Ethische Konflikte bei der Präimplantationsdiagnostik [ID:513]
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Der Philosoph Hans Jonas, der hier in Erlangen vor Jahren zur medizinischen Ethik zu hören war,

hat in den Blick gerückt, dass wir in einer Zeit leben, in der oft ganz spezifische Erfindungen

unser Leben grundlegend verändern. Also nicht nur dadurch, dass wir unsere Lebensbedingungen

verändern durch die Art wie wir leben, sondern dass wir an einem vielleicht abseitig erscheinenden

Punkt etwas tun, was unsere menschliche Existenz umstürzend verwandeln kann. Und das hat jetzt

nichts mit Dramatisierung oder einer generellen Kritik dessen zu tun, was wir Fortschritt nennen,

sondern mit der Erkenntnis, dass die Konturen unserer menschlichen Lebensform, ob wir es wollen

oder nicht, durch unser Tun jedenfalls tankiert werden. Es wird eigentlich niemand nach seinem

Menschenbild oder seiner Ethik wirklich gefragt. Es hat sich einfach de facto etwas verändert,

weil etwas Neues in die Welt gekommen ist. Ob es nun etwas Neues ist und in welchem Sinne,

davon will ich versuchen zu reden. Nämlich von Präimplantationsdiagnostik. Vorläufig gesagt ist

dies die Diagnose, die vor einer Schwangerschaft den Gesundheitszustand von Menschen, die geboren

werden, untersuchen lässt. Sodass diese PED auch zu den Errungenschaften gehören kann, mit denen ja

keiner von uns vielleicht demnächst oder direkt oder überhaupt konfrontiert wird und die doch die

Grundlagen unserer menschlichen Lebensform berührt oder eben auch verändert. Gleichwohl ist die

Veränderung in unserem Bewusstsein und in unseren Einstellungen vielleicht längst im Gange. Auch die

Veränderungen, die sich schon im Vorfeld der Gesetzgebung auf die eine oder andere gesetzgeberische

Maßnahme auswirkt. Also unabhängig davon, was realisiert ist und auch in gewisser Weise unabhängig

davon, was realisiert werden wird. Und solche Veränderungen beginnen immer schon und nicht

zuletzt in unserem Reden. Und oft wundern wir uns gar nicht mehr so sehr über alles, das was in

unserer Sprache geschieht. Und doch ist es vielleicht ein kurzer Moment der Verwunderung wert. Nur ein

kurzes Beispiel. Die Präimplantationsdiagnostik gehört in den Zusammenhang, was Reproduktionsmedizin

genannt wird. Das ist die Medizin, die sich damit befasst, wie wir Menschen uns reproduzieren und

wie wir dabei uns medizinisch helfen lassen können. Aber die Frage ist, ob wir die Art und Weise,

wie wir Menschen zu Kindern kommen, wirklich Reproduktion nennen können und unsere Kinder

dann die Reproduktion von uns. Wir müssen also einen Moment innehalten bei dem Wort

Reproduktionsmedizin. Wie sollen wir das benennen? Die Kommission, die Enquete-Kommission,

fragt im Verlauf ihrer Darlegungen nur am Rande nach der Sprache. Gelegentlich werden

Anführungszeichen gesetzt, so zum Beispiel bei dem Ausdruck Verwerfung von Embryonen. Und schließlich

wird vermerkt, ich zitiere, es gehe darum eine Sprache zu entwickeln, die den neuen Entwicklungen

angemessen ist. Als ging es in der Sprache nicht doch darum, wie wir von uns Menschen reden und

somit auch um die Erkenntnis, die wir von uns gewinnen können. In dem Bericht, bin noch bei

der Sprache, in dem Bericht der Enquete-Kommission wird schließlich auch gefragt, ob wir den Embryo

einen Menschen nennen können. Ich zitiere, was ist der Embryo in vitro, ein Zellhaufen oder ein Mensch?

Wir sind an die Frage längst gewöhnt und die Enquete-Kommission behandelt diese Frage eigentlich

ihrerseits zunächst mal unbefragt, aber dennoch, warum fragen wir nicht umgekehrt, in welcher Hinsicht

und wozu sind Kinder, deren Geburt erwartet wird, Embryonen zu nennen? Wenn wir sagen könnten,

Embryonen sind keine Menschen, hätten wir zwar keineswegs alle moralischen Probleme los,

aber wir hätten bestimmt andere Fragen. Wir könnten anders argumentieren, wir hätten

andere Gesetze, aber noch oder überhaupt halten wir mindestens die Überlegung fest,

in welcher Hinsicht wir von Menschen zu reden haben. Wir geben diese Überlegung nicht auf,

weil wir schließlich das, was wir tun, moralisch abgesichert wissen wollen. Das gilt selbstverständlich

auch für die Enquete-Kommission, die eben diese Frage nicht aufgibt und die am Ende auch nicht

aufgibt zu sagen, der Embryo ist ein Mensch. So viel erst mal zu dem Rahmen und jetzt die Frage,

wie kommt in diesem Rahmen die Präimplantationstheagnostik vor? Sie steht für eine medizinische

Maßnahme, die voraussetzt, dass es aus bestimmten ärztlichen Gründen geboten ist, einem künftigen

Elternpaar, das sich ein Kind wünscht, zu ermöglichen, vor einer Schwangerschaft,

aufgrund einer ärztlichen Diagnose, ärztliche Diagnose des Erbguts, des Genoms, zu erfahren,

in welchem Gesundheitszustand dieses Kind sein wird. Ein bisschen umständlich formuliert,

aber das muss alles mindestens drin vorkommen. Vielleicht fehlt sogar noch was. Vor einer

Presenters

Prof. Dr. Hans G. Ulrich Prof. Dr. Hans G. Ulrich

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:30 Min

Aufnahmedatum

2002-11-26

Hochgeladen am

2018-06-28 12:07:05

Sprache

de-DE

Tags

Diagnostik Präimplantationsdiagnostik Collegium Alexandrinum Ethik Konflikte Präimplantation ethisch Ulrich
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