2 - Anschlag auf den Geltungsanspruch der Menschenrechte? [ID:5567]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Prof. Heiner Bienefeld hat seit 6 Jahren den Interdisziplinären Lehrstuhl für Menschenrechte und

Menschenrechtspolitik an der FA-U inne. Seit 5 Jahren fungiert er außerdem ehrenamtlich als UN-Sonderberichterstatter

Thema Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Herr Professor Bielefeld, bitte.

Es geht schon gut mit einer sportlichen Leistung los.

Sie sind, bitte? Es gab ja Vorbilder. Ja, allerdings. Sie sind weltweiter UN-Sonderberichterstatter

für Religionsfreiheit und gleichzeitig auch Wissenschaftler. Wie gehen denn diese beiden

Aufgaben zusammen? Keine Ahnung. Das ist die wahre Antwort. Ich stelle mir so vor, dass

so ähnlich muss es Leuten gehen, die plötzlich erfahren, sie kriegen Drillinge. Und es geht

nicht. Und die einzige Möglichkeit, dass es doch geht, ist, was man weiß, man hat gar

keine Chance. Irgendwie klappt es dann. Ihr Festvortrag heute lautet, die UN-Debatte über

traditionelle Werte. Anschlag auf den Geltungsanspruch der Menschenrechte mit einem Fragezeichen

dahinter. Okay. Bitte sehr.

Ja, ab und zu gibt es richtige Grundsatzdebatten auch in den Gremien der UNO. Und solch eine

Grundsatzdebatte fand statt im September 2012, als eine Resolution im Menschenrechtsrat

auf den Tisch kam mit dem Titel Promoting Human Rights and Fundamental Freedoms through

a Better Understanding of Traditional Values of Humankind. Ich sage es nochmal auf Deutsch.

Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch ein besseres Verständnis von traditionellen

Werten der Menschheit. Ein sehr, sehr weites Thema von sehr prinzipieller Bedeutung, in

dem man sich verlieren kann. Die Beratung über diese Resolution war keine Sternstunde

des Menschenrechtsrats, sondern man erlebte eher verwirrende Debatten. Verwirrende Debatten,

die dann mündeten in ein gespaltenes Votum. Eine knappe Mehrheit kam zustande für diese

Resolution zu Traditional Values, knappe Mehrheit dafür, eine starke Minderheit dagegen, zum

Teil erbittert dagegen, darunter auch die EU-Staaten. Die EU-Staaten waren geschlossen

dagegen. Ähnliche Debatten fanden gleichzeitig statt auf der Ebene der Zivilgesellschaft.

Die UNO ist ja nicht nur ein Club der Staaten, sondern sie ist genauso der Ort der Zivilgesellschaft.

Und hier bei diesem Thema eine ähnliche scharfe Polarisierung. Das mag liegen an der Schwierigkeit

des Themas, ein ungewohntes Thema für die UNO, aber sicher ist es noch verschärft worden,

auch durch einen ganz und gar unklar gehaltenen Resolutionstext. Der Zentralbegriff Traditional

Values, traditionelle Werte, blieb in diesem Resolutionstext völlig undefiniert, völlig

verschwommen. Keine Definition, sodass man sich hier alles Mögliche und alles Unmögliche

vorstellen konnte. Dies erweckte Misstrauen. Nun war die Herkunft des Resolutionstextes

nicht unbedingt geeignet, Vertrauen zu erwecken, denn die treibende Kraft war und ist bei dieser

Debatte Russland. Russland, also ein Staat mit zunehmend autoritären Tendenzen, ein

Staat, der Druck ausübt auf kritische Journalisten, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen

systematisch als ausländische Agenten diskreditiert werden, in dem Versammlungsfreiheit immer

mehr stranguliert ist, ein Staat, der auch eine aggressive Rhetorik fährt gegen sexuelle

Minderheiten, das ist bekannt, aber übrigens auch gegen religiöse Minderheiten, das ist

weniger bekannt. Die Zeugen Jehovas werden regelrecht an die Wand gespielt im Moment.

Und jetzt liegt der Verdacht nahe, dass über diesen undefinierten, völlig verschwiegelten

Begriff von Traditional Values Grauzonen eröffnet werden sollen. Grauzonen für staatliche

Ermessen. Das heißt, anders gesagt, dass darum gehen könnte, inmitten der Menschenrechtsdebatte

Relativismus zu implantieren. Und zwar ausgerechnet im Herzgremium der internationalen Menschenrechtspolitik

im Human Rights Council in Genf. Wenn man den Text liest, merkt man außerdem, abgesehen

davon, dass er verschwiemelt ist, zwischen den Zeilen einen doppelten Vorwurf, nämlich

einmal den Vorwurf, Menschenrechte seien traditionslos. Deshalb brauchen sie eine neue Erdung. Menschenrechte

traditionslos, ein Konstrukt liberaler Eliten, Ausdruck moderner Aufklärung, etwas höchst

künstliches, etwas höchst abstraktes, fern von der Bevölkerung und ihren lebensweltlichen

ethischen Traditionen. Menschenrechte, vielleicht sogar ein Element der Zerstörung. Und der

zweite Vorwurf, Menschenrechte eigentlich ohne Wertgrundlage, Ausdruck eines positivistischen

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:21:55 Min

Aufnahmedatum

2015-11-04

Hochgeladen am

2015-11-04 20:20:54

Sprache

de-DE

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