1 - Licht und Farbe - Newton und Goethe zu Optik und Farbenlehre [ID:731]
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Meine Damen und Herren, es ist merkwürdig, dass sich in der Kultur- und Geistesgeschichte

im Wesentlichen nur zwei Blickwinkel gefunden haben, unter denen die Auseinandersetzung

Goethes mit Newton dargestellt wird.

Aus der mit der traditionellen Wissenschaftsgeschichte verbundenen Sichtweise steht Goethe-Gesicht

ganz im Schatten Newtons, nimmt sich sein Versuch zur Farbenlehre als dilettantisches

Unterfangen aus, irgendwie gut gemeint, aber letztlich doch nicht gut gelungen.

Es ist stark belastet mit polemischen Ausfällen, die offensichtlich mangelnde Fachkenntnis

kompensieren soll.

Aus der anderen Perspektive erscheint Goethe stark überhöht als Begründer einer alternativen

Naturwissenschaft, welche den sanften, nicht technischen Umgang mit der Natur pflegt, ganzheitlich

zu denken vermag und auf die Versöhnung von Kultur und Natur hin angelegt ist.

Diese Sichtweise wird nicht nur in der Nachfolge Rudolf Steiner's eingenommen, sondern von

vielen geteilt, die den Gang der modernen Naturwissenschaften mit Unbehagen verfolgen

und nach alternativen Ausschau halten.

Beide Perspektiven sind insoweit unglücklich gewählt, als sie eine fruchtbare Auseinandersetzung

um Aufgaben und Wege einer Farbenlehre eher behindern als fördern.

Im ersten Fall geraten durch die starke Konzentration auf die polemischen und in einzelnen Details

sicher fehlerhaften Ausführungen Goethes seine positiven Ansätze ganz aus dem Blick.

Im zweiten Fall löst man sich zwar von den Einzelheiten, tritt aber einen Schritt zu weit

zurück und vermag dadurch nur noch eine Programmatik von so unbestimmter Allgemeinheit zu erkennen,

dass eine fruchtbare Umsetzung nicht gelingen kann.

Ich möchte in Nutten und Goethe zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren

jeweiligen methodologischen Anliegen folgen und hoffe, dass dadurch die Konturen sowohl

einer physikalischen Optik wie einer Farbenlehre in der Tradition Goethes als jeweils eigenständige

Forschungsansätze deutlich hervortreten.

Sehen wir uns zunächst den Kontext an, in dem Nutten auf Farben zu sprechen kam.

Nutten hat sich in seiner Studienzeit intensiv mit Fragen der Optik beschäftigt und als

er 1669 mit 27 Jahren seinen Lehrer Barrow auf dem Jukas Lehrstuhl für Mathematik in

Cambridge nachfolgte, beherrschte er dieses Gebiet wie kaum ein anderer Zeitgenosse,

Heugens vielleicht ausgenommen.

Im Jahr 1672 teilte er einen Teil seiner Forschungsergebnisse der Royal Society in einem Brief mit, den

er überschrieben hat, A New Theory About Light and Colors.

Mit diesem Brief gab er nicht nur der Optik wichtige Impulse, er begründete damit zugleich

die Literaturgackertung des naturwissenschaftlichen Aufsatzes.

Die Summe seiner Arbeiten zur Optik bildete dann die erst 1704 erschienene Monographie

Optics, or a Trites of the Reflections, Refractions, Inflections and Colors of Light.

Auch dieses Buch wurde nicht zuletzt durch seine Darstellungsform prägend für die Entwicklung

der Physik.

Was Nutten zum Gegenstand seiner Forschungen gemacht hat, klingt schon im Titel seiner

Monographie an.

Er untersuchte Phänomene der Lichtreflexion, Brechung und Beugung an Prismen, Linsen und

dünnen Schichten, wobei es ihm vor allem darauf ankam, eine physikalisch korrekte Beschreibung

für solche Phänomene zu finden.

Physikalisch korrekt waren für ihn nur solche Aussagen, in denen Verknüpfungen und Ausprägungen

physikalischer Größen thematisiert wurden.

Die Existenz der Dinge, an denen diese Größen hafteten, dürften bestenfalls in einem alltagsweltlichen

Sinn zur Sprache kommen.

Natürlich suchte auch Nutten nach Erklärungen für Brechungs- oder Beugungserscheinungen,

aber er war hier mit Äußerungen sehr zurückhaltend.

Für ihn war klar, dass man sich erst an Erklärungen versuchen sollte, wenn man den

Teil einer Videoserie :

Presenters

Dr. Rudolf Kötter Dr. Rudolf Kötter

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:48 Min

Aufnahmedatum

2009-06-17

Hochgeladen am

2011-04-11 13:53:28

Sprache

de-DE

Die Auseinandersetzung Goethes mit Newton gehört zu den berühmten Kontroversen der Wissenschaftsgeschichte. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, dass gleiche Wahrnehmungen zu ganz unterschiedlichen Sinnkriterien werden können, je nach dem Kontext, in dem ihnen Bedeutung verliehen wird.
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