Inspiriert, diktiert, kanonisiert – wie wird ein Text zur Heiligen Schrift? [ID:9068]
50 von 884 angezeigt

Freut mich sehr, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben und dass Sie diese Podiumsdiskussion

dem Biergarten vorgezogen haben. Ich begrüße Sie zu unserer heutigen Veranstaltung zum Thema

inspiriert, diktiert, kanonisiert. Wie wird ein Text zur Heiligen Schrift? Ganz besonders möchte

ich die mitwirkenden Kolleginnen und Kollegen begrüßen, die ich Ihnen in Kürze kurz vorstellen

werde. Diese Podiumsdiskussion ist Teil der Fachtagung zu den beiden Konzepten Scripture,

Heilige Schrift und Doctrine, Dogma oder Doktrin, die von der Forschungsstelle Key Concepts in

Interreligious Dialog seit gestern an der Friedrich Alexander Universitäten erlangen

ausgerichtet werden. Während die Fachtagungen in englischer Sprache im engen Kreis von Experten

stattfinden, beabsichtigen wir mit den begleitenden Podiumsdiskussionen in deutscher Sprache eine

interessierte Öffentlichkeit in der Stadt anzusprechen. Dies entspricht dem Grundprinzip

unserer Forschungsstelle Key Concepts in Interreligious Dialog, dass die Wissenschaft im Dienste der

Gesellschaft steht. Zum ersten Mal findet eine von uns organisierte Veranstaltung in diesem Haus,

im Haus der Kirche Kreuz und Quer statt. Aus diesem Anlass möchte ich mich auch im Namen des

ganzen Teams bei Herrn Professor Dr. Hans-Jürgen Lübel, dem Leiter dieses Hauses und Leiter der

Ewangelischen Erwachsenenbildung in Erlangen, herzlich bedanken und ich hoffe auf eine nachhaltige,

gute und produktive Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass die Ideen, die von den Teilnehmerinnen

und Teilnehmern an dieser und an künftigen Diskussionen systematisch aus verschiedenen

Richtungen quer in diesem Raum aufgeworfen werden, sich kreuzen und neue Denkimpulse erzeugen.

Der Gegenstand unserer heutigen Diskussion eignet sich eh und gerade dafür. Schriften,

die in bestimmten Religionsgemeinschaften als heilig anerkannt werden, bergen in sich Inhalte,

die sehr oft kontrovers diskutiert werden. Vor allem deshalb, weil heilige Schriften in ihren

jeweiligen Gemeinschaften universelle Geltung und normative Kraft besitzen. Sie üben großen

Einfluss auf das Leben der Menschen aus. Ihre Wirkung ist konservativ in dem Sinne,

dass sie religiöse Identität stiften, traditionelle Werte bewahren und es möglich machen,

dass das Leben ihrer Anhänger genuin nach ihren authentischen Vorschriften laufen. Die

heiligen Schriften fungieren somit als Brücke zwischen dem gläubigen Hier und Jetzt und dem

Ursprung der Religion. In der Tat, der historische Anfang jeder der drei monotheistischen Religionen

ist mit einer Offenbarung verbunden, deren Folge eine heilige Schrift ist. Auf das Ereignis auf dem

Berg Sinai folgt die Thora. Die Evangelien berichten vom Wandeln des menschgewordenen

Sohnes Gottes auf der Erde. Der Koran wird von Muslimen für die verbale Offenbarung Gottes

gehalten. In den heiligen Schriften werden die Anfänge der Religion festgehalten und die

theologischen Fundamente gelegt, auf denen das Religionsgebäude errichtet wird. Gehen die heiligen

Schriften auf göttliche Initialereignisse zurück, sind sie gleichermaßen Menschenwerk.

Göttliche Unmittelbarkeit lässt sich in ihnen kaum erfassen. Selbst die ursprünglichen zwei

Tafeln mit den zehn Geboten von Gottes Hand geschrieben, hat der zornige Mose in zahlreiche

Fragmente zerbrochen. Als er Gott um eine neue Auflage derselben bat, diktierte dieser ihm den

Dekalog, der mit menschlicher Handschrift niedergeschrieben wurde. So die Erzählung

im Buch in Genesis. Die Handschrift Gottes blieb den Menschen also verborgen. Die Evangelien sind

nicht mehr als Memoiren über die Erfahrung ihrer Verfasser mit Jesus von Nazareth. Paulus

Petrus, Jakobus und Johannes schrieben Briefe. Heute würden sie wahrscheinlich E-Mails schreiben.

Ich wage zu vermuten, dass keiner von ihnen auf die Idee kam, er schreibe Werke für die Ewigkeit.

Von Muhammad wird berichtet, er habe göttliche Offenbarungen unmittelbar erhalten, die er ohne

eigenes Zutun seinen Adressaten weitervermittelten. Der Engel Gabriel, Jibril, war das Medium der

Sprache Gottes. Gott selber sprach zu Muhammad nicht. Und es handelte sich um mündlichen Vortrag,

um Rezitation. Das ist eigentlich die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Quran. Das daraus ein Buch

wurde, ist das Ergebnis einer Entwicklung in der zweiten Phase des prophetischen Wirkens

des Muhammad. Besitzen die Heiligen Schriften göttliche Autorität, sind sie doch ebenfalls

Produkt menschlicher Tätigkeit. Sie entstehen in Gemeinschaften, die sie als transcendenten

Ursprungs anerkennen und als Heilig kanonisieren. Wie ist dieser Prozess in den verschiedenen

Religionsgemeinschaften beschaffen? Wie gelangen die Heiligen Schriften zu der Autorität, die

Presenters

Prof. Dr. Georges Tamer Prof. Dr. Georges Tamer

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:45:12 Min

Aufnahmedatum

2018-04-19

Hochgeladen am

2018-05-01 08:44:44

Sprache

de-DE

Key Concepts in Interreligious Dialogue -

The Concept of Scripture and
The Concept of Doctrine in Judaism, Christianity and Islam 

Tags

Koran Bibel Tora
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen