Vielen Dank für die Einleitung, vielen Dank für das Interesse, ich weiß, es ist früh,
ich hoffe, ich habe für jeden ein bisschen was dabei.
Ich sage gleich dazu, das ist ein bisschen ein unbequemer Vortrag, das ist jetzt kein
Vortrag, der voll mit Lösungen ist, sondern ich versuche auch hier einen Problemraum aufzumachen
und eine Diskussion anzustoßen, was die nächsten Schritte sind.
Als Einstieg fange ich mal an mit einer kleinen Bestandsaufnahme, was ich so als Datenschutz-UX
überschreibe, also das Erlebnis des Benutzers, der sich heute im Web bewegt und wie er mit
diesen Datenschutz-Sachen konfrontiert wird. Das zunächst mal, wenn man mit Benutzern spricht,
das Gefühl des Ausgeliefertsein. Dima Jarowinski, Designer aus Israel, hat ein Kunstwerk oder
ein Ausstellungsstück erstellt dieses Jahr, das auf mehreren Ausstellungen schon war, zur
Informationsvisualisierung, in dem er vorführt, also er hat ausgedruckt einfach die Terms and
Conditions. Das sind jetzt nicht nur die Datenschutzerklärungen, sondern quasi das
komplette Vertragswerk, was man da so abhakt. Das ist, wenn ich mich richtig erinnere, Instagram
ist das besonders lange da auf der Seite, um das immer in die Relation zu stellen, wie der Mensch
eigentlich vollkommen überfordert ist mit diesen Texten. Dazu gibt es auch wissenschaftliche
Untersuchungen. Zwei Forscher von der Carnegie Mellon University haben vor kurzem ein Paper
veröffentlicht, in dem sie mal ganz banal die Kosten berechnet haben. Also die haben mal geschaut,
die durchschnittliche Datenschutzerklärung. Ich glaube, es waren 75 Webseiten, die 75 beliebtesten
Webseiten in Nordamerika. Durchschnitt sind so 2500 Wörter. Durchschnittliche Lesegeschwindigkeit
nimmt man an 250 pro Minute. Landen wir also bei einer durchschnittlichen Datenschutzerklärung
schon mal bei zehn Minuten. Die Extremfälle liegen bei 8000 Wörtern. Das sind dann, wenn man das
umrechnet, 32 Minuten. Hat natürlich keiner so viel Zeit, denn wenn man das mal umlegt,
sagen wir mal acht Stunden am Tag, bedeutet, dass das jeder von uns, von jedem von uns erwartet
wird, dass wir einen Monat pro Jahr nur damit zubringen, Datenschutzerklärungen von Webseiten
durchzulesen. Das ist also die Erwartungshaltung, wenn wir versuchen, die Datenschutzsache so zu
regeln, indem wir einfach lange Texte schreiben, in denen das alles erklärt wird. BBC hat eine
ähnliche Studie gemacht. 15 beliebteste Webseiten in Großbritannien. Die haben sich aber auf das
Sprachniveau konzentriert und sind also draufgekommen, dass sämtliche Datenschutzerklärungen,
die sie angeguckt haben, um sie nicht nur lesen, sondern verstehen zu können, eigentlich einen
Universitätsabschluss bedürfen. Ansonsten der Durchschnittsbenutzer hat keine Chance,
die wirklich zu verstehen. Man kann das freilich auch mit weniger Text lösen. Bei der Lösung hier
ist, ich weiß nicht, ich habe es nicht gezählt, zehn Wörter, ist aber natürlich eine ziemlich
fragwürdige User Experience. Während diese Totalschließung von kleinen Webseiten ist primär
wohl eher ein deutsches Phänomen, zumindest nach meiner Beobachtung ist das vor allem wohl
diesen Abmahnbefürchtungen hier in Deutschland geschuldet, aber global haben selbst große Player
diese Strategie gewählt. Joseph Conner betreibt so ein automatisiertes Skript, auf dem er regelmäßig
analysiert, welche Webseiten im Moment EU-Nutzer ausschließen. Es sind derzeit 1100 Seiten auf
dieser Liste, die er da hat. Er dokumentiert das auch ganz, ganz interessant und ich nehme an,
das hat jeder auch schon mal erlebt, dass man irgendwie einen Link bekommt zu einem interessanten
Artikel, möchte ihn aufmachen, dann heißt es nur, tut uns leid, EU machen wir nicht, weil das ist
uns zu kompliziert oder kollidiert halt mit unserem Geschäftsmodell der kommerziellen
Totalüberwachung. Interessante Nebenbemerkung, ich habe in der Vorbereitung dabei was Neues
gelernt, es gibt seit gut zwei Jahren einen HTTP Error Code 451, unavailable for legal reasons,
das ist also der HTTP Code, den der Server zurückschicken sollte, ist quasi in 403
verbinden, aber mit der Begründung, es wäre illegal, dir diese Seite auszuliefern, wobei
das ursprünglich eingeführt wurde eigentlich wegen Copyright Notices und so weiter, also es ist ein
bisschen, ist natürlich eine katastrophale User Experience. Vor allem aber sind diese
Datenschutzgeschichten im Moment das hier, wenn man permanent mit irgendwelchen Banner bombardiert,
das hier ist jetzt noch ein Beispiel auf der guten Seite, wo man zumindest dem User direkt
50 50 und ohne irgendwelche farblichen Hervorhebung oder so die Möglichkeit gibt, ja oder nein zu sagen,
Presenters
Sebastian Greger
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:45:26 Min
Aufnahmedatum
2018-09-13
Hochgeladen am
2018-09-13 11:31:34
Sprache
de-DE
Mit dem Anwendungsbeginn der DSGVO genießt Datenschutz im Jahr 2018 ganz besondere Aufmerksamkeit. Kein Webworker konnte den Panikwochen im Mai entkommen, fast jede Webseite hat datenschutzbezogene Aktualisierungen erfahren. Hierbei ist, im allgemeinen Bestreben maximale Rechtssicherheit zu erreichen, bisweilen die Benutzerfreundlichkeit auf der Strecke geblieben, mindestens aber sind ganz neue designerische Fragen aufgetaucht: Einwilligungen, Transparenzanforderungen und mehr.
Datenschutz hat eine starke UX-Komponente, gepaart mit klassischen Usability-Fragen: Werden Datenschutz-Interaktionen nur als störendes Beiwerk wahrgenommen? Wie erleben Nutzer den Umgang mit ihren Daten? Kommuniziert das Design einer Website Vertrauen? Erfahren Nutzer einen Kontrollverlust oder sind gar hoffnungslos überfordert? Welche (möglicherweise rein juristisch begründeten) Entscheidungen werden von ihnen verlangt? Wie können sie ihre Rechte ausüben?
Dies alles sind aktuelle und langfristig relevante Herausforderungen für die Gestalter des Web. Wenn Datenschutz als Teil der User-Experience verstanden wird, sind Fragen nach dem Umgang mit Nutzerdaten nicht mehr rein technischer oder juristischer Natur, sondern werden essenzieller Bestandteil des Designprozesses.
Der Vortrag erörtert die Grundkonzepte von Datenschutz-UX und arbeitet anhand konkreter Beispiele heraus, wie auf konzeptueller, technischer und designerischer Ebene auf neue Anforderungen, vor allem aber auch auf die Erwartungen immer datenschutzbewussterer Nutzer reagiert werden kann. Spannende Berührungspunkte ergeben sich hierbei auch mit der relativ jungen Disziplin des Legal Design.