Das Bühnenhaus des 5. Jahrhunderts, Sie sehen ein Modell des Deutschen Theatermuseums in München,
ist ein schlichtes Kastenzelt mit begehbarem Dach, die Skenä, an deren Vorderfront eine,
zwei oder drei Türen vorgesehen werden konnten. Vor der Skenä lag der rechteckige Spielplatz,
der von beiden Seiten durch die sogenannten Parodoi zugänglich war. Eine Rollplattform
erlaubte es, Innenszenen nach außen zu holen. Der Bühnenkran ermöglichte Schauspielern in
Flugscenen aufzutreten. Bühnenmalerei zur Dekoration der Vorderwand, hier ist alles kahl,
Bühnenmalerei sollen Ayschelos und Zofogles eingeführt haben. Wechselnde Dekorationen freilich,
die den durch die Texte geforderten Bühnenbildern eines jeden einzelnen Stücks entsprechen,
lassen sich schwer mit der Tatsache verbinden, dass an den Festspielen, zu Ehren des Dionysos,
den großen Dionysien, an drei Tagen jeweils drei Draködien und ein Satyrspiel und seit 486 v.
Chr. an einem Tag fünf Komödien nacheinander aufgeführt wurden. Im Übrigen ließ das Bühnenhaus
des fünften Jahrhunderts, gerade durch seinen Mangel an architektonischer Durchbildung der Fantasie
des Zuschauers, jeden Spielraum und dies ist sein Vorzug. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts erhielt
Athen ein prächtiges Marmorteater. Von Säulen gesäumte Flügelbauten, die Paraskanien, an beiden
Seiten einer Säulenhalle schließen einen rechteckigen Spielplatz ein, an den sich der Kreis der
Orchestra anschließt. Für den Bautypus der Risalitstoa, wie er hier vorliegt, kann man
die Stoa Basileios auf der Agora oder die Zeus Stoa zitieren. Es versteht sich, dass ein
architektonisches Monument wie das Lykurgische Marmorteater den Spielraum sowohl für die Fantasie
der Zuschauer wie auch alle Möglichkeiten für wechselnde Dekoration des Spielplatzes noch
weiter einschränkt. Auch die hellenistische Bühnenmalerei, über die wir besser unterrichtet
sind, beschränkte sich auf typische Elemente für Tragödie, Saturspiel und Komödie, Elemente wie
Tempelfront, Palast, Höhle, Bürgerhaus. Die Beschreibungen des jeweiligen Spielorts durch
Wortregie waren somit in der Regel gar nicht in ein illusionistisches Bühnenbild umsetzbar.
Außerdem greifen die durch die Texte evozierten Theaterlandschaften meist über den eigentlichen
Spielort hinaus und können schon deshalb nicht das Ziel haben, die topografische Realität des
jeweiligen Spielorts getreu abzubilden. All dies möchte ich nun an ausgewählten Beispielen zeigen.
Erstens Aeschylus Oresti. In Ilias und Odyssee ist der Herrschaftssitz der Atriden das breit
strassige, goldreiche Mykene und Argos ist der Sitz des Diomedes. Aeschylus aber nennt in der
Oresti Mykene niemals mehr und macht Argos, den Sitz des Diomedes, zum Schauplatz und zum
Wohnort des Agamemnon und zum Schauplatz der Coeforen. Und in dem dritten Stück der Trilogie,
den Oemeniden, bietet sich Orestes als Garant eines Bündnisses von Athen und Argos an. Ein
solches Bündnis kam tatsächlich gegen 462 zustande und wird, wie wir sehen, 458 durch
Aeschylus nachträglich im Mythos fundiert. Mykene jedoch, die alte Rivalin von Argos,
war in den 70er Jahren von Argos hereingenommen und gründlich zerstört worden, schon deshalb als
Spielplatz deplatziert. Sie sehen hier auf der Karte in dem oberen roten Kreis Mykene unten Argos
und rechts einen Berg Arachnion, von dem gleich die Rede sein wird. Die poetische Topographie des
Agamemnon und der Coeforen trägt dieser politischen Situation Rechnung. Wiederholt werden Argos
bzw. seine Einwohner erwähnt. Andererseits wird der Atridenpalast lediglich als solcher benannt
und kaum beschrieben. Dafür wird der Palast als Menschenschlachthaus untrennbar mit den
Gräuelen der Atriden verbunden, so vor allem in der Vision der Cassandra vor dem Chor. Außerdem
wird der Atridenpalast durch zwei Details topografisch in Argos verankert. Die Feuerpost,
die den Fall von Troja meldet, 281 folgende, kommt auf den Berg Arachnion an, rechts im Kreis,
dessen 1199 Meter hoher Gipfel genau östlich von Argos liegt, von dort gut einsehbar ist und
deshalb in dem Stück als der Stadt benachbarte Warte bezeichnet wird. Und nach dem ersten Chorlied
sieht Glithai Mestra einen Herold vom Meeresstrand herankommen. Das zweite Stück der Trilogie,
die Coeforen, behält den Spielplatz Argos bei. Zu Beginn befindet sich Orestes vor dem Agamemnon-Grab,
das sogleich benannt wird. Er bringt dem heimatlichen Fluss Inahos am oberen Rande des unteren Kreises
und danach dem toten Agamemnon ein Haaropfer dar. Mit der Nennung des Flusses Inahos ist für jeden
Griechen klargestellt, dass auch die Coeforen bei Argos spielen. Der Wechsel des Spielortes vom
Grab zum Palasteingang wird deutlich bezeichnet. Orestes klopft an das Hoftor und am Ende wird
Presenters
Prof. Dr. Egert Pöhlmann
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:27:30 Min
Aufnahmedatum
2001-07-05
Hochgeladen am
2018-05-04 15:10:56
Sprache
de-DE