8 - Ein neu zu entdeckender Meister - Zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums (1984) von Heinrich von Herzogenberg (1843 - 1900)s (1894) von Heinrich von Herzogenberg (1843-1900) [ID:1685]
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Der Auftraggeber Friedrich Spitta wünschte ein mit den einfachsten Mitteln ausführbares Werk,

das prinzipiell für jeden Kirchenchor machbar sein müsste, um gerade so das Niveau der kirchenmusikalischen

Basisarbeit in der Breite zu heben. Herr Zogenberg hatte in der hohen Kunst seiner

E-Moll-Messe den vollen symphonischen Apparat aufgeboten, bis hin zu Kontrafagott und

Bastuba. Jetzt sollte er für einfache Verhältnisse schreiben, mit dem Harmonium als Grundinstrument,

schlicht und einfach deshalb, weil es damals als transportables Begleitinstrument überall zu

haben war. Ich denke, dass ich Ihnen im Folgenden den Nachweis führen kann, dass sich Herr Zogenberg

gerade in solcher Beschränkung als Meister zeigt. Wir wenden uns dem Anfang des ersten Chorstücks

zu. Der erste der drei Teile des Oratoriums ist der Adventsthematik gewidmet. Warten auf das

Kommen des Heilandes, warten darauf, dass die Verheißungen Gottes durch die Propheten endlich

in Erfüllung gehen. Diese gespannte Atmosphäre des Wartens ist in der Musik eingefangen. Ein

dynamisch ganz verhaltener Beginn, Sie sehen die Vorschrift Pianissimo, aus der Tiefe im Po

steigend, wie das sich Aufrichten eines Menschen. Dynamisch aufblühend dann später bei dem

gewissheit ausstrahlenden Wort Hoffnung. Beachten Sie die vielen gleichen Noten des Soprans, hier

immer fiss, Fixierung auf einen Ton als Ausdruck des beharrlichen Wartens. Das Wort harren mit einer

langen Vierschlagnote. Es gibt im Folgenden längere und heikel zu singende A-Capella-Passagen des Chores.

Die Choristen sind sozusagen allein gelassen. Sie müssen warten auf den nächsten Einsatz der

Instrumente und hoffen, dass sie dann noch auf der richtigen Tonhöhe sind. Eine gekonnte Darstellung

adventlichen Wartens. Sie dürfen jetzt wieder Musik hören.

Am Ende steht ganz bewusst eine hohle Quinte, Quinte, H, Fiss vom Chor als Formate gehalten. Auf die

Erfüllung des Akkordes mit der entscheidenden Terz muss man noch warten. Das Tonbeispiel stammt,

wie auch alle Folgenden von unserer Nürtinger Aufführung des Werks 1994, also genau 100 Jahre

nach der Uraufführung. Es entspricht der Grundidee des Werkes, die authentische Atmosphäre einer

Aufführung mit Leihenkräften in Chor und Orchester einzufangen, anstelle der irrealen Konstellation

bei einer CD-Produktion. Es gibt eine einzige CD-Einspielung dieses Werks aus Berlin, die mit

Herzogenberg außer den korrekten Noten nicht viel zu tun hat. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit noch auf

das Anfangsmotiv in den Instrumenten lenken. Hier unten im Violoncello. Es ist ein ganz schlichtes

Motiv, das den Quintraum als elementarsten musikalischen Spannungsraum durchschreitet und

so eine Grundspannung aufbaut. Sie können an dieser Stelle keinen motivischen Zusammenhang mit

den Chorstimmen erkennen. Als motivischer Gegenpol folgt hier in Tag 7 in umgekehrter Richtung von

den hohen Instrumenten nach unten führend sozusagen der Abgesang. Und hier diese Stimmen imitieren das

nach in der tieferen Oktave. Bei der Hoffnung, und ich hoffe auf sein Wort, bringen die Instrumente die

wörtliche Umkehrung dieses Abgesangs. Vorher hieß es nur nur nur nur, jetzt heißt es nur nur nur nur.

Umkehrung in inhaltlicher Bedeutung, Hoffnung nehme ich als Umkehr nach oben. Dynamisch noch

hervorgehoben durch dieses crescendo und sogar ein forzato Akzent. Als nächstes Klangbeispiel hören

Sie jetzt einen Chorsatz ein paar Seiten weiter, der Ihnen die Herkunft dieser Motivik verrät.

Fünfte Strophe des Liedes O Heiland reißt die Himmel auf, die Melodie liegt im Alt der Chorstimmen.

Dieses Lied ist Leitfaden im ersten Teil des Oratoriums und darum als Motivlieferant gewählt.

Sie haben hier nur nur nur nur und hier nur nur nur nur nur nur nur nur nur ist vorher die Fortsetzung.

Inhaltlich geschieht hier folgendes, nacheinander treten im ersten Teil des Oratoriums vier männliche

Solisten als alttestamentliche Propheten auf, die die Weissagungen Gottes formulieren. Der Chor

respondiert darauf jeweils mit einer Strophe dieses Adventsliedes. Spitter hat bei der Auswahl der

Strophen auf direkte textliche Referenzen geachtet und verfährt in der Reihenfolge frei. Zunächst

kommt die sechste Strophe, hier leiden wir die größte Not, dann diese fünfte Strophe mit dem

Licht als Antwort auf die Verheißung vom aufgehenden Stern über Jakob, schließlich Strophe 3,

o Erdschlag aus Schlag aus o Erd. Herzogenberg lässt in der musikalischen Umsetzung die Melodie

von Satz zu Satz wandern, in der ersten Strophe liegt sie im Sopran, dann hier im Alt, schließlich

im Tenor. Der noch fehlende Bass Cantus Firmus findet sich dann beim nächsten Chorsatz zu einem

anderen Lied. Sicher hat Herzogenberg bei Bach gelernt, dass die Lage eines Cantus Firmus symbolische

Bedeutung hat. In diesem Absteigen der Hauptstimme vom Sopran zum Bass spiegelt sich das Zurwäldkommen

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Konrad Klek Prof. Dr. Konrad Klek

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:21 Min

Aufnahmedatum

2000-01-27

Hochgeladen am

2018-06-20 12:36:23

Sprache

de-DE

Tags

Collegium Alexandrinum Kirche Kirchenmusik Klek Weihnachtsoratorium Herzogenberg
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