Mensch-Tier-Interaktionen in der Tiermedizin: Die tiermedizinische Triade [ID:58501]
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Meine Damen und Herren, den folgenden Vortrag über die Mensch-Tier-Interaktion in der Tiermedizin,

genauer über die tiermedizinische Triade, habe ich am 23. Juli 2025 vor der Münchner

Tierärztlichen Gesellschaft gehalten. Ich habe ihn zwei Tage später erneut

eingesprochen, um ihn einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Ich möchte zunächst etwas ausführlicher über die tiermedizinische Triade in der Heim- und

Kleintierpraxis sprechen, bevor ich in den Kreis der Tiere, aber auch Menschen erweitern will,

die in der Tiermedizin solche Triaden bilden. Dazu will ich dann zunächst die,

wie wir Soziologinnen das nennen, gesellschaftliche Konstruktion von Tieren problematisieren.

Letztlich leben wir immer im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft. Deshalb stelle ich

die tiermedizinische Triade dann in ihre Umwelt, und zwar in ihre gegenwärtige Umwelt,

um den Veränderungsdruck sichtbar zu machen, unter dem auch so kleine Interaktionszusammenhänge wie

unsere Triade stehen. In der tiermedizinischen Kleintierpraxis bilden Tierärztinnen,

der Patientenhalter sowie das Kleine und Heimtier ein Dreieck wechselseitiger Beziehungen,

für das wir in der Soziologie den Begriff Triade verwenden. Im Rahmen dieser Triade werden Tiergesundheit

und Tierwohl einschließlich Tierschutz als Handlungsziele der Tierärztinnen beschrieben,

weshalb sie hier grafisch in den Mittelpunkt gerückt werden. Auf die Erfüllung dieser Ziele

beziehen sich die Verhaltenserwartungen an alle in der Triade beteiligten Menschen und Tiere. Lassen

sie uns mit der Tierärztin beginnen. Ich setze im Übrigen im Folgenden immer eine Frau in die Rolle

des Tierarztes ein, so dass wir uns die männlichen Tierärzte mitdenken müssen und einen Mann

entsprechend spiegelt verkehrt in die Rolle des Tierhalters. Ihre Aufgaben, also die Aufgaben und

Tätigkeiten der Tierärztin sind festgeschrieben, insbesondere in der Bundes-Tierärzteordnung,

dem deutschen Tierschutzgesetz, der Berufsordnung der Tierärzte der Länder, der Musterberufsordnung,

der Bundes-Tierärztekammer sowie der Approbationsordnung, die ich in diesem Kreis als bekannt

voraussetzen kann und daher nicht weiter vertiefen werde. Klinische Untersuchungsgänge in der

Klein- und Heimtiermedizin folgen dem an die Tiermedizin angepassten Calvary-Cambridge-Modell,

das die folgenden Schritte vorsieht. Erstens Initiation des Konsultationsgesprächs mit

Erfassung des Besuchsgrundes, zweitens Erhebung der Anamnese, drittens Klinische Untersuchung,

viertens Darstellung und Erklärung von Befundendiagnosen und Behandlungsplänen

unter Einbeziehung der Sicht des Patientenhalters sowie zuletzt Beendigung der Konsultation.

Empirische Tierarztbesucher weisen im Gegensatz zum Calvary-Cambridge-Modell keine lineare

Abfolge dieser Schritte auf, sondern sie zeigen eine iterative Prozessstruktur. Die Erhebung der

Patientengeschichte und die Informationssammlung sind wiederholt durch Untersuchungsepisoden

unterbrochen und sie werden fortgesetzt, abhängig von den Ergebnissen der vorhergehenden Schritte.

Die Auseinandersetzung mit Wertkonflikten kennzeichnet das Handeln von Tierärztinnen,

da sie die Interessen von Tieren und von Menschen vertreten sollen, die jedoch oftmals im Gegensatz

zueinander stehen. Es gilt die Gesundheit der Tierpatienten einerseits gegen die Erwartungen

oder Forderungen der Tierhalter, Kostengrenzen, die Sichtweisen der Tierärzteschaft sowie weitere

Interessen der Gesellschaft als Ganzes und andererseits gegen die wirtschaftlichen

Interessen einer Privatpraxis abzuwägen. Tierhalter und Tierärztinnen können das Klein- und Heimtier

jeweils als vorwiegend ökonomisches Gut oder als Mitgeschöpf betrachten. Wenn der Standpunkt

der jeweils anderen Seite nicht bekannt ist, stellt dies eine Quelle von gegenseitigem Misstrauen dar.

Das belastet nicht nur die grundsätzliche Beziehung zwischen Tierhalter und Tierärztin, sondern auch

die Gespräche über Behandlungskosten, wobei kostenbedingte Hindernisse durch eine vertrauensvolle

Beziehung zum Patientenhalter und durch Zeigen von Empathie von Seiten der Tierärztin überwunden

werden können. Empirische Studien zeigten, dass viele Tierärztinnen ihre Arbeit als unterbewertet

empfanden, was ihr Verhältnis zu den Tierhaltern belastet und dass es einen positiven Einfluss auf

die Beziehung der Tierhalter zur Tierärztin hat, wenn Tierhalter den Eindruck haben, dass eine

Tierärztin ein über den monetären Aspekt hinausgehendes Interesse an ihrem Tier hat.

Das Interesse an und die Zuneigung von Tieren scheint tief in der Psyche vieler Tierärztinnen

verankert und sie schreiben Klein- und Heimtieren eine Persönlichkeit, ein Selbst oder eine Seele zu.

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:46:10 Min

Aufnahmedatum

2025-07-25

Hochgeladen am

2025-08-04 16:06:05

Sprache

de-DE

Dieser Vortrag wurde am 23. Juli 2025 vor der Münchner Tierärztlichen Gesellschaft gehalten. 

In der klinischen Tiermedizin treffen drei Akteure aufeinander – die Tierärzt*in, die Tierhalter*in und die Tierpatient*in (tiermedizinische Triade). Die menschlichen Beziehungen zu den Tierpatienten hängen dabei maßgeblich davon ab, ob wir das Tier als Heimtier, Nutztier, Versuchstier, Zoo- oder Wildtier betrachten oder es im tierbezogenen Sport einsetzen. Wir legen ein Modell der Interaktionen zugrunde, das sechs Beziehungen berücksichtigt, in das Erkenntnisse aus Tiermedizin und Soziologie eingehen: jeder der drei Interaktionspartner steht in Beziehung zu jedem der beiden anderen, woraus sich sechs spezifische Perspektiven ergeben, die alle berücksichtigt werden sollen.

Tags

Tiere Mensch-Tier-Beziehung Soziologie Human Animal-Studies Tiergesundheit Tiermedizin Veterinärmedizin Tiermedizinische Triade Interaktion
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