6 - 2A2 Passionslied I: "Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld" (Str. 5-10) [ID:15987]
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Ja, das Phänomen Park Erhard Lieder, Folge 6. Wir sind bei dem grandiosen Pensionslied

Ein Lämmelein geht und trägt die Schuld. Es ist poetisch sicherlich eines der ganz

herausragenden Lieder Paul Gerhards. Sprachlich ein Kunstwerk Sondersgleichen, aber von daher

auch schwerer zugänglich, schwer fastlich. Wenn man sich aber hinein kniet, dann bekommt man so

richtig mit, also welche Fülle an Sprachmächtigkeit hier drin steckt. Wir hatten Strophe eins bis vier

schon besprochen, also in der Originalfassung. Jetzt kommen wir zu Strophe fünf bis zehn dieses

zehnstrophigen Liedes. Also die fünfte Strophe, mein Leben Tage will ich dich aus meinem Sinn

nicht lassen und ich möchte heute zum Einstieg an der Orgel diese Strophe spielen. Ich lade ein zum

mitsingen. Es ist eine musikalische Fassung aus der Kirchenmusikgeschichte und zwar nicht Bach,

sondern die mich kennen werden schmunzeln. Natürlich von Heinrich von Herzogenberg im

Oratorium die Passionuhr aufgeführt jetzt bald vor 125 Jahren, also geschrieben 1895,

1896 beschließt diese Strophe als gemeintegesang den ersten Teil der Passion. Es ist ganz

Satz, Orgel Satz fünfstimmig und die Vorstellung ist, dass eine große Gemeinde mit tausend oder

noch mehr Leuten da ganz kräftig mitsingt. Das können wir jetzt in diesen Corona-Zeiten

schlecht imitieren, aber sie können sich sehr vorstellen und entweder sie lesen jetzt den Text

von mein Leben Tage will ich dich mit, fünfte Strophe, beziehungsweise Gesamtbuch ist es die

vierte Strophe oder sie singen wirklich mit.

Ja das ist der Gestes, wie am Ende des 19. Jahrhunderts Paul-Gerhard-Lieder gesungen

wurden inklusive schöner Vermaten am Zeilenende. Dieser kurze Nachglaub, den ich dann kräftiger

gespielt habe, ist dann sozusagen ja einfach der Schlusspunkt zu diesem ersten Teil des

Passions-Oratoriums. Vom Gestes her wird sehr deutlich, dass diese Strophe sehr dezediert,

affirmativ als Bekenntnis aufgefasst wird. Ich will bei diesem Jesus bleiben, ich will mich ihm zu

seinem Eigentum beständig verschreiben, also keine falsche Devote-Haltung, sondern ich stehe dazu.

Gleich zu dieser letzten Vorstellung, die am Ende der Strophe zu deinem Eigentum verschreiben,

das war eine wichtige Vorstellung für die Frömmigkeit, man überschreibt sich wirklich

zum Eigentum an Jesus als Gegenüber und da kann sogar selbst die Blutmetaphorik noch mit

hineinspielen, denn die extremste Form, sich jemand anders zu verschreiben, ist die Blutsbrüderschaft.

Und es gibt ein großes bekanntes Phänomen, dann nach Paul Gerhard, etwa nicht ganz unter der

Arre Gerhard Terstegen, der große rheinische Mystiker, hat sich tatsächlich am grünen

Donnerstag mal im Akt seiner Bekehrung mit Blut Christus verschrieben und das später dann im

Rahmen seiner Frömmlichkeitsvita immer wieder als festen Bezugspunkt berichtet. Also nur,

dass klar ist, das ist jetzt nicht irgendwas völlig Jenseitiges, sondern das gab es tatsächlich.

Der Kontext ist natürlich, dass ich will mich dir mein Hysterum verschreiben. Im Hintergrund steht,

diese enge Gemeinschaft mit Christus, wie sie in der Eigentumsmetapher auch zur Geltung kommt,

in dieser berühmten Verlöbnisformel, ich bin dein, du bist mein, je nachdem, die bei Paul Gerhard

ja auch in dem Lied, Warum soll ich mich dich kremen, pointiert am Ende kommt. Also dieses

sich dezidiert zum Eigentum erklären, damit gebe ich sozusagen meine eigene Subjekthaftigkeit,

Eigenständigkeit, Preis, ich überschreibe mich mit Haut und Haaren, dem Gegenüber,

ist hier zum Ausdruck gebracht. Jetzt die Strophe von vorne. Mein Leben Tage will ich dich aus meinem

Sinn nicht lassen. Also ich hatte am Ende der letzten Folge erklärt, mit Strophe eins und vier

ist die Voraugenstellung des Passionsgeschehens abgeschlossen und es wird als Akt der Liebe,

ungeheurer großer Liebesakt Gottes dargestellt. Und jetzt ist die Frage, wie reagiere ich darauf,

wie entspreche ich dem als frommer Mensch. Mein Leben Tage will ich dich aus meinem Sinn nicht lassen.

Ich habe an den Rand geschrieben Psalm 104, Vers 33, das ist, ich will dem Herrn singen mein

Leben lang und mein Gott loben, solange ich bin. Dazu gibt es auch einen Kanon im Gesangbuch. Mein

Leben lang, mein Leben Tage will ich. Diese einzelnen Metaphern kommen von überall her aus der Bibel und

die Psalmen sind ein großes Reservoir. Also das mein Leben Tage und es spielt hier sicherlich eine

Rolle. Mein Leben lang, mein Leben Tage, dass es auch so ein L-Wort ist. Ich hatte das letzte Mal

schon auf diese L-Worte hingewiesen, also Lämlein und Liebe. Jetzt kommt es signifikant statt ein

Lämlein geht mein Leben Tage. Also wieder in Verbindung mit diesem sechsen Ton der sechsen

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:56:18 Min

Aufnahmedatum

2020-04-29

Hochgeladen am

2020-05-16 22:36:18

Sprache

de-DE

Das Phänomen Paul-Gerhardt-Lieder II

Die Lieder von Paul Gerhardt (1607-1676) sind "Evergreens" trotz ihrer veralteten barocken Sprach- und Vorstellungswelt, trotz ihres oft schweren theologischen "Ballasts", trotz ihrer Überlänge. Die Vorlesung nimmt einzelne Lieder in Textgestaltung wie Melodiezuweisung genauer unter die Lupe, vermittelt historischen Hintergrund der Liedentstehung und gibt Einblicke in die Liedrezeption durch die Jahrhunderte in Gesangbüchern wie Kunstmusik.

Tags

Kirchenmusik
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