Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema, das ich habe, ist ein unmögliches, das ist öfter so in der Wissenschaft.
Ich kann nur exemplarisch einige Dinge herausgreifen. Ich kann nicht über die Verfassungsentwicklungen der arabischen Welt insgesamt sprechen.
Auch nicht über das komplexe Verfassungsgeschehen innerhalb eines Landes,
sondern in der Vorankündigung im ausführlicheren Teil auch geschildert,
möchte ich sprechen über das Verhältnis von Staat und Religion in diesen Verfassungsdebatten,
insbesondere am Beispiel Ägyptens und Tunesiens.
Ich denke allerdings, dass ich zu einem solchen Thema heute Abend nicht sprechen kann,
ohne wenigstens einige wenige Worte zu den aktuellen Entwicklungen in Ägypten zu verlieren,
zumal diese Entwicklungen mit dem Thema schon auch sehr eng zu tun haben.
Vorab vielleicht so viel, es ist nicht einfach in einer revolutionären Situation saubere Hände zu behalten.
Es ist nicht einfach in einer revolutionären Situation Prinzipien zu erkennen,
wie man Rechtsstaatlichkeit auf einmal pflegen soll, ohne Institutionen zu haben,
die sich auf rechtsstaatliche Mechanismen gründen können.
Und da sind wir eigentlich in der Mitte des Problems.
Die Welt ist gewiss entsetzt darüber, dass der ägyptische Präsident in der vergangenen Woche ein Dekret erlassen hat,
mit dem er die Gewaltenteilung weitgehend außer Kraft setzt, indem er sich sozusagen auch noch zum Herren
über die dritte Gewalt, über die Judikative macht.
Das Parlament ist aufgelöst durch diese Judikative, sodass eigentlich nur noch der Präsident insofern als Machtfaktor übrig bliebe,
wenn denn dieses Dekret Bestand hätte. Und wir sehen, dass zusehends die Menschen dagegen auf die Straße gehen.
Dieses Dekret scheint sich, wenn ich das Recht sehe, vor allem gegen, ja nicht die Justiz insgesamt zu richten,
sondern gegen den Umstand, dass die Justiz jedenfalls in wichtigen Teilen aus Vertretern des alten Regimes besteht.
Wir versuchen, die alten Machtstrukturen zu erhalten.
Das ist ein bisschen pauschal formuliert und es gibt auch sehr integere Leute in der Justiz, in den Gerichten.
Manche haben es geschafft, sich einiges an Unabhängigkeit zu bewahren, was in einer Diktatur ja ein schwieriges Geschäft ist.
Man muss allerdings auch realistischerweise sagen, dass die ägyptische Justiz,
was die verfassungsrechtlichen Fragen der letzten Jahre angegangen ist, praktisch jede Schweinerei mitgemacht hat,
wenn ich das so unverblühmt sagen darf. Also Wahlfälschungen, Betrug, Nichtzulassungen.
Jeder Bruch rechtsstaatlicher Prinzipien wurde weitgehend von der ägyptischen Justiz abgesegnet.
Der jetzt abgesetzte Generalstaatsanwalt scheint eine besondere Regimennähe besessen zu haben,
hat die Polizisten mitgedeckt gegen Strafverfahren, die sich da aller Wahrscheinlichkeit nach schuldig gemacht haben,
an der Verfolgung von Demonstranten. Er scheint mit dem Regime eng verbandelt zu sein.
Dass eine solche Person sich auf rechtsstaatliche Grundsätze beruft, ist überraschend.
Und im Übrigen tut es uns gut, und auch das will ich ein bisschen versuchen,
dass wir uns daran erinnern, welche sind denn die rechtsstaatlichen Maßstäbe, die man an die Vorgänge anlegen könnte.
Nun ist auch bei uns ein Generalstaatsanwalt nicht unabhängig wie ein Richter.
Auch bei uns kann die Exekutive einen Generalstaatsanwalt absetzen.
Insofern ist es kein Bruch rechtsstaatlicher Prinzipien, wenn das grundsätzlich geschieht,
wenn denn die vorgesehenen rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden.
Wir haben also im Grunde im Moment in Ägypten nicht allzu viele demokratisch legitimierte Institutionen.
Der Präsident ist es vor allem, der hat sich in Wahlen durchgesetzt, die im Wesentlichen frei gewesen sind,
ob sie fair waren, darüber kann man lange rechnen, und es gibt nicht die eine richtige Antwort darauf.
Man kann einerseits sagen, nun ja, es waren doch freie Wahlen, es konnte sich jeder bewerben,
und der hat sich halt letztlich durchgesetzt gegen eine stattliche Zahl von Mitbewerbern.
Auf der anderen Seite muss man sehen, dass natürlich nicht alle Bewerber von einem gleichen Ausgangspunkt aus anfangen konnten.
Es gibt politische Gruppierungen in Ägypten, die schon auf eine lang etablierte Organisation zurückgreifen können,
und trotz aller Verfolgung gehören auch die Muslimbrüder dazu, aus deren Spektrum der heutige Präsident stammt,
während andere diese Chance nicht hatten.
Sodass man Argumente dafür finden kann, zu sagen, jetzt machen wir erstmal die Übergangszeit mit Übergangsmodellen,
und dann erst kommen die Wahlen, damit eben alle auf halbwegs gleicher Augenhöhe sich am Wahlkampf beteiligen können.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:34:18 Min
Aufnahmedatum
2012-11-28
Hochgeladen am
2012-12-14 09:03:41
Sprache
de-DE
Der "Arabische Aufbruch" hat in Schlüsselstaaten wie Tunesien und Ägypten breite und kontroverse Debatten über die künftigen verfassungsrechtlichen Grundlagen der staatlichen Organisation und der Menschenrechte ausgelöst. Hierbei ist vor allem das Verhältnis zwischen der Mehrheitsreligion Islam und einer säkularen Ausrichtung des Staats entbrannt. Stehen hier unversöhnliche Positionen gegeneinander, oder lässt sich eine Brückenbildung erkennen? Dieser Frage soll anhand konkreter Beispiele aus Ägypten und Tunesien vertieft nachgegangen werden.