Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Leibniz' großer Name bedarf nicht mehr der Verherrlichung.
Philosoph und Theologe, Mathematiker und Physiker, Jurist, Historiker, Sprachforscher, Politiker,
Erfinder und Organisator, überall ebenso reich an kühnen schöpferischen Ideen wie geduldig in
der Sammlung des Materials, hat er die Spuren seines Werkes und vertilgt bei der Geschichte
des menschlichen Geistes ja auch der Gegenwart aufgeprägt. Hätte ich mit diesen Worten meinen
heutigen Vortrag begonnen, sie hätten es mit Recht lächerlich gefunden. Aber es sind ja nicht meine
Worte. Es sind die Worte, mit denen Karl Stumpf das Vorwort zum ersten überhaupt erschienenen Band
von Leibniz' sämtlichen Schriften und Briefen im Jahre 1923 einleitet. Ein Vorwort, das sich im
Nachdruck des Bandes von 1970 nicht mehr findet. Und das nicht nur wegen des uns fremd gewordenen
emphatischen Stils, sondern auch des Inhalts wegen. Denn wir sind uns heute vollkommen bewusst,
dass nicht nur Leibniz' 300. Todestag, sondern auch andere Jubiläen etwas paradoxes an sich haben.
Einerseits wird die gefeierte Persönlichkeit als durch ihre unvergesslichen Leistungen allseits
bekannt unterstellt. Andererseits weiß in Wahrheit niemand über Personenwerk auch nur
annähernd Bescheid. Und in unserem Falle ist es trotz Leibniz' Jahr, Leibniz' Preis, Leibniz'
Universität und anderem keineswegs anders. So werde ich unseren Jubilar mit einem Überblick
über seine Lebensdaten und die zugehörigen Ereignisse erst einmal vorstellen, ehe ich Ihnen
einiges auch sachlich Erinnerns wert, als meine persönliche, vielleicht etwas eigenwillige
Perspektive aus dem 21. Jahrhundert anbiete. Gottfried Wilhelm Leibniz ist 1646 in Leipzig
geboren. Bereits 1652 stirbt sein Vater von Beruf Aktuar, also Jurist, und zuletzt Professor
an der Universität. An dieser studiert der Sohn seit 1661, erwirbt den Grad des Bacchalaureos
1663 und den Magister 1664. Es ist das Jahr, in dem er auch seine Mutter verliert. Das Sommersemester
1664 verbringt er in Jena, wo er bei Erhard Weigel studiert, einem extravaganten Lehrer,
der ihn aber sowohl für andere Zahlensysteme als das Dekadische, als auch für den Gedanken
einer Universalsprache sensibilisiert. Mit einem Teil seiner Abhandlung, De arte combinatoria,
erlangt Leibniz 1666 in Leipzig die Lehrberechtigung pro loco, das heißt für die dortige Fakultät,
in der er ist. Seine Bewerbung um eine Assessorenstelle an der juristischen Fakultät wird allerdings
abgelehnt. Offiziell wegen seines zu jungen Alters, dies aber wohl relativ zu dem einer
beachtlichen Zahl anderer und älterer Bewerber. Enttäuscht wechselt er an die Universität
Altdorf, wo er 1666 zum Lizentiaten des Rechts und 1667 mit einer als brillant bewerteten
Dissertation zum Doktor Juris Utriusque promoviert wird, das heißt zum Doktor beider Rechte,
also des weltlichen und des kanonischen kirchlichen Rechtes. Leibniz verzichtet auf die ihm angebotene
Professur in Altdorf und geht zunächst nach Nürnberg. Damals ein von Regen geistigen
Leben erfüllt der Knotenpunkt auf der Route zwischen der Königstadt Paris und der Kaiserstadt
Wien. Hier lernt er Johann Christian von Beuneburg kennen, einen Vertrauten des Kurfürsten
von Mainz, Johann Philipp von Schönborn. Beuneburg nimmt Leibniz als juristischen und politischen
Berater in seine Dienste und Leibniz zieht im Frühjahr 1667 nach Frankfurt. Gerhard
Stammler vermutet wohl zurecht, dass ihn die Aussicht reizt, künftig als gelehrter Staatsmann
im öffentlichen Leben eine Rolle zu spielen. Der Mainzer Kurfürst beauftragt ihn mit einer
Reform des Korpus Juris, Beuneburg mit der Katalogisierung seiner umfangreichen Bibliothek
und diversen Gutachten. Hohe Anerkennung bei deutschen Rechts- und Staatswissenschaftlern
erfährt eine anonym publizierte Schrift, mit der Leibniz die Nachfolge des 1668 zurückgetretenen
preunischen Königs Casimir beeinflussen will. Ohne Erfolg übrigens. Die Politik folgte
schon damals lieber pragmatischen als argumentativen Erwägungen. Erfolglos blieb auch Leibniz
1672 unternommene Reise nach Paris, um Ludwig XIV. vom Vordringen ins Rheinland und in die
Niederlande abzubringen durch Schilderung der Vorteile, die ihm stattdessen die Besetzung
von Malta und von Ägypten bringen wurden. Die juristischen Ausarbeitungen und diplomatischen
Aufträge hindern Leibniz an der Vertiefung der wissenschaftlichen Studien, zu denen er
sich zunehmend hingezogen fühlt, durch den Gedankenaustausch mit führenden französischen
Gelehrten und vor allem mit Christian Huygens, den er zeitlebens seinen Lehrer nennen wird.
Presenters
Prof. Dr. Christian Thiel
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:44:21 Min
Aufnahmedatum
2016-04-14
Hochgeladen am
2016-04-27 16:04:19
Sprache
de-DE
Auch in Leibnizens erstem Jubiläumsjahr in unserem Jahrhundert ist der große Philosoph und Universalgelehrte weniger präsent als die geläufige Rede von möglichen Welten, prästabilierter Harmonie und einem Leibnizprogramm erwarten lässt. Aus der Fülle seiner Leistungen und ihrer Nachwirkung in der Gegenwart sollen einfache Beispiele zu Leibnizens Klärung des Unendlichkeitsbegriffs und der Idee einer „Mathesis universalis“ vor Augen geführt werden. Die Kreativität bei der Entwicklung von Kalkülen und im Umgang mit ihnen erweist sich dabei als ein bleibendes Moment.“