5 - 2A Passionslied I: "Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld" (Str. 1-4) [ID:15981]
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Das Phänomen Paul-Gerhard-Lieder, fünfte Folge. Wir sind eingestiegen mit Osterliedern, weil ja,

Osterzeit ist. Ostern ist uns dieses Jahr genommen worden, wir konnten es nicht feiern. Insofern ist

es ganz gut auf diese Weise, das gründlich nachgearbeitet und so doch noch ein Stück weit

realisiert zu haben. Jetzt gehen wir im Kirchenjahr zurück zur Passion. Das ist ja auch eher bekannt

und vertraut die Passionslieder von Paul Gerhard, die eine große Rezeption haben, namentlich in der

Kirchenmusik prominent dann bis zur Matthäus Passion von Johann Sebastian Bach. Es stehen auch

im Gesangbuch, im Stammteil drei Paul Gerhard-Lieder hintereinander. Es ist das Lied 83, es ist das Lied 84

und das Lied 85. Das Lied 85, O Haupt voll Blut und Wunden, ist das tendenziell bekannteste, was

daran liegt, dass es eben von Bach prominent in der Matthäus Passion verarbeitet wurde. Ich beginne

aber, historisch korrekt und auch aus verschiedenen anderen Gründen, mit dem ersten dieser Lieder,

mit Ein Lämmelein geht und trägt die Schuld. Also im Gesangbuch Lied 83. Ein Lämmelein geht und

trägt die Schuld. Für einen Menschen der Paul Gerhard-Zeit war das eine ganz klare, ganz zentrale,

ganz plausible Vorstellung. Das Lämmelein in Verbindung mit Passions- und Osterthematik,

eigentlich ist das Bild des Lammes ja eine Brücke zwischen Passion und Ostern. Das Bild von

Lukas Kranach in Weimar in der Herderkirche, das ich auch zur Verfügung gestellt habe,

das zeigt ja zum einen den Gekreuzigten, hier den Auferstandenen und unter dem Gekreuzigten ist

das Lamm. Wir haben den Brauch an Ostern so Süßigkeit, Lämmchen in Form von Süßigkeit zu uns

zu nähen, Osterlämmer extra zu packen oder zu kaufen beim Bäcker und manchmal haben diese Lämmchen ja

dann auch oder es gehört einen dazu zum Setting, gehört das Sieges-Fähnlein dazu, das deutlich macht,

dass es ein Osterlamm ist. Die Volksfrömmigkeit hat also dieses Motiv des Osterlämmerleins bewahrt.

Ich weiß nicht, ob das irgendwie von einem religiösen Bewusstsein noch begleitet ist oder

ob das nicht einfach ein niedlicher Brauch ist oder genauso sinnentleert wie der Osterhase,

also ob das Osterlämmerlein quasi in einer Schiene läuft wie der Osterhase. Das Lamm hat als religiöser

Topos in der Frömmigkeitsgeschichte eine riesige Rolle gespielt und es bekommt seine große Rolle

dann erst noch nach Paul Gerhards Zeit, denn im Pietismus spielt die Anbetung des Lammes,

die Huldigung des Lammes, eine noch viel größere Rolle. Die Kundigen wissen es vielleicht,

dass namentlich die Herrnhuter Brüdergemeine mit Graf Zinsendorf da spezialisiert drauf war. Dort

gab es einen förmlichen Lämmeleinkult, der dann geradezu ausgeartet ist und dann quasi gewaltsam

abgebrochen werden musste, weil klar war, die flippen jetzt nur noch aus. Also alles geht nur

noch aufs Lämmelein zu. Und dazu gibt es das berühmte Gesangbuch der Hallenser Pietisten,

der sogenannte Freilinghausen 1704, erstmalig erschienen. Hier habe ich eine Originalausgabe

der Gesamtausgabe von 1741, da ist das Frontispitz. Ich schaue, dass ich etwas finde, eine Vorlage,

wo es gut abgelichtet ist. Der sogenannte Frontispitz, also Titelbild, da steht in der

Mitte ein hoher Berg und darauf das Lamm mit der Siegersfahne, mit der österlichen Siegersfahne und

drumrum unzählige Köpfe, also die ganzen Menschen, die Heiligen und die Unterschrift ist und singen

das Lied Moses des gerechten Gottes und das Lied des Lammes und dann mit Bibelstelle Apokalypse 15,

Vers 3, also Offenbarung 15, Vers 3. Also das Motiv des Lammes, Bibelkenner wissen es, spielt

auch in der Offenbarung eine große Rolle und gerade deswegen hatte es dann so eine große Rezeption

auch in der Frömmigkeit, denn das, was am Ende der Bibel steht, ist ganz entscheidend, war zu

vielen Zeiten viel entscheidender als zu unseren Zeiten, wo wir uns historisch kritisch eher an die

Anfangszeugnisse wenden und uns daran halten, also an die Evangelien. So, das als allgemeine

Vorbemerkung zu Lamm. Jetzt hat dieses Lied die Kennzeile, die Headline, ein Lämmelein geht und

trägt die Schuld. Ich habe es daneben geschrieben, biblikundige Wissen, natürlich sofort, auf was sich

das bezieht. Johannes im sogenannten Prolog des Johannes Evangelium oder in der Einleitung Johannes

1, Vers 29, Johannes weist auf Christus, der da kommt und sagt, siehe, das ist Gottes Lamm, das der

Welt Sünde trägt. Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Die Vokabel trägt, Sünde,

Schuld kommt hier, ein Lämmelein geht und trägt die Schuld. Und auch die Vorstellung, dass der

Johannes sieht, Jesus kommen, also gehen, er war ja ein Wanderprediger, also auch das Gehen, also der

Weg Christi als Tragen der Schuld und zwar der Welt und ihre Kinder. Siehe, das ist Gottes Lamm,

dass der Welt Sünde trägt, kommt noch in der zweiten Seite, die Schuld der Welt und ihrer Kinder,

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:51:43 Min

Aufnahmedatum

2020-04-29

Hochgeladen am

2020-05-16 20:26:18

Sprache

de-DE

Das Phänomen Paul-Gerhardt-Lieder II

Die Lieder von Paul Gerhardt (1607-1676) sind "Evergreens" trotz ihrer veralteten barocken Sprach- und Vorstellungswelt, trotz ihres oft schweren theologischen "Ballasts", trotz ihrer Überlänge. Die Vorlesung nimmt einzelne Lieder in Textgestaltung wie Melodiezuweisung genauer unter die Lupe, vermittelt historischen Hintergrund der Liedentstehung und gibt Einblicke in die Liedrezeption durch die Jahrhunderte in Gesangbüchern wie Kunstmusik.

Tags

Kirchenmusik
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