6 - Politische Ideengeschichte von der Antike bis zur frühen Neuzeit [ID:21348]
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So liebe Studierende, für die nächste Stunde habe ich mir was verrücktes vorgenommen.

Ich will Ihnen ein paar Facetten mittelalterlichen Denkens geben, auch politischen Denkens,

und werde zu diesem Zweck buchstäblich mit 7-Meilen-Stiefeln durch die Jahrhunderte wandern.

Beim letzten Mal standen wir an der Nahtstelle zwischen Antike und Mittelalter mit Augustinos,

4. und 5. Jahrhundert, und jetzt mache ich in einem riesen Bogen den Schritt vom frühen Mittelalter

zum hohen Mittelalter, ja sogar bis zum späten Mittelalter, und im Zentrum wird stehen die Figur des Thomas von Arquín.

Aber vorweg noch ein paar knappe Hinweise zur historischen Entwicklung.

Theodosius hatte um 400 das Römische Reich geteilt, Ostrom, Konstantinopel und Westrom.

Also im Osten des Römischen Reiches bleibt bis zum Sturm Konstantinopels durch die Osmanen im 15. Jahrhundert

die Grundkonstellation der späten Antike eigentlich bestehen. Das Christentum ist die Tonangeben, die Staatsreligionen,

der Patriarch arbeitet nicht immer Hand in Hand, manchmal auch durchaus in komplizierten Verhältnissen mit dem

Oströmischen Kaiser zusammen, also beide verkörpern die Autorität eines christlichen Imperiums im Osten.

Antike Geistigkeit wird sozusagen eingefroren, die Platonische Akademie unter Justinian im 6. Jahrhundert aufgelöst,

das Römische Recht festgeschrieben, so festgeschrieben, dass man es nicht einmal kommentieren darf.

Also ein Stück weit wird diese späte Antike Grundkonstellation im Osten festgeschrieben.

Und das Christentum ist und bleibt eng verschwistert mit der philosophischen Tradition des Platonismus.

Also auch das eine Konstellation, die dann eigentlich festgeschrieben wird.

Die Geschichte im Westen verläuft anders. Das weströmische Kaisertum geht unter im Sturm der Völkerwanderung.

Der Westenrom ist seit 476 verwaist. Es entsteht massive Unsicherheit und im Laufe des 8. Jahrhunderts

greifen die Päpste um sich von den lokalen Wirren ein Stück frei halten zu können und Schutz zu finden.

Dann zurück auf das sich etablierende Frankenreich im Norden.

Es kommt dann zu der Idee, dass das Römische Reich an die Franken weitergegeben worden sei.

Und mit den Franken sind dann später auch die Deutschen gemeint.

Also das Heilige Römische Reich deutscher Nation, wie man es dann viele Jahrhunderte später genannt hat,

hat hier sozusagen seinen Grund. Die Idee der Translatio Imperii et ad Francus.

Also unter den späten Merovinger Königen, dann durch Karl den Großen, die Übergabe,

also auch weltlicher Herrschaftsbefugnisse an die Franken, später an die Deutschen.

Das Verhältnis zwischen politischer Gewalt und Kirche bleibt aber sehr komplex, geprägt von Spannungen.

Also einerseits lehnt man sich an, wechselseitig, also die weltlichen Herrscher brauchen die Kirche,

nicht nur zur Legitimation, auch für administrative Zwecke.

Die Kirche braucht weltliche Schutzherren, aber der Schutz wird dann auch sehr schnell zur Bevormundung.

Also es gibt immer wieder auch Reformbewegungen, die dieses Verhältnis in Fragestellen aufsprängen.

Investiturstreit, ich nenne hier nur Stichworte, im 12. Jahrhundert, aber auch dann in späteren Jahrhunderten

immer wieder in neuen Facetten aufbrechend.

Analog dazu bricht auch das Verhältnis von Philosophie und Theologie immer wieder neu auf.

Also auch das bleibt ein Spannungsverhältnis, also die antike Geistigkeit, die antike Philosophie und das Christentum,

die finden zusammen, aber es kommt nie zu einer ganz stabilen Synthese, immer wieder entstehen auch neue Brüche.

Ok, das Christentum sieht sich dann zunehmend auch herausgefordert durch den Islam.

Spanien wird im frühen Mittelalter von Muslimen erobert, bleibt dann über Jahrhunderte,

ist ebenfalls teilweise muslimisch beherrscht, also die Grenze verschiebt sich immer zwischen christliche Herrschaft,

muslimische Herrschaft, Süditalien ist ebenfalls teilweise islamisch beherrscht.

Der Islam ist aber nicht nur eine militärische und politische Herausforderung, auch eine intellektuelle Herausforderung.

Und es stellt sich dann die Frage, jetzt im Laufe auch des Hochmittelalters, über das ich jetzt reden will,

wie weit konnte man sich intellektuell auf den Islam einlassen?

Da ist auf der einen Seite klar Konkurrenz, Antagonismus, Frage, kann es trotzdem partielle Gemeinsamkeiten geben?

Kann es eine sozusagen gemeinsame Ebene geben, auf der man sich ungeachtet der verbleibenden religiösen Differenzen dennoch verständigen kann?

Manche sagen nein, entschieden ist nein, manche sagen ja, andere sagen vielleicht. Aber es bleibt sozusagen eine Frage.

Hinzu kommt, dass im Islam das Erbe der Antike auch stärker wieder präsent wird und vor allem das Erbe des Aristoteles.

Also man hatte im weströmischen Reich vom Werk des Aristoteles nur Bruchstücke übrig.

Und jetzt über die Muslime, die ja eben in Teilen Europas auch präsent sind, kommen andere Texte des Aristoteles wieder sozusagen an die Oberfläche, tauchen wieder geradezu auf.

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:50:28 Min

Aufnahmedatum

2020-10-15

Hochgeladen am

2020-10-21 11:45:14

Sprache

de-DE

Mittelalter

Tags

Mittelalter
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