Ja, danke schön. Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Ich habe die etwas undankbare
Aufgabe, Sie jetzt sozusagen vor dem Spiel noch mit Wissenswertem zu quälen. Oder nicht so
Wissenswertem, ich werde so einen kleinen Parforce-Ritt durch die mittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Spiele machen. Das dauert so zwischen 30 und 40 Minuten. Das hängt so ein
bisschen davon ab, wie schläfrig Sie blicken. In jedem Fall mache ich dann eben schneller oder
langsamer. So, und ich hoffe, Sie dürfen natürlich dann hinterher auch Fragen stellen und wir werden
dann auch die meisten Spiele zusammen ausprobieren können. Ich fange mal mit einem ganz berühmten
Bild an. Peter Bräuchels Kinderspiele. Das ist natürlich jetzt schon relativ spät für unsere
Zeit, um die es heute geht. Und ich werde auch gar nicht näher darauf eingehen, aber was man an
diesem Bild erst mal sofort sehen kann, viele von Ihnen werden das bestimmt auch schon mal in
besser belichteter Qualität gesehen haben, ist erst mal, dass Kinderspiele eigentlich in der ganzen
Formel-Danne keine Kinderspiele sind, sondern gleichermaßen auch von Erwachsenen gespielt
werden. Es gibt keine Trennung. Das gilt auch für die Brettspiele, mit denen wir uns heute
beschäftigen werden. Also es gibt keine klare Ausdifferenzierung zwischen Spielen für kleinere
Kinder oder für Erwachsene. Die spielen im Grunde dasselbe. Was man an diesem Bild auch sehen kann,
zumindest die Älteren von uns, wo ich mich auch dazu zählen würde, ist, dass sich viele Spiele
gar nicht so sehr verändert haben, denn wir würden vieles, zumindest wie gesagt, die Älteren
wiedererkennen, was wir auch in unserer Jugend gespielt haben. Schlittschuhlaufen und Stelzen laufen
und alles Mögliche, was hier zu erkennen ist, sind Spiele, die man auch eben viele, viele hundert
Jahre später immer noch betrieben hat. Und auch das werden wir sehen, ist bei den Brettspielen
quasi im Grunde dasselbe. Gerade hat ja Laura Kneppel schon gesagt, auf so ein bisschen mein
Schwerpunkt in der Forschung ist die didaktische Nutzung von Spielen. Deshalb mache ich immer so
erst mal die mittelalterlichen Spiele, die Alltagsspiele und die extra didaktisch entworfenen
und dasselbe dann noch mal für die Spiele der frühen Neuzeit. Ganz viel vom Spielen findet und
das verblüfft manchen Menschen immer so ein bisschen erst mal in Klöstern statt. Viele haben
immer so ein dunkles Mittelalterbild im Auge, so freudlos, die Kirche hat das Lachen unterdrückt
und so und tatsächlich sind ganz viele Spiele in Klöstern entwickelt worden. Warum ist das so? Weil
man schon sehr sehr früh erkannt hat in den Kloster Schulen, dass Spielen wichtig ist und
förderlich für die Kinder. In den Kloster Schulen waren ja auch relativ junge Schüler da und die
Äppte haben seit dem neunten Jahrhundert in den Kloster Statuten auch vermerkt, dass man Spielzeiten
einräumen muss, damit die Kinder einfach mal aus der Unterrichtsstube rauskommen und was anderes
tun, Spaß haben. Das hat man festgestellt, das ist nämlich Konzentrationsfördern und ist auch ganz
gut für den Körper, wenn man zwischendurch mal rennen, laufen und so weiter kann. Also erst mal
vor allem Bewegungsspiele. Man hat dann aber auch festgestellt, das tut auch den Erwachsenenmännchen
ganz gut, wenn die den ganzen Tag in der Schreibstube sitzen, wenn die zwischendurch mal was anderes
machen und vielleicht waren aber auch schon Ältere dabei, die nicht mehr so gerne gerannt sind oder
nicht mehr rennen konnten und dann hat man auch quasi in den Klöstern immer mehr Brettspiele und
solche Sachen eingeführt. Also einfach Erholungszeiten und das ist sozusagen der Beginn auch, wo wir
erst mal überhaupt ja Funde von Spielen haben aus der Mittelalterzeit, denn die textlichen
Quellen, mit denen ich mich hauptsächlich beschäftige, die kommen immer alle erst sehr viel später.
Wir haben aus den Klöstern vor allem Latrinenfunde, das heißt hunderte von Murmeln, die in
irgendwelchen alten Quasi Abortgräben gelegen sind und wir haben sehr oft eingeritzt in Bodenfliesen
von Kreuzgängen, wenn Sie das nächste Mal in Kreuzgänge kommen, prüfen Sie mal. Ja, wahrscheinlich
Mühlebretter, also es gab Mühle im Mittelalter. Was man mit diesen Brettern gespielt hat, wissen wir
nicht. Also wir haben nur das Brett, wir wissen nicht mal wirklich, ob darauf gespielt wurde am Anfang,
irgendwann schon, aber ob das für das neunte oder zehnte Jahrhundert schon galt, ist schwer zu sagen.
Das liegt nämlich daran, dass Spielanleitungen immer sehr sehr spät tradiert werden und wenn Sie sich
daran erinnern, wie Sie Ihre ersten Spiele gelernt haben, dann wahrscheinlich auch nicht mit der
Spielanleitung. Man sitzt ja nicht als Kind da und liest nach, wie Mensch ärgere dich nicht geht,
sondern Mama, Papa, Oma, Opa, Freunde erklären einem, wie es geht. Das ist deshalb natürlich so,
Presenters
Dr. Björn Reich
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:35:29 Min
Aufnahmedatum
2025-06-26
Hochgeladen am
2025-07-08 15:06:05
Sprache
de-DE
Beschreibung
Die technischen Errungenschaften des Mittelalters sind heute so selbstverständlich in unseren Alltag integriert, dass wir sie gar nicht mehr als solche wahrnehmen. Das gilt nicht nur für Brille, Fensterglas oder Kaminheizung, sondern auch für die Spiele jener Zeit, die auch heute noch Teil unserer Kultur sind, wie etwa Schach, Dame, Mühle oder das im 15. Jahrhundert überaus beliebte Gänsespiel. Diese Spiele wurden nicht nur gespielt, sondern auch im Unterricht eingesetzt oder in Predigten gedeutet. Sie galten als Abbilder der Welt und machten so die Welt erfahrbar. In einem kleinen Vortrag gibt Dr. Björn Reich einen Überblick über die vormodernen Spiele und ihre didaktische Verwendung, danach besteht die Möglichkeit, selbst zum Würfelbecher zu greifen und verschiedene Spiele auszuprobieren, darunter z. B. Schachvarianten, die mit Würfeln und bis zu vier Personen gespielt wurden.