Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen Nürnberg präsentiert.
Ja, guten Abend meine Damen und Herren. Meinen heutigen Vortrag in der Reihe
Wissenschaft im Schloss beschäftigt sich mit dem Neandertaler und Sandverhältnis
zu uns, dem sogenannten modernen Menschen. Wir kommen zum anderen跟你, der
klassischen Taxonomie handelte es sich lange Zeit um zwei unterschiedliche Arten der Gattung Homo,
nämlich Homo sapiens, das sind in Anführungsstrichen wir, und Homo neanderthalensis.
Ich werde in einem späteren Abschnitt meines Vortrages erläutern, seit wann und warum diese
Klassifikation heute nicht mehr gültig ist. Für den Augenblick möchte ich die Tatsache,
dass bis in die jüngste Vergangenheit die Unterschiede zwischen diesen beiden
Menschenformen als definierend für die Erwähnung einer Artgrenze angesehen wurden,
zum Anlass nehmen, um eine zentrale Frage in der Erforschung der älteren Menschheitsgeschichte
mit ihnen zusammen kurz anzureißen. Es geht, meine Damen und Herren, zunächst einmal um nichts
anderes und nichts geringeres als die sogenannte Konstanz der menschlichen Natur. Sie gilt als das
Paradigma in allen Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften. Grundsätzlich,
so die Annahme, sind sämtliche Unterschiede, die im Verhalten der jetzt Menschen beobachtet
werden können, ausschließlich auf soziale und kulturelle Prägungen zurückzuführen. Die physische
Anpassung an unterschiedliche Umwelten spielt dagegen keine wesentliche Rolle, auch wenn sie
das Aussehen der Menschen geprägt hat und im Rahmen der Epigenetik Einfluss auf das jeweilige
aktuelle und auch individuelle Erbgut hat. Die kulturelle und ökologische Plastizität der
Individuen heute ist vollkommen. Eine erfolgreiche gesellschaftliche Integration vorausgesetzt kann
jeder von uns überall ohne körperliche und emotionale Einschränkungen nicht nur überleben,
sondern sich selber verwirklichen und, wenn sie so wollen, glücklich werden. Die identische
kognitive und emotionale Grundausstattung der heutigen Menschen ermöglicht zugleich uns als
Wissenschaftler ein empathisches Hineinfühlen in fremde soziale Akteure. Der große deutsche
Soziologe Max Weber hat dies einmal als verstehendes Erklären sozialer Phänomene genannt, das
Hineinfühlen in den anderen. Es gibt einen breiten Konsens, dass ein verstehendes Erklären für alle
heute existierenden Ethnien möglich ist und dass dies auch für alle historisch überlieberten
Gesellschaften gilt, also diejenigen der klassischen Antike, die Untersuchungsgegenstand
der alten Geschichte etwa sind. Aber die uns hier interessierende Frage ist, wie weit geht
eigentlich dieser Ansatz zurück? Wie weit können wir diese Konstanz der menschlichen Natur zurück
verfolgen? Und die Frage ist vielleicht am Anfang banal, aber bereits für den frühen modernen
Menschen haben einige Paläontologen und Prähistoriker genau an dieser Stelle ihre Zweifel. Grund hierfür
ist die Beobachtung, dass die frühesten Homo sapienskelette, die vor etwa 200.000 Jahren in
Afrika auftauchen, mit genau denselben Werkzeugen vergesellschaftet waren wie die älteren, wir
sprechen oft von archaischen Menschen. Hieraus wird abgeleitet, dass es eine Evolution des Gehirns oder
genauer seiner neuronalen Struktur bedurfte, um neben einer modernen Anatomie auch eine moderne
Denkweise zu entwickeln. Der Zeitpunkt an dem dies geschehen sein soll, wird diesmal anhand von
archäologischen Funden, unter anderem aus der Blombos Cave im südlichen Afrika mit etwa 80.000
Jahren vor heute angesetzt. Ältere Homo sapiens können dieser Forschungsströmung zufolge lediglich
für sich beanspruchen anatomisch modern zu sein. Ob moderne Menschen, die im gegenwärtsbezogenen
Sinne, wie wir gedacht und gefühlt haben, aber tatsächlich erst vor 80.000 Jahren auftauchten
und davor lediglich anatomisch, das heißt körperlich modern waren, ist umstritten. Weitaus
häufiger findet man Standpunkte, bei denen die Konstanz der menschlichen Natur in weiter
zurückliegende Zeiträume zurückverfolgt wird und diese Konstanz der menschlichen Natur auch
für ältere Menschenformen als den Homo sapiens postuliert wird. Um dieses anfängliche Problem
einzukreisen, ist es vielleicht zielführend, das Pferd quasi von hinten oder von der anderen
Seite aufzuzäumen, nämlich dem unteren zeitlichen Ende der Menschwerbung. Im Rahmen meines Vortrages
hier ist das nur im Zeitraffer möglich, ganz stark vereinfacht. Zunächst kann man feststellen,
dass nach der evolutionsbiologisch vielleicht wichtigsten Weichenstellung durch die
Herausbildung des aufrechten Ganges, das ist am Rande des afrikanischen Regenwaldes vor etwa
Presenters
Prof. Dr. Thorsten Uthmeier
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:04:08 Min
Aufnahmedatum
2017-01-16
Hochgeladen am
2017-02-17 11:11:53
Sprache
de-DE
In der Art und Weise, wie Neandertaler wahrgenommen werden, spiegeln sich die Werte einer Gesellschaft wider. Für Darwin waren sie zunächst das fehlende Bindeglied zwischen Affe und Mensch. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden dem Neandertaler immer weniger tierische und mehr menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Heute steht außer Frage, dass Neandertaler als erfolgreiche Großwildjäger an der Spitze der Nahrungskette standen und sich dank kultureller Errungenschaften durchsetzen konnten.
Prof. Dr. Thorsten Uthmeier geht in seinem Vortrag der Frage nach, ob Neandertaler auch in anderen Bereichen ihrer Kultur dem modernen Menschen ebenbürtig waren oder nicht – zum Beispiel bei Bestattungen, der Schmuckherstellung, sozialer Fürsorge oder hinsichtlich Gewalt und Kannibalismus. Die Diskussion darum ist groß, obwohl der Mensch nachweislich bis heute Neandertaler-Gene in sich trägt.