Ja, vielen Dank und schönen guten Abend, meine Damen und Herren. Ich freue mich sehr, dass ich
Ihnen heute meine Habilitationsarbeit vorstellen darf, in der ich verschiedene politische
Interventionen evaluiert habe. Keine Sorge, ich werde nicht über acht wissenschaftliche Beiträge
in sechs Minuten referieren. Ich habe nur einen mitgebracht. Und da ging es um eine
gesundheitspolitische Maßnahme und zwar im Bereich der Schwangerschaftsvorsorge und wir haben uns die
Effekte auf die Gesundheit der Neugeborenen angeschaut. Dazu nehme ich Sie mit auf eine
kleine Reise durch Zeit und Raum und zwar nach Polen Ende 2000. Eine große politische Sorge,
im damaligen Polen war die niedrige Geburtenrate. Also diese Diskussion haben wir aktuell auch in
Deutschland und damals, um dem entgegenzuwirken, wurde in Polen 2005 eine sogenannte Babyprämie
eingeführt. Das war grundsätzlich eine einmalige Zahlung für alle Familien nach der Geburt eines
Kindes. Gleichzeitig hat man sich aber überlegt, wie kann man die Gesundheit der Neugeborenen
verbessern und dazu wurden die Schwangeren unter die Lupe genommen. Man hat unter anderem festgestellt,
dass sie ziemlich spät zum Arzt gehen und ziemlich spät mit der Schwangerschaftsvorsorge beginnen.
Schon damals hat die Weltgesundheitsorganisation empfohlen, dass man mit der
Schwangerschaftsvorsorge im ersten Termester beginnt. Und in den meisten europäischen Ländern
haben sich ungefähr 90 Prozent der Schwangeren dran gehalten. In Polen waren es aber nur 55 Prozent.
Um das zu ändern, hat sich die polnische Regierung Ende 2008 entschieden, die Babyprämie zu
reformieren. Sie kennen sicherlich alle das Grundprinzip politischer Interventionen. Ja,
es geht um Zuckerbrot und Peitsche und die Einführung der Babyprämie war so eine Art Zuckerbrot.
Deren Reformen 2008 aber eher so eine Art Peitsche oder eigentlich so eine finanzielle
Strafe für Frauen, die zu spät zum Arzt gegangen sind. Konkret wurde zum 1. November 2009 eine
Testpflicht eingeführt als Voraussetzung für die Babyprämie. Das bedeutet, dass alle frisch
gebackenen Mütter ab dann nachweisen mussten, dass sie spätestens in der zehnten Schwangerschaftswoche
zum Arzt gegangen sind. Keiner test, keine Babyprämie. Und Sie können sich vorstellen,
das hat sofort gewirkt. Fast alle Frauen haben sich an diese zehn Wochen Vorgabe gehalten. Wir
haben uns aber gefragt, ob sich das tatsächlich auch auf die Gesundheit der Neugeborenen ausgewirkt
hat. Und dazu haben wir Daten aus dem polnischen Geburtenregister ausgewertet. Also Sie müssen
sich das grundsätzlich so vorstellen, nach der Geburt geht meist der frisch gebackenen Papa zum
Einwohnermeldeamt, um das Kind zu registrieren. Und da wird er von so einem Formular fast erschlagen.
Also nicht unbedingt nervenschonend für frisch gebackene Väter, aber großartig für die
Wissenschaft. Und zwar deswegen, weil damals in Polen neben dem Namen des Kindes und der Eltern
und dem Wohnort auch wichtige Informationen über den Verlauf der Schwangerschaft und auch die
Gesundheit des neugeborenen Kindes erhoben wurden. Und wir durften diese Daten für unsere
Forschungsfrage nutzen. Natürlich anonymisiert. Und das bedeutet, dass sensible Informationen,
wie zum Beispiel Namen und Adressen bereits gelöst wurden. Methodisch haben wir ein
sogenanntes Difference in Differences Design verwendet. Und das bedeutet, dass wir diese
triviale Gleichung hier geschätzt haben. Also ich habe heute leider aus Zeitgründen keine Zeit,
um über die Details zu sprechen. Weil noch wichtig ist natürlich, was wir eigentlich gefunden haben.
Und wir haben tatsächlich positive Effekte auf die Gesundheit der Neugeborenen gefunden.
Zum Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit einem niedrigen Geburtsgewicht,
das bedeutet unter zweieinhalb Kilo, zur Welt gekommen ist, um sieben Prozent gesunken ist.
Und das ist grundsätzlich ein sehr optimistisches Ergebnis, weil ein gesundes Geburtsgewicht ein
wichtiger Indikator für die Gesundheit, den Bildungs- und den Arbeitsmarkterfolg später im
Leben ist. Nun fragen Sie sich sicherlich, wie soll ich gerade dieses polnische Beispiel für
den heutigen Abend ausgewählt habe. Also ein wichtiger Grund dafür war auch, dass ich die
heutige Gelegenheit dafür nutzen möchte, um auf die relativ schlechte Datenlage für
mikroökonomische Wirkungsforschung in Deutschland aufumüxen zu machen. Also oft ist es nämlich so,
dass wir deutsche Politikmaßnahmen nicht angemessen evaluieren können, aufgrund von
Datenrestriktionen. Zwar existieren geeignete Verwaltungs- und Prozessdaten, aber diese werden
oft für Forschungszwecke nicht zur Verfügung gestellt. Besonders prekär ist die Lage,
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:06:29 Min
Aufnahmedatum
2024-10-22
Hochgeladen am
2024-10-29 08:46:04
Sprache
de-DE
Prof. Dr. Kamila Cygan-Rehm, Habilitationspreis der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät: Science Slam bei den FAU Awards 2024 über ihre kumulative Habilitation: Ökonometrische Evaluation verschiedener politischer Interventionen in acht wissenschaftlichen Beiträgen