1 - Die arabischen Revolten 2011/12 und die Zukunft der Gesellschaft [ID:2794]
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wurde bemüht, um den sozialen Hintergrund der arabischen Revolten auszuleuchten.

Walthäufiger finden sich Vergleiche zu den bürgerlichen Revolutionen 1848 und

1849 und zwar gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen, um den Geltungsanspruch

auf Freiheit herauszustellen, zum anderen aber auch, um das Scheitern der arabischen

Revolten auszumalen. Wieder andere verweisen auf die

Bürgerrevolutionen in Mittel- und Osteuropa der Jahre 1989 und 1990,

vornehmlich um den friedlichen Sturz des politischen Regime anzusprechen.

Durchaus beliebt war es auch, den Ereignisketten in der arabischen Welt

eine Mischung aus den Semantiken all dieser Revolutionen zuzuweisen.

Diese Deutungsstrategien haben gemein, die arabischen Revolten durch den

Vergleich mit bekannten Ereignissen der europäischen Geschichte quasi in den

Griff zu bekommen. Bei der Durchsicht der Vielzahl von

entsprechenden Interpretationsangeboten fällt nun eine Deutung auf, die der

ägyptische Journalist und Sympathisant der Muslimbrüder Hasm Hayrat im November

2011 vorgeschlagen hat. In einem englischen Beitrag bezeichnete er die

Revolten als die ersten postsekularen Revolutionen. Damit entkoppelte er die

arabischen Revolten vom 200-jährigen Zeitalter der großen säkularen

Revolutionen, an dessen Anfang die amerikanischen Unabhängigkeitskriege und

an dessen Ende die islamische Revolution in Iran 1979 standen.

Die Zuordnung der islamischen Revolution in Iran 1979 zu den säkularen

Revolutionen mag erstaunen. Andere haben gerade die islamische Revolution in Iran

als die erste postsekulare Revolution interpretiert, wohl deshalb, weil der

Islam als symbolischer Rahmen der Revolution einen deutlichen Unterschied

zu den explizit nicht religiösen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts

markiere. Tatsächlich aber zeigt die islamische Revolution in Iran, dass sie

noch durchaus in das Muster der klassischen Revolutionen eingeordnet

werden kann. Denn wenn die klassischen Revolutionen sich dadurch auszeichneten,

dass sie im Rahmen einer Normen-Utopie ein revolutionäres System begründeten,

welches die Normen durchsetzen und erzwingen sollte, dann fügt sich die

islamische Revolution durchaus in dieses klassische Muster. Denn auch die

islamischen Revolutionäre in Iran haben eine Permanenz der Revolution

postuliert und diese als Ordnung institutionalisiert, deren Legitimität

eine islamische Normen-Utopie gewährleisten sollte.

Eine solche Permanenz revolutionärer Institutionen, deren Legitimität aus

einer Normen-Utopie hergeleitet wird, haben die arabischen Revolten bislang aber

noch nicht hervorgebracht. Die Diagnose des ägyptischen Journalisten

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Reinhard Schulze Prof. Dr. Reinhard Schulze

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:44 Min

Aufnahmedatum

2012-10-04

Hochgeladen am

2013-04-11 13:39:59

Sprache

de-DE

Die arabischen Revolten der Jahre 2011 und 2012 können im Kontext eines grundsätzlichen Wandels beschrieben werden, die durch den Übergang von einer Normenordnung zu einer Werteordnung gekennzeichnet sind. Dieser Übergang stellt zugleich das Konzept Gesellschaft grundsätzlichen Frage, das bislang als normative Ordnung das politische Ideal der Eliten gewesen ist. Die Konstituierung der Gesellschaft im Rahmen einer Werteordnung soll am Beispiel der arabischen Revolten nachgezeichnet werden. Dazu werden drei Bedingungsfaktoren diskutiert, die für diese neue soziale Rahmenordnung von Bedeutung sind. Dazu gehören erstens die Interpretation der Ereignisse in der arabischen Welt als "Revolte der Lebenswelten", zweitens die wachsende Konkurrenz verschiedener Sozialordnungen und ihrer Geltungsansprüche und drittens die Zukunft der politischen Öffentlichkeit und hier insbesondere die Funktion religiöser Bedeutungswelten.

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