Weil ich Dich verstehen möchte - über einfühlsame Kommunikation mit Demenzkranken [ID:598]
50 von 311 angezeigt

Kommunikation bestimmt unseren Alltag.

Ständig sind wir im mündlichen Austausch mit unseren Mitmenschen und meist gelingt

dies auch ohne große Schwierigkeiten.

Manchmal aber bleibt bei den Beteiligten das Gefühl zurück, missverstanden worden zu sein,

ohne dabei genau beschreiben zu können, woran das liegt. Kommunikationspsychologen haben sich

damit beschäftigt und festgestellt, dass unsere zwischenmenschliche Kommunikation

sehr viel störungsanfälliger ist, als wir meinen. So fand beispielsweise der Wissenschaftler

Schulz von Thun heraus, dass wir tatsächlich viel mehr Botschaften an unsere Zuhörer senden,

als die eigentliche Nachricht, die wir wörtlich aussprechen. Betrachten wir das mit dem einfachen

Satz, die Ampel ist rot. Über die konkrete Aussage hinaus enthält der Satz noch weitere

unausgesprochene Botschaften. Die selbst offenbarende Botschaft gibt Auskunft darüber,

wie es dem Sprecher selbst gerade geht. Zudem enthält der Satz eine Mitteilung darüber,

was der Sprecher von der anderen Person möchte, die appellierende Botschaft, und eine Botschaft,

was der Sprecher von der Person hält, die Beziehungsbotschaft. In dem einfachen Satz,

die Ampel ist rot, sind also vier verschiedene Botschaften enthalten. Drei der Mitteilungen

bleiben unausgesprochen und werden dem Empfänger der Botschaft über Ton und Stimmlage,

Blicke und Körperhaltung vermittelt. Trotz der klaren inhaltlichen Aussage, die Ampel ist rot,

hat es der Gesprächspartner nun mit vier verschiedenen Botschaften zu tun. Während

die Sachinformation leicht zu entschlüsseln ist, sind die unausgesprochenen Botschaften die

Quelle vieler Missverständnisse. So hört die Frau aus unserem Beispiel heraus, wie es dem Mann geht.

Ich bin unruhig. Hinter der Ton- und Stimmlage der Mitteilung versteht sie den Appell,

halt doch an! Und die Beziehungsbotschaft, du bist eine schlechte Autofahrerin. Auf diese

vier Aussagen muss die Frau nun reagieren. Es ist also nur zu verständlich, wenn sie sich

angegriffen und entwertet fühlt. Die Aussage auf der Beziehungsebene überlagert die

Sachinhaltsbotschaft. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob der Mann dies auch alles so

ausdrücken wollte oder nicht. Denn oft meinen wir, eine Botschaft vernommen zu haben, die der andere

gar nicht beabsichtigt hatte. Und manchmal hören wir Botschaften nicht, die der andere gesendet hat.

Für das Vermeiden von Missverständnissen und das Gelingen von Kommunikation tragen in der

Regel also beide Gesprächspartner Verantwortung. Hey Karin, wie geht's dir? Wir haben uns ja lange

nicht mehr gesehen. Hallo, ja ganz gut und dir so? Ja super. Kannst du dich noch an meinen Freund,

den Alex erinnern? Weiß nicht. Na also mit dem bin ich jetzt nicht mehr zusammen. Aber kannst du

dich an Benny erinnern, der damals auch mit uns weg war? Ja, weil der war der eine, der da

neben dir gesessen hat, der blonde. Jedenfalls bin ich jetzt mit dem zusammen. Und seine Ex,

die Monika, die war voll sauer auf mich. Na ja, was soll's. Und du, studierst du noch fleißig? Ja,

ja genau. Ich habe jetzt gerade die Zwischenprüfen hinter mir, ist ganz gut gelaufen. Echt cool,

da freue ich mich. Weißt du was, wir müssen mal wieder zusammen weg gehen. Das war so lustig.

Das ist noch das letzte Mal, da der eine Typ, der fandest du so niedlich. Diese Szene zeigt anschaulich

eine sehr einseitige Art der Kommunikation. Karin kann die Person, die sie angesprochen hat,

nicht einordnen, will aber dennoch zum Gelingen des Gesprächs beitragen. Da sie auf der

Sachinhalsebene nicht weiß, worüber genau gesprochen wird, beschränkt sie sich darauf,

auf die selbst offenbarende Botschaft positiv und bejahend zu reagieren. Sie spiegelt die

Freundlichkeit ihres Gegenübers einfach wieder. Diese Situation ähnelt der speziellen Kommunikation

mit einem Demenzkranken. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass nur ein Partner im Gespräch für das

Gelingen der Kommunikation verantwortlich ist. Das Modell von Schulz von Thun kann als Hilfsmittel

dienen, um zu begreifen, was zwischen Demenzkranken und ihren Angehörigen schiefläuft, wenn die

Kommunikation misslinkt und es immer wieder zu denselben Konflikten zwischen ihnen kommt.

Schließlich kann das Modell Angehörigen auch helfen, einen Ausweg aus diesen scheinbar

verfahrenen Situationen zu finden. Zum besseren Verständnis betrachten wir konkret eine

alltägliche Situation aus dem Leben einer Angehörigen mit ihrer Mutter beim morgendlichen Frühstück.

Mama, du sollst viel trinken. Komm, ich schenk dir noch mal ein.

Presenters

MA Rainer Hertwig MA Rainer Hertwig
Prof. Dr. Sabine Engel Prof. Dr. Sabine Engel

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:36:45 Min

Aufnahmedatum

2009-07-27

Hochgeladen am

2017-07-20 16:05:02

Sprache

de-DE

Prof. Dr. Sabine Engel hat in den Jahren 2002 -2006 ein Schulungsprogramm für Angehörige Demenzkranker entwickelt (EduKation©), das auf dem ebenfalls von ihr erarbeiteten Kommunikationskonzept der einfühlsamen Kommunikation" beruht. Der hier abrufbare Lehrfilm entstand aus einem dreisemestrigen Praxisseminar, das in einer Kooperation des Instituts für Psychogerontologie und des Instituts für Theater- und Medienwissenschaft von Sabine Engel (Psychogerontologie) und Rainer Hertwig (Theaterwissenschaft) mit Studierenden und Laiendarstellern durchgeführt wurde. Der Film soll pflegende Angehörige, die an einer EduKation"-Schulung teilnehmen, darin unterstützen, einfühlsame Kommunikation zu lernen und im alltäglichen Umgang mit ihrem demenzkranken Familienmitglied anzuwenden. Er beruht auf Situationen, die Angehörige aus ihrem Alltagsleben mit ihren demenzkranken Familienangehörigen in Interviews (Engel, 2006) schilderten. Diese Szenen werden im Film zunächst so eskalierend dargestellt, wie die Angehörigen sie schilderten und anschließend entsprechend des Konzepts der einfühlsamen Kommunikation deeskalierend aufgelöst.

Tags

Demenz Kommunkation Lehrfilm Psychogerontologie Angehörige
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen