich in unserem neuen Video mit der Geschichte der Wissenspopularisierung.