So, hallo liebe Studierende. Ich möchte Sie einladen, jetzt eine Sitzung und auch die nächste
Sitzung noch dem Thema Fichte zu widmen. Johann Gottlieb Fichte. Zunächst die biografische
Skizze. Die hat durchaus so ihre märchenhaften Züge, wie Sie gleich sehen werden. Geboren wurde
Fichte 1762 in einem kleinen Dorf Rammenau in der Oberlausitz und er wuchs da in bäuerlichen,
sehr einfachen Verhältnissen auf. Angeblich hat er seinen Tage auch damit verbracht, die Gänse zu
hüten. Also wirklich so eine Märchensszenerie. Und jetzt kommt's. Ein lokaler Adliger macht
sich zum Sonntagsgottesdienst auf in Richtung Rammenau. Wohl weil der Prediger des Dorfes einen
ganz guten Ruf hat. So und offenbar dauert die Kutschfahrt etwas länger als erwartet. Dieser
Adlige, dessen Name jetzt keine Rolle spielt, dieser Adlige kommt an und der Gottesdienst ist
vorbei. Die Predigt hat er verpasst. Pech. Und dann kommt jemand auf die Idee und sagt,
wir haben hier einen Jungen, der kann, eurer durchlaucht oder wie immer die Anrede war,
die Predigt im Detail nach erzählen. Also wird dann Fichte, das ist der kleine Junge, herbeizitiert,
ich weiß nicht wie alt er damals ist, vielleicht acht Jahre alt und in der Tat gelingt es ihm,
die Predigt im Detail nach zu erzählen und zwar offenbar mit Verstand nach zu erzählen. Also nicht
nur die Stichworte, sondern auch die Sinnzusammenhänge, sodass der besagte Adlige
nun richtig platt war. Ergebnis, er hat ein Wunderkind entdeckt und sieht sich jetzt dafür
verantwortlich, diesen seinen Untertanen besonders zu fördern. Also Fichte, das Dorfkind, erhält
daraufhin ein Stipendium und wird schulisch erzogen, später kann er auch auf die Universität gehen.
Also ein erster ungeheurer Durchbruch, also aus der beschränkten, kleinen, ärmlichen Dorfwelt ins
akademische Leben hinein. Es gibt dann später noch einen zweiten, mindestens genauso enormen
Durchbruch, das kommt dann in wenigen Minuten. Jetzt zunächst mal nach dem Studium, das Fichte
in Jena durchgeführt hat, kommen die typischen Schwierigkeiten damaliger Intellektueller,
irgendwie einen passablen Brotberuf zu finden. Wie viele andere versucht sich Fichte dann als
Hofmeister, also Hofmeister heißt Privatgelehrter, angestellt in reichen Familien. Fichte beschränkt
sich dabei allerdings nicht darauf, seine Zöcklinge zu unterrichten, sondern sieht seine Aufgabe darin,
nun auch die Eltern dieser Zöcklinge, also seine Arbeitgeber zu belehren und zwar in ziemlich
penetranter Weise. Also er listet auf sämtliche Verstöße gegen pädagogische Prinzipien, wie er
sie halt versteht und bestellt dann seine Arbeitgeber ein, die Eltern seiner Zöcklinge,
auf das sie dann regelmäßig sich von ihm ihre Verstöße vorlesen lassen. Naja, da merkt man
schon einen ziemlich herrischen Zug im Wesen Fichtes, einen Zug, der ihm selber dann auch eine Menge
Probleme immer wieder eingebracht hat. Sie können sich vorstellen, also die Eltern seiner Zöcklinge
waren keineswegs begeistert von dieser allwöchentlichen Belehrung und so musste Fichte
dann auch öfter seinen Job wechseln. Hat sich immer wieder doch selber in den Nestlen gesetzt,
unbeliebt gemacht. Wichtig für Fichte ist dann die Entdeckung Kanz. Also die Philosophie Immanuel
Kanz bedeutet für ihn persönlich eine Befreiung, denn Fichte war geprägt von deterministischen
Vorstellungen. Also alles Handeln ist irgendwie durch ehrengesetze der Natur vorgegeben, vielleicht
ist sogar die Freiheit bloße Illusion. Nun ja, also wir sind ja im Zeitalter, wo auch die
Naturwissenschaften Fortschritte machen und manche haben daraus Konsequenzen in Richtung
eines deterministischen Materialismus gezogen, der ziemlich deprimierend sein kann. Jetzt entdeckt
Fichte, der genau von solchen Tendenzen geplagt war, Kand und erlebt das auch als eine persönliche
Befreiung. Es setzt sich dann energisch und mit großem Enthusiasmus mit dem Werk Kanz auseinander
und und fängt auch an, Privatunterricht über kantische Philosophie zu erteilen. Es kommt dann
schließlich auch zu einer Begegnung mit dem alten Philosophen, mit Kanz selbst in Königsberg. Kanz
empfängt seinen Fanfeste durchaus freundlich zunächst, aber das sollte sich dann später sehr
ändern. Jetzt ist die Zeit, den zweiten Durchbruch Fichtes anzusprechen, also in seiner Biografie,
also nach diesem geradezu märchenhaften ersten Durchbruch in seiner Kindheit, erlebt er jetzt
als junger Mann mit ungefähr 30 Jahren mal etwas Ähnliches und zwar verfasst er in relativ kurzer
Zeit eine Schrift mit dem Titel Versuch einer Kritik aller Offenbarung, also Religionskritik,
vor allem Kritik von Offenbarungsreligionen. Diese Schrift wird anonym veröffentlicht,
wie damals das weithin auch noch üblich war, und zwar von einem Verleger aus Königsberg wohlgemerkt.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:50:21 Min
Aufnahmedatum
2020-04-08
Hochgeladen am
2020-04-09 08:37:30
Sprache
de-DE