2 - Gleichwertige Lebensverhältnisse: Gerechtigkeit regionaler Umverteilung [ID:8668]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Professor Dr. Matthias Vrede ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Sozialpolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

In seinem Vortrag erläutert er, inwieweit regionale Umverteilungsmaßnahmen gerechtfertigt sind und welchen Einfluss sie auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung haben.

Gleichwertigkeit regionaler Lebensverhältnisse, Gerechtigkeit regionaler Umverteilung muss man sich heute damit noch beschäftigen als Gesellschaft, als Wissenschaft.

2005 hat Thomas Friedman ein Buch geschrieben, The World is Flat. Er hat darauf verwiesen, dass die Transportkosten gesunken sind, dass es weltweiten Handel gibt, dass Grenzen gefallen sind.

Raum schien zu jener Zeit unwichtig geworden zu sein.

Man hat sich dann die Mühe gemacht, diese These intensiv zu analysieren und zu diskutieren.

Und es hat sich sehr schnell gezeigt, dass das doch etwas vorschnell war. Auch im weltweiten Maßstab spielt Raum noch eine Rolle.

Transportkosten, Entfernungen sind immer noch wichtig.

Auch im nationalen oder lokalen Maßstab hat sich viel geändert. Es gibt Onlinehandel.

Raum ist unwichtiger geworden, aber immer noch bedeutsam. Und das hat sehr gut zum Ausdruck gebracht Edward Glazer mit seinem Buch Triumph of the City.

Er hat die Hypothese dort formuliert, dass uns die Städte wohlhabender machen, aber auch glücklicher und gesünder.

Wieso diese These so formuliert wird, dem möchte ich gleich ein bisschen nachgehen.

Ich möchte mich nämlich mit der Frage auseinandersetzen, welche Rolle spielen Entfernungen eigentlich für das Wirtschaftsleben, für die täglichen Lebensbedingungen der Menschen.

Ich habe Ihnen dazu zunächst einmal eine Karte mitgebracht der deutschen Kreise, Landkreise und kreisfreien Städte, und zwar die Erreichbarkeit von Fernbahnhöfen.

Im Jahre 2014 in Minuten per PKW, das ist die linke Seite, und Sie sehen, dass es hier eine erhebliche Variation gibt.

Die dunkel eingefärbten Gebiete, das sind die, in denen die Entfernung groß ist. Die hellen, das sind die, in denen man unmittelbar am Bahnhof sich befindet.

Sie stellen fest, im äußersten Osten, im äußersten Westen, aber auch in einigen Teilen mitten in Deutschland, ist die Entfernung groß.

Menschen brauchen also Zeit, um in die Zentren zu kommen, um in die Welt zu kommen. Die Waren und die Menschen brauchen Zeit, um zu ihnen zu kommen.

Die Lage spielt für das tägliche Leben, für die Gestaltung des Lebens eine große Rolle.

Das merkt man auch, wenn man an die Gestaltung seiner Arbeitszeit oder seiner Arbeitsverhältnisse denkt.

Dafür habe ich Ihnen als Beispiel die Karte der Auspendlerquoten mitgebracht aus dem Jahre 2014.

Die sind die Auspendler in den Kreisen als Anteil an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.

Da sehen Sie auch, dass das variiert über die Regionen hinweg. Sie sehen, um die Städte, die weißen Punkte, gibt es einen Gürtel dunkel eingetragener Flächen, in denen eben die Auspendlerquoten hoch sind.

Und nicht erstaunlich und aus vielen Alltagserkenntnissen auch bereits bekannt, um die großen Zentren wie München etwa finden Sie einen großen Gürtel dunkler Gebiete,

aus denen heraus also stark in die Zentren gependelt wird.

Sie sehen aber, es gibt auch Gebiete ganz im Nordosten, aber auch in der Mitte Deutschlands sehr hell, sehr wenig Pendler. Warum?

Weil es dort eben wenig Zentren in unmittelbarer Nähe gibt, bzw. weil die Bevölkerung so zusammengesetzt ist, dass sie eben nicht in die Zentren pendelt.

Also Raum spielt eine Rolle. Die räumlichen Verhältnisse sind nicht überall gleich und über diese Beziehung zwischen Raum, Geografie und Ökonomie möchte ich am Anfang sprechen.

Dazu noch einmal zwei Karten. Eine Karte zur wirtschaftlichen Leistung, das Bruttoinlandsprodukt hier pro Erwerbstätigen.

Auch da sehen Sie, das variiert. Es ist hoch in den Städten, es ist niedrig vor allen Dingen im Osten Deutschlands.

Die Arbeitslosenquote variiert in Deutschland. Hier glaubt man die alte Grenze zwischen DDR und BRD noch erkennen zu können.

Der Osten Deutschlands ist deutlich dunkler eingefärbt als der Westen, das heißt die Arbeitslosenquote ist höher, sie ist viel höher.

Sie sehen aber auch im Westen, im Ruhrgebiet und in einzelnen Städten ist die Arbeitslosenquote sehr hoch.

Im Süden hingegen weitgehend niedrig, selbst in den Städten deutlich geringer als im Westen. Wie kann das sein?

Ökonomen fragen sich, wie ist es möglich, dass es diese Unterschiede gibt, obwohl die Menschen die Möglichkeit haben, ihren Wohnort zu wechseln, obwohl Unternehmen ihre Standorte wechseln können.

Sie erklären sich die räumlichen Verhältnisse als ein Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte.

Der zentripetalen Kräfte, die zum Zentrum hinwirken und der zentrifugalen Kräfte, die vom Zentrum wegwirken.

Was sind das für Kräfte? Schon vor gut 200 Jahren hat der sehr bedeutende deutsche Nationalökonom Johann Heinrich von Tünen in seinem wirklich epochalen Hauptwerk

der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie oder Untersuchungen über den Einfluss,

den die Getreidepreise, der Reichtum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, viele dieser Kräfte benannt.

Es sind günstige, natürliche Bedingungen, die zum Zentrum hinführen. Gutes Klima, ein Hafen, eine Fuhrt, wir sehen es ja an den Städtenamen.

Größenvorteile kann man nur da realisieren, wo viele Menschen sind. Infrastruktur ist dort verfügbar, mehr verfügbar, wo viele Menschen sind.

Es lohnt sich dort eher, sie wird dort intensiver genutzt. Öffentliche Güter, zum Beispiel auch Theaterveranstaltungen, werden dort verstärkt angeboten.

In den Zentren ist man näher bei den Märkten, bei den Absatzmärkten, bei den Zulieferern und die Menschen sind näher an ihren Arbeitsplätzen.

Entsprechend sind die Transportkosten niedriger, sind die Pendelkosten niedriger. Man kann sich austauschen.

Man tauscht sich aus, nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in der Freizeit. Wissen wird ausgetauscht, man lernt voneinander.

Das geht dort, wo viele Menschen, die in der gleichen oder in unterschiedlichen Branchen arbeiten, beisammen sind.

Die Arbeitsmärkte sind viel größer. Das bedeutet, die Matching-Qualität ist besser.

Ein Arbeitnehmer findet leichter einen passenden Arbeitgeber, der Arbeitgeber schneller einen Arbeitnehmer, der auf die Stelle passt.

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Matthias Wrede Prof. Dr. Matthias Wrede

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:40:35 Min

Aufnahmedatum

2017-05-11

Hochgeladen am

2018-02-05 08:58:20

Sprache

de-DE

Ist die erhebliche staatliche Umverteilung zwischen Regionen (u.a. Stadt und Land, Ost und West) gerecht(fertigt)? Inwieweit werden Ausmaß und Struktur der regionalen Umverteilung in der Bevölkerung als gerecht wahrgenommen? In dem Vortrag von Prof. Dr. Matthias Wrede werden dazu jüngste Forschungsergebnisse vorgestellt.

Tags

Gleichgewicht Geographie Gerechtigkeit Lebensbedingungen Arbeitsbedingungen Raumordnung ROG Regionalpolitik Strukturpolitik Finanzausgleich Ökonomie Kräfte Verteilung Soziale Regionale Umverteilung Räumliches zentripedale zentrifugale
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