In der folgenden Untersuchung zu Personal und Szenerie der Politaia möchte ich zeigen,
dass Elemente, die auf die Seite der literarischen Form des platonischen Dialoges oder dieses
platonischen Dialoges gehören, uns Aufschluss gerade auch über inhaltliche Intentionen
des Autos Platon geben können.
Die Politaia nimmt unter den Dialogen Platons in mancher Hinsicht eine Ausnahmestellung
ein.
Nur in diesem Dialog und im Phaedros finden wir den platonischen Sokrates außerhalb der
Stadt Athen.
Auch wird in anderen Dialogen, in denen eine Zuhörerschaft anwesend ist, normalerweise
keine Aufzählung anwesender Personen gegeben, die Selbstpersonen umfasst, die in den folgenden
Gesprächen gar nicht zu Wort kommen.
Außerdem ist die Politaia der einzige Dialog in dem Platon, der ja selbst in seinen Dialogen
nie zu Wort kommt, wir wissen nicht einmal, ob er vielleicht unter den übrigen Begleitern
des Polemachos hier ist, der also nie zu Wort kommt in seinen Dialogen auch Personen,
mit denen er aufgewachsen ist, nämlich seine beiden Brüder Adeimantos und Glaukon als
Gesprächspartner des Sokrates einführt.
Was die Thematik der Politaia betrifft und dieser Dialog ist immerhin das erste Dokument
der europäischen Geistesgeschichte zum Thema Staatsphilosophie, so ist dieser Dialog unter
denen der frühen und mittleren Dialoge, der frühen und mittleren Periode der einzige,
in dem Platon sich explizit mit einer Verbesserung der bestehenden staatlichen Ordnung auseinandersetzt,
in dem er, wenn man so will, als philosophischer Gesetzgeber auftritt.
Auch wenn die Diskussion des besten Staates in der Politaia, der den Dialog leitenden
Frage nach dem Wesen der Rechtlichkeit oder der Gerechtigkeit untergeordnet ist, so gewinnen
die Überlegungen zur Einrichtung der sokratischen Kallipolis, der Schönstadt, die der Sokrates
da entwirft, doch ein Gewicht, das diesen Dialog notwendig als einen Beitrag zur politischen
Philosophie erscheinen lässt.
Erst sehr viel später, erst im Politikos, dann im Dialogfragment Kritias und in den
Gesetzen, in den Nomäu, kommt Platon wieder zu diesem Themenbereich zurück und in keinem
dieser Dialoge ist Sokrates der Gesprächsführer, das ist er nur in der Politaia.
Ein letzter Aspekt, der hier Erwähnung verdient, ist schließlich der Umfang dieses Werkes.
Von dem Spätwerk der Nomäu abgesehen, ist es ein weitaus umfangreicheres Werk als alle
anderen Dialoge Platons.
Die Politaia erweist sich also schon unter äußerlichen Gesichtspunkten, wie dem der
Lokalität des Sokrates Gesprächs, dem der von Platon eingesetzten Personen, dem Aspekt
seines Themas, sowie dem des Werkumfangs als ein Dialog, der eine Ausnahmestellung einnimmt.
Das legt die Frage nahe, ob die für diesen Dialog gewählte Szenerie und das in ihm eingesetzte
Personal mit der Wahl des Dialogthemas zusammenhängen und von da aus erklärt werden können und
damit ihrerseits wiederum Licht auf Platons schriftstellerische Absichten werfen.
Gibt es also einen Grund, warum Plato ein Gespräch des Sokrates über die Gerechtigkeit
oder die Rechtlichkeit und den besten Staat mit diesen Personen und gerade vor dieser
Zuhörerschaft, sowie an diesem Ort im Hause des Metöken, Kefalos, Empireus führen lässt.
Metöken waren jene Einwohner Athenens, die nicht die vollen Bürgerrechte besaßen, sie
mussten aber Steuern zahlen, am Wehrdienst teilnehmen, aber sie waren für das Wirtschaftsleben
sehr bedeutend.
Dieser Kefalos war aus Syrakus eingewandert.
Das Platon, das Personal und die Szenerie der Politaia mit Bedacht gewählt hat, wird
schon daran deutlich, dass zu ihrer ausführlichen Darstellung ein schriftstellerisches Mittel
notwendig war, das Platon in etwa nur einem Viertel seiner Dialoge anwendet, nämlich das
des erzählten Dialogs, der ja die Möglichkeit bietet, dann über den reinen Wortwechsel
hinaus Darstellungen von Reaktionen von Personen oder auch von den Personen selbst zu geben.
Presenters
Prof. Dr. Theodor Ebert
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:27:26 Min
Aufnahmedatum
1999-12-09
Hochgeladen am
2018-05-08 09:20:21
Sprache
de-DE