Herzlichen Dank für die Einführung und einen schönen guten Abend.
Über das Verhältnis der Geschlechter aus der Sicht der Kunstgeschichte zu sprechen,
heißt im wahrsten Sinne des Wortes bei Adam und Eva anfangen.
Ist der Mensch zunächst als ein einziges geschaffen, wird aus ihm heraus ein zweiter kreiert.
Der Sündenfall führte zur Aufspaltung der einen Gattung Mensch in die zwei getrennten Geschlechter.
So jedenfalls formulierte es ein Autor des 12. Jahrhunderts.
Ich zitiere, zuerst bestand im Menschen eine gewisse Identität, aber aus der Strafe der Sünde heraus ergab sich schließlich die Unterscheidung,
dass die Menschheit in zwei geteilt wurde.
Zitat Ende.
Ein Verhältnis der Geschlechter entstand demnach als eine Folge des Sündenfalls,
weil erst mit dem Griff nach der Erkenntnis, nach der Unterscheidungskraft,
sich Mann und Frau ihrer Nacktheit und dabei ihrer Unterschiedlichkeit bewusst wurden.
Der Mensch steht im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens im Abendland.
Und insofern er in männlich und weiblich unterteilt ist,
bemüht sich die Wiedergabe durch die Künstler um die Differenzierung in der Einheit.
Sind es in der mittelalterlichen Kunst vor allem Äußerlichkeiten wie Haartracht und Kleidung,
die zur Unterscheidung dienen und die Unterscheidung manchmal gar nicht leicht machen,
und wird im Akt auf die Wiedergabe von Geschlechtsmerkmalen oft verzichtet,
so werden mit dem zunehmenden Streben nach dem naturnahen Abbild in der Kunst des Spätmittelalters und der Renaissance
die anatomischen Besonderheiten systematisch erfasst und auch entsprechend dargestellt.
Dürer malte nicht nur diese vollendeten Aktfiguren, er beschrieb auch genauerstens die Proportionen männlicher und weiblicher Körper.
Die Unterschiede werden in exakten Maßzahlen festgehalten.
Und der männliche und mehr noch der weibliche Akt wird zum Thema mit unendlichen Variationen.
Hier ein Beispiel von Raphael, die berühmten drei Grazien.
Für das Verhältnis der Geschlechter findet die christliche Kunst eine Reihe von exemplarischen Paaren in der biblischen Geschichte,
die je unterschiedliche Beziehungsvarianten eröffnen, die dann im künstlerischen Abbild ausgedrückt werden.
Adam und Eva verbindet im Moment der Versuchung ein erotisch-verführerisches Verhältnis.
Hier von Hans Baldungrín, da deutlich gemacht.
Susanna und die lüsternen Alten oder Lot und seine Töchter pervertieren die erotische Beziehung in ein Bild des ungleichen und damit unrechten Paares.
Ein Thema, das auch außerhalb des biblischen Kontextes das Verhältnis der Geschlechter in einer der möglichen Varianten beschreibt.
Und letztlich triumfiert Judith als Strahlen der Siegerin über den bezwungenen Gegner Holofernes hier in einer Skulptur des 15. Jahrhunderts von Florentiner Bildhauer Donatello geschaffen.
Im Bereich der Alltagswelt werden Paarbeziehungen natürlich ebenso im Bild wiedergegeben.
Sie dokumentieren das Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau anlässlich der Verlobung oder Verehlichung,
wie hier das Ehepaar Arnolfini dargestellt von Jan van Eyck.
Ein Dokument der offiziellen Verbindung, sowie dies im sakralen Bereich das Thema der Sposalizio,
der Verlobung von Josef und Maria vorbildhaft vorführt in der Darstellung durch Raphael.
Aber auch ganz profane Liebesbeziehungen finden ihren Niederschlag in der Kunst.
Wie es nicht nur dieses Beispiel aus der Badstube zeigt, hier in einem technischen Traktat eigentlich über die Beheizung von Badehäusern.
Und noch eine im Spätmittelalter unglaublich populäre Paarbeziehung sei hier nicht übergangen.
Die auf einem Ehmann wie auf einem Esel reitende Frau.
Ein Beispiel für die Lächerlichkeit des Liebhabers.
Entschuldigung, denn die Liebe zum Esel macht.
Auch wenn er noch so gescheit ist. Entschuldigung, das kommt davon.
Also die Lächerlichkeit des Liebhabers, den wir hier sehen, den die Liebe eben zum Esel macht.
Auch wenn er noch so gescheit ist wie Aristoteles, der das alte und prominente Beispiel für diese Art der Geschlechterbeziehung abgibt.
Die Kunst im christlichen Abendland ist also in einem hohen Maß geprägt von der anschaulichen Wiedergabe der Geschlechter.
Und der unterschiedlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau, wie diese ganz wenigen Beispiele zeigen sollten.
Die Kunstgeschichte steht dazu in auffallendem Widerspruch.
Insofern sie gerade die Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter aus der wissenschaftlichen Analyse auf weiten Strecken ausgeschlossen hat.
Sie hat sich darauf beschränkt, die literarische Vorlage zu benennen und die künstlerische Umsetzung des Stoffes zu beschreiben.
Presenters
Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:49:48 Min
Aufnahmedatum
2001-11-15
Hochgeladen am
2018-05-04 15:12:11
Sprache
de-DE