Freut mich sehr, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben und dass Sie diese Podiumsdiskussion
dem Biergarten vorgezogen haben. Ich begrüße Sie zu unserer heutigen Veranstaltung zum Thema
inspiriert, diktiert, kanonisiert. Wie wird ein Text zur Heiligen Schrift? Ganz besonders möchte
ich die mitwirkenden Kolleginnen und Kollegen begrüßen, die ich Ihnen in Kürze kurz vorstellen
werde. Diese Podiumsdiskussion ist Teil der Fachtagung zu den beiden Konzepten Scripture,
Heilige Schrift und Doctrine, Dogma oder Doktrin, die von der Forschungsstelle Key Concepts in
Interreligious Dialog seit gestern an der Friedrich Alexander Universitäten erlangen
ausgerichtet werden. Während die Fachtagungen in englischer Sprache im engen Kreis von Experten
stattfinden, beabsichtigen wir mit den begleitenden Podiumsdiskussionen in deutscher Sprache eine
interessierte Öffentlichkeit in der Stadt anzusprechen. Dies entspricht dem Grundprinzip
unserer Forschungsstelle Key Concepts in Interreligious Dialog, dass die Wissenschaft im Dienste der
Gesellschaft steht. Zum ersten Mal findet eine von uns organisierte Veranstaltung in diesem Haus,
im Haus der Kirche Kreuz und Quer statt. Aus diesem Anlass möchte ich mich auch im Namen des
ganzen Teams bei Herrn Professor Dr. Hans-Jürgen Lübel, dem Leiter dieses Hauses und Leiter der
Ewangelischen Erwachsenenbildung in Erlangen, herzlich bedanken und ich hoffe auf eine nachhaltige,
gute und produktive Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass die Ideen, die von den Teilnehmerinnen
und Teilnehmern an dieser und an künftigen Diskussionen systematisch aus verschiedenen
Richtungen quer in diesem Raum aufgeworfen werden, sich kreuzen und neue Denkimpulse erzeugen.
Der Gegenstand unserer heutigen Diskussion eignet sich eh und gerade dafür. Schriften,
die in bestimmten Religionsgemeinschaften als heilig anerkannt werden, bergen in sich Inhalte,
die sehr oft kontrovers diskutiert werden. Vor allem deshalb, weil heilige Schriften in ihren
jeweiligen Gemeinschaften universelle Geltung und normative Kraft besitzen. Sie üben großen
Einfluss auf das Leben der Menschen aus. Ihre Wirkung ist konservativ in dem Sinne,
dass sie religiöse Identität stiften, traditionelle Werte bewahren und es möglich machen,
dass das Leben ihrer Anhänger genuin nach ihren authentischen Vorschriften laufen. Die
heiligen Schriften fungieren somit als Brücke zwischen dem gläubigen Hier und Jetzt und dem
Ursprung der Religion. In der Tat, der historische Anfang jeder der drei monotheistischen Religionen
ist mit einer Offenbarung verbunden, deren Folge eine heilige Schrift ist. Auf das Ereignis auf dem
Berg Sinai folgt die Thora. Die Evangelien berichten vom Wandeln des menschgewordenen
Sohnes Gottes auf der Erde. Der Koran wird von Muslimen für die verbale Offenbarung Gottes
gehalten. In den heiligen Schriften werden die Anfänge der Religion festgehalten und die
theologischen Fundamente gelegt, auf denen das Religionsgebäude errichtet wird. Gehen die heiligen
Schriften auf göttliche Initialereignisse zurück, sind sie gleichermaßen Menschenwerk.
Göttliche Unmittelbarkeit lässt sich in ihnen kaum erfassen. Selbst die ursprünglichen zwei
Tafeln mit den zehn Geboten von Gottes Hand geschrieben, hat der zornige Mose in zahlreiche
Fragmente zerbrochen. Als er Gott um eine neue Auflage derselben bat, diktierte dieser ihm den
Dekalog, der mit menschlicher Handschrift niedergeschrieben wurde. So die Erzählung
im Buch in Genesis. Die Handschrift Gottes blieb den Menschen also verborgen. Die Evangelien sind
nicht mehr als Memoiren über die Erfahrung ihrer Verfasser mit Jesus von Nazareth. Paulus
Petrus, Jakobus und Johannes schrieben Briefe. Heute würden sie wahrscheinlich E-Mails schreiben.
Ich wage zu vermuten, dass keiner von ihnen auf die Idee kam, er schreibe Werke für die Ewigkeit.
Von Muhammad wird berichtet, er habe göttliche Offenbarungen unmittelbar erhalten, die er ohne
eigenes Zutun seinen Adressaten weitervermittelten. Der Engel Gabriel, Jibril, war das Medium der
Sprache Gottes. Gott selber sprach zu Muhammad nicht. Und es handelte sich um mündlichen Vortrag,
um Rezitation. Das ist eigentlich die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Quran. Das daraus ein Buch
wurde, ist das Ergebnis einer Entwicklung in der zweiten Phase des prophetischen Wirkens
des Muhammad. Besitzen die Heiligen Schriften göttliche Autorität, sind sie doch ebenfalls
Produkt menschlicher Tätigkeit. Sie entstehen in Gemeinschaften, die sie als transcendenten
Ursprungs anerkennen und als Heilig kanonisieren. Wie ist dieser Prozess in den verschiedenen
Religionsgemeinschaften beschaffen? Wie gelangen die Heiligen Schriften zu der Autorität, die
Presenters
Prof. Dr. Georges Tamer
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:45:12 Min
Aufnahmedatum
2018-04-19
Hochgeladen am
2018-05-01 08:44:44
Sprache
de-DE
Key Concepts in Interreligious Dialogue -
The Concept of Scripture and
The Concept of Doctrine in Judaism, Christianity and Islam