Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Lukas Lammers, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Englistik und Amerikanistik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
hat in verschiedenen Forschungsprojekten über Shakespeare mitgearbeitet, zum Theater der frühen Neuzeit publiziert und ist Mit-Herausgeber von Shakespeare Seminar Online.
Shakespeare, so wird immer wieder betont, war ein Theatermann. Und sein Theater, so scheint es häufig, war das Globe.
Doch obwohl das Globe mit einiger Berechtigung eine zentrale Stellung in Betrachtungen zu Shakespeare und dem Elisabethanischen Theater einnimmt,
täuscht eine solche Zuspitzung über eine bedeutende Vielfalt hinweg.
Ein Überblick über diese Vielfalt zu geben, ist das erste Ziel meines heutigen Vortrags.
Dabei werde ich das Theater vor allem als sozialen Raum betrachten.
Von dieser kurzen Theatergeschichte komme ich dann zu dem Geschichtstheater.
Gemeint ist damit an dieser Stelle ein Genre, das Shakespeare wie kaum ein anderer geprägt hat.
Und das doch oft hinter den bekannteren Komödien und Tragödien zurücksteht, das Historiendrama.
Dieser Vortrag ist der zweite Teil einer kleineren Reihe von Vorträgen anlässlich Shakespeare's 400. Todestag.
Der erste Vortrag von Frau Prof. Doris Feldmann hat bereits eine kurze Einführung in das Leben und Werk von Shakespeare gegeben
und dabei erörtert, was das Phänomen Shakespeare ausmacht, warum Shakespeare und seine Stücke auch heute noch von so großem Interesse sind.
In einem dritten Vortrag widmet sich dann Christian Krug, Shakespeare's Helden und den Heroischen in Shakespeare.
In meinem eigenen Beitrag zu dieser Miniserie werde ich also zunächst die allgemeine Einführung des ersten Vortrags in eine bestimmte Richtung ausweiten,
indem ich das Medium, das Shakespeare nutzte, genauer betrachte.
Was war eigentlich so besonders an Shakespeare's Theater?
Heute begegnet einem Shakespeare vor allem als Autor. Doch Shakespeare hätte nicht einen solchen Wohlstand und Bekanntheitsgrad erreichen können,
wenn es nicht gen Ende des 16. Jahrhunderts zu einer drastischen Veränderung in der Organisation und damit auch in der Ausrichtung des Theaters gekommen wäre.
Diese Veränderung hatte noch vor Shakespeares Lebzeiten bedrohliche Vorzeichen.
Eine Reihe königlicher Erlasse schränkte ab den 1530er Jahren das Schauspiel drastisch ein.
Hintergrund für diese Beschneidung waren die religiösen und politischen Umwälzungen im Zuge der Reformation.
Theater war in starkem Maße religiös geprägt und unterlag in der Regel der Kontrolle der Kirche.
Eben diese Tatsache machte es aber auch suspekt in den Augen der neuen Staatsmacht der Tudors.
Und so kam es Ende des 16. Jahrhunderts sozusagen zu einer Reformation des Theaters.
Nach einer Reihe von Einschränkungen wurde 1572 schließlich jegliches Schauspiel unter Strafe gestellt, das nicht unmittelbar staatlicher Kontrolle unterliegt.
Konkret hieß das, dass nur noch solche Schauspieler Stücke aufführen durften, die als Diener einem Angehörigen des Hochadels verpflichtet waren und eine königliche Lizenz erhalten hatten.
Damit änderten sich die Bedingungen für Schauspieler drastisch.
Es kam zu einer Konsolidierung von Schauspieltruppen und zum anderen zu einem Wandel in der Wahrnehmung von Schauspiel in der Gesellschaft insgesamt.
Hatte das Schauspiel der hausierenden Truppen etwas Anrüchiges, wurde es mit den neuen Gesetzen zumindest in gewisser Hinsicht buchstäblich geadelt.
Aus sozial unklarsituierten Wanderschauspielern wurden Bedienstete eines Aristokraten, die damit einen Schutz vor Verfolgung durch das Gesetz genossen und an ausgewählten Stellen ihr Gewerbe betreiben durften.
De facto hieß dies allerdings auch, dass nur solche Truppen eine Chance hatten, sich zu etablieren, die ein gewisses Staatkapital mitbrachten und die Gunst eines Adeligen gewinnen konnten.
Zu betonen ist auch, dass die Schirmherrschaft der Adeligen alleine nicht ausreichte.
Es bedurfte gleichzeitig eines guten Managements.
Denn obwohl die Schirmherrschaft Schauspieler im wahrsten Sinne Türen öffnete und damit die Möglichkeit zu sehr lukrativen Auftritten in Adelspalästen etwa, waren die Truppen ansonsten finanziell auf sich gestellt.
Sie mussten ihre Lizenz sozusagen gut nutzen.
Die Tatsache, dass sie eigenständig wirtschaften mussten, bedeutete andersherum für die Schauspieltruppen eine gewisse Unabhängigkeit.
So ergab sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts für das Theater eine sehr spezielle Kombination aus Abhängigkeit und Eigenständigkeit.
Rückblickend war es tatsächlich diese Kombination aus staatlicher Regulierung, sozialer Aufwertung des Schauspiels und der Erlaubnis, kommerziell eigenständig zu agieren, die maßgeblich zur Entstehung einer neuen Form von Theater beitrug.
Ein weiterer wesentlicher Faktor in der Entwicklung war die Entstehung fester Spielstätten im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts.
1575-76 ging der Schauspieler, Unternehmer und Zimmermann James Burbage ein Wagnis ein.
Er ließ am Rande Londons ein Gebäude errichten, das ausdrücklich und ausschließlich als Ort für Schauspiel gedacht war.
Der Name dieses Veranstaltungsorts war ebenso einfach wie bezeichnet.
The Theater.
Es ist zwar keine Zeichnung des Theaters The Theater erhalten, aber wir wissen, dass das hölzerne Rund das Vorbild für spätere Bauten war, über die wir mehr Informationen haben.
Wir wissen auch, dass in diesem Theater etliche der frühen Stücke Shakespeares aufgeführt wurden und dass das Gebäude, das an anderer Stelle als Globe wiedereröffnet wurde, ein Meilenstein war.
Vielleicht war es sogar das wichtigste Ereignis für Shakespeare und die weitere Entwicklung des frühneuzeitlichen englischen Theaters.
Ort, Organisation und Bauweise dieses Theatertyps verkörpern gewissermaßen ein neues Verhältnis zwischen städtischen Autoritäten, der Krone, Schauspielern und Publikum.
Welche Bedeutung alleine die bloße Errichtung fester Theaterbauten hatte, lässt sich am besten durch einen kurzen Vergleich skizzieren.
Presenters
Lukas Lammers
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:33:28 Min
Aufnahmedatum
2016-06-09
Hochgeladen am
2017-02-01 12:43:22
Sprache
de-DE
Der Vortrag bietet zum einen eine kurze Geschichte des shakespeareschen Theaters, der Inszenierungspraxis, des Theatererlebnisses und späterer Versuche, diese Praxis in Film und Theater zu rekonstruieren. Zum anderen widmet er sich einer Gruppe von Stücken aus Shakespeares Werk: den Historiendramen. Geschichte hatte Konjunktur, wie ein Blick auf konkurrierende Angebote von Shakespeares Zeitgenossen zeigt. Doch historische Stoffe werfen auch spezifische und faszinierende Probleme für das Schauspiel auf, die der Vortrag beispielhaft illustriert.