Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Sehr geehrter Herr Batz, sehr geehrte Frau Eschbaum, meine sehr geehrten Damen und Herren,
für die Einladung bedanke ich mich ganz herzlich und freue mich über das Thema
Ist Leukämiebeginn eine angeborene Erkrankung? sprechen zu dürfen.
Nun, wie kommen wir zu dieser Frage?
Das wichtigste Risikofaktor für eine Krebserkrankung oder eine Leukämie ist das Alter.
Wir wissen, dass 50-Jährige etwa zehnmal häufiger und 70-Jährige sogar 100-mal häufiger an einer bösartigen Erkrankung erleiden als Kinder.
Warum nun? Die Frage, ob die Leukämie bei Kindern angeboren ist.
Ich zeige dazu das erste Dir.
Hier sehen wir eine Besonderheit bei Kindern.
Aufgezeigt ist die Rate an Neuerkrankungen an Leukämie im Bezug zum Alter der Kinder.
Wir sehen, dass bei Kindern im ersten Lebensjahr etwa zwei von 100.000 an Leukämie jedes Jahr erkranken.
Bei 10- bis 12-Jährigen entspricht diese Rate etwa dieser Zahl.
Aber auffällig ist, dass bei den 2- bis 4-Jährigen die Gefahr an einer Leukämie zu erkranken viel höher ist.
Hier erkranken etwa jedes Jahr 10 von 100.000 Kindern.
Nun, das ist ganz ungewöhnlich.
Ich hatte vorhin gesagt, dass das zunehmende Alter eigentlich der wesentliche Risikofaktor ist für eine bösartige Erkrankung.
Woher kommt nun die Häufung von Leukämieerkrankungen gerade bei den 2- bis 4-Jährigen?
Nun, wenn wir nach den Ursachen dieser Häufung fragen, müssen wir uns vor Augen halten,
dass im Alter von 2- bis 4 Jahren die Kinder erkranken.
Das heißt, im Knochenmark sind so viele bösartige Zellen, die haben sich gebildet,
dass die normalen blutbildenden Zellen verdrängt worden sind.
Zu diesem Zeitpunkt sind im Menschen etwa eine Billion Leukämiezellen, also 10 hoch 12.
Das heißt, die Ursachen der Leukämie, die Entartung einer einzelnen Zelle, müssen viel früher zurückliegen.
Und wenn wir sehen, dass zum Zeitpunkt der klinischen Erkrankung,
also wenn der Mensch 10 hoch 12, also eine Billion Leukämiezellen in sich trägt,
die Leukämiezellen bereits 40-mal geteilt haben, dann müssen die Ursachen viel früher liegen.
Also möglicherweise schon vor der Geburt.
Nun, wie können wir dieser Frage näher kommen?
Wollen wir Leukämiezellen nachweisen, bevor die Kinder krank werden?
Dann brauchen wir zunächst ein geeignetes Merkmal der Leukämiezellen,
anhand dessen wir die Zellen auch identifizieren können.
Wir müssen sie von den gesunden Zellen sicher unterscheiden können.
Weiter brauchen wir natürlich ein hochemfindliches Verfahren,
mit dem wir dieses Merkmal nachweisen können.
Und wir brauchen geeignetes Probenmaterial, in der Regel eine Blut- oder Knochenmachsprobe,
wo wir die Zellen finden können.
Zunächst zum ersten Punkt.
Wie finden wir ein Merkmal, indem sich die Leukämiezellen von den gesunden blutbildenden Zellen unterscheiden?
Bitte nicht erschrecken.
Hier sehen Sie eine Auflistung der Chromosomen einer normalen Zelle.
Chromosomen sind im Grunde die Packungseinheiten der Erbinformation.
Und wir sehen hier eine Veränderung, wie wir sie in Leukämiezellen finden.
Und zwar eine sogenannte Translokation 411.
Diese Translokation bewirkt, dass genetisches Material, also ein Teil des Chromosoms 4, wie hier zu sehen,
wird umgelagert auf das Chromosom 11 und der Teil des Chromosoms 11, hier an dem unteren Ende,
wird im Austausch dafür an das Chromosom 4 fusioniert.
Wir haben hierdurch eine sogenannte Translokation 411, also eine Umlagerung
und ein Austausch von genetischem Material zwischen zwei Chromosomen.
Nun, dieses Merkmal ist für eine bestimmte Form von Leukämien ganz typisch.
Presenters
Prof. Dr. Reinald Repp
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:26:50 Min
Aufnahmedatum
2000-11-09
Hochgeladen am
2018-06-21 09:56:49
Sprache
de-DE
Fast alle Krebserkrankungen treten bei älteren Menschen viel öfter auf als bei Jüngeren. Anders verhält sich die akute lymphoblastische Leukämie (ALL), die häufigste bösartige Erkrankung im Kindesalter. Sie tritt bei den Zwei- bis Vierjährigen etwa fünfmal so oft auf wie bei Fünfzehnjährigen. Nach einer Untersuchung, die wir zusammen mit Arbeitsgruppen am Institute of Cancer Research in London und der Universitäts-Kinderklinik in Gieen 1997 durchgeführt haben, sind zumindest für einen Teil dieser Erkrankungen die Ursachen bereits vor der Geburt zu suchen. Wir hatten bei drei Kindern, die im Alter von 5 Monaten bis 2 Jahren an einer Leukämie erkrankt waren, zunächst eine chromosomale Veränderung identifiziert, wie sie nur in den Leukämiezellen vorlag. Genau diese Veränderung konnten wir dann auch in alten Blutproben nachweisen, die von den Kindern während der ersten Lebenstage abgenommen worden waren. Mittlerweile haben 2 andere Arbeitsgruppen solche Befunde bestätigt.