Ja, dann begrüße ich Sie oder Euch recht herzlich zu später Stunde.
Freue mich, dass ich hier auch mein Fach, die Geografie, im Rahmen der Medienbildung vorstellen darf.
Ich möchte es nicht so generell machen, sondern exemplarisch an eine Diskussion,
die unser Fach im Moment sehr stark umtreibt, nämlich die neue Kulturgeografie.
Das ist vielleicht die stärkste Diskussion seit 40 Jahren, die die Geografie durchmacht.
Und es geht darum, dass Räume nicht mehr sind, sondern Räume gemacht werden.
Sprich, wie werden Räume über Sprache, über Medien, über Wahrnehmung konstruiert im Kopf?
Die Diskussion ist schon länger, ist aber sehr stark durch den 11. September inspiriert worden.
Der 11. September, so tragisch er auch ist, ist ein schönes Beispiel für die neue Kulturgeografie.
Die Terroristen hatten ja nicht das Ziel, einen möglichst großen materiellen Schaden anzurichten
oder möglichst viele Menschen umzubringen.
Dann hätten sie das Flugzeug wahrscheinlich in ein Atomkraftwerk gesteuert,
was deutlich einfacher gewesen wäre als über den Luftraum New York.
Die Terroristen haben ganz klar auf Raumsymbole gesetzt.
Das heißt, die haben das World Trade Center angegriffen,
also sozusagen das Symbol des Welthandels.
Sie haben das Pentagon angegriffen als räumliches Symbol der Verteidigung.
Und sie wollten mit dem dritten Flugzeug das Weißhaus angreifen,
als räumliches Symbol der politischen Macht.
Und dabei haben sie in sehr übler, aber guter Weise im Sinne ihrer Anliegen die Medien genutzt.
Denn sie haben sehr wohl kalkuliert, dass die beiden Flugzeuge nicht gleichzeitig einschlagen,
sondern das erste Flugzeug ist eingeschlagen und dann hat 20 Minuten gedauert
und die ganze Welt ist sozusagen live auf Sendung gewesen, als der eigentliche Terroranschlag dann begann.
Die Amerikaner wiederum haben genau im gleichen Schema geantwortet.
Die haben nämlich sich überlegt, wie reagieren wir?
Sie haben die Polemik von Huntington genommen, Sie kennen das, der Kampf der Kulturen,
etwas, was in der deutschen Geografie in den 70er Jahren diskutiert wurde und als nicht sinnig verworfen wurde,
was uns alle sehr überrascht hat, dass es dann die Amerikaner so viel später wieder aufgegriffen haben.
Und haben in Think Tanks, in der Politik, sich überlegt, wie können wir auch politisch darauf reagieren?
Und haben das sehr stark mit raumbezogener Sprache gemacht.
Sie haben so etwas gemacht, wie sich überlegt, wie Schurkenstaat.
Wenn Sie heute an den Iran denken, wenn Schüler heute an den Iran denken, denkt keiner etwa an eine persische Hochkultur.
Dann Iran assoziiere ich sofort Mullah-Regime, Terror, Atomwaffe, Krieg.
Schurkenstaat ist ein Beispiel, ein anderes Beispiel ist Achse des Bösen.
Woran denken wir, wenn wir Libyen hören, wenn wir Irak hören, wenn wir Iran hören, wollen wir Nordkorea hören?
Fällt uns da noch irgendwas anderes zu ein?
Drittes Beispiel, die Länder, die damals nicht am Irakkrieg teilgenommen haben in Europa, waren auf einmal das alte Europa.
Das heißt, die haben Raumkonstruktionen erschaffen durch Sprache,
die Medien haben die sehr stark aufgegriffen und die Zuschauer sehr stark rezipiert.
Also Achse des Bösen ist bei uns im Wortschatz drin und jeder weiß, was damit gemeint ist.
Das hat letztlich dazu geführt, dass auch Kriege in gewissem Maße legitimiert wurden, weil man immer die Vorstellung hat, dass da das Böse zu Hause ist.
Das hat in der Geografie dazu geführt, dass wir stärker uns mit solchen Fragestellungen beschäftigt haben.
Nicht mehr wie hier sind Räume, sondern wie werden Räume medial konstruiert und dann nachher auch von dem Zuschauer rezipiert.
Also wir haben uns im Sinne eines Cultural Turns, also einer Wendung der neuen Kulturgeografie, mit so etwas beschäftigt wie Symbolisierung,
auch Symmiotic Turn genannt, Sprache, Linguistik Turn, Repräsentation.
Also wie werden Orte dargestellt, wie werden Regionen dargestellt, wie werden Länder dargestellt, wie entstehen solche Raumkonstruktionen im Kopf
und welche Folgen hat das wiederum auf dem physisch-materiellen Raum.
Ich möchte das an vier Begriffen festmachen, dieser Cultural Turn.
An der Ontologie, an der Epistemologie, an neuen Inhalten in der Geografie und logischerweise auch an neuen Methoden.
Bei der Ontologie geht es um die veränderte Grundannahme über die Struktur der Realität.
Presenters
Prof. Dr. Rainer Uphues
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:06:54 Min
Aufnahmedatum
2011-01-10
Hochgeladen am
2018-05-05 10:30:23
Sprache
de-DE
Räume sind nicht, Räume werden medial gemacht!