Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Matthias Fifka ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Sein Schwerpunkt ist die Unternehmensethik. Um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden,
fordert er neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist ihm dabei besonders wichtig.
Ich möchte heute der Frage nachgehen, handelt es sich bei dieser Finanz- und Wirtschaftskrise um ein systemisches oder ein moralisches Problem.
Ist es eher der Marktwirtschaft als System geschuldet, die wir in der Marktwirtschaft vorfinden,
oder liegt es eher darin, wie diese Marktwirtschaft interpretiert wird, wie sich Menschen in diesem System verhalten?
Wäre es dann eher ein moralisches Problem?
Ich möchte vorausschicken, ich werde mich bei der Finanz- und Wirtschaftskrise in allererster Linie,
ich will mal sagen auf die Mutter aller Krisen konzentrieren, das heißt auf die Finanz- und Wirtschaftskrise,
die in den USA 2006, 2007 ihren Ursprung hat. Ich werde weniger auf die Euro-Krise an sich eingehen,
weil das in allererster Linie eine Krise ist, die dem Strukturproblem oder den Strukturproblemen der Europäischen Union geschuldet ist.
Vor diesem Hintergrund habe ich folgende knappe Gliederung vorbereitet.
Ich möchte zunächst mal den historischen Verlauf der Wirtschafts- und Finanzkrise kurz beleuchten,
weil das natürlich dann auch die Grundlage für die eigentliche Analyse darstellt, die soll dann eben sein,
die Ursachen dieser Krise zu erforschen, ist es eine Krise der Moral oder eine Krise des Systems
und werde dann mit einem kurzen Fazit schließen.
Zunächst mal zur historischen Entwicklung. Wenn man über Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen spricht,
ist es nicht immer ganz einfach zu entscheiden, wo man ansetzt, weil hier natürlich in aller Regel ein gewisser Vorlauf gegeben ist.
Das heißt, ich muss häufig auch Ursprünge betrachten, die schon weiter zurückliegen.
Und so ist es sicherlich auch bei dieser Wirtschafts- und Finanzkrise der Fall gewesen.
Ich denke, es gibt hier zwei entscheidende Punkte. Zum einen wird in den 90er Jahren in den USA im Finanzbereich sehr stark dereguliert,
erstaunlicherweise unter einem demokratischen Präsidenten, Bill Clinton.
Die Demokraten sind ja eigentlich eher die Partei, die für staatliche Eingriffe in die Wirtschaft stehen.
Er ist eben aber auch der Überzeugung, und das ist auch die Motivation für diese Deregulierung,
dass man durch noch mehr Freiheit für die Wirtschaft auch noch ein noch höheres Wirtschaftswachstum erzielen kann.
Ganz maßgeblich ist hier die Abschaffung des Trendbankensystems in den USA durch ein Gesetz, das im Jahr 1999 verabschiedet wird,
der sogenannte Gramm-Leach-Blyley Act.
Und da hebt man dieses Trendbankensystem, das die USA seit Mitte der 30er-Jahren hatten, auf.
Was war dieses Trendbankensystem?
Das Trendbankensystem hat rigoros Unterschiede in Geschäftsbanken und in Investmentbanken,
so wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley. Das sind die typischen Investmentbanken, die sie alle kennen.
Die Geschäftsbanken waren für das Alltagsgeschäft da, das heißt, dort hat man seine Überweisungen getätigt,
vielleicht auch Geld auf dem Sparbuch sozusagen angelegt,
und bei den Investmentbanken hat man dann ausschließlich Wertpapiergeschäfte tätigen dürfen.
Und diese Systematik, die aus der Great Depression hervorgeht, Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre in den USA,
diese Systematik hebt man auf, und nun bekommen die Banken, vor allem auch die Investmentbanken, mehr Spielraum.
Das heißt, sie dürfen jetzt Bankgeschäft tätigen, das sie vorher nicht tätigen durften.
Das ist also der eine Punkt, den man im Hinterkopf behalten sollte.
Man erweitert den Handlungsspielraum für die Akteure im Finanzbereich.
Der zweite wichtige Punkt, die US-Notenbank betreibt ab Ende 2001 eine Niedrigzinspolitik.
Das können Sie an der Balkengrafik sehr schön sehen, wie dort der Light-Zinssatz,
den die FED, die amerikanische Zentralbank, festlegt, sehr, sehr stark und auch schnell nach unten geht.
Warum macht die FED das? Das ist eine sehr natürliche Reaktion einer Zentralbank, die wir hier sehen.
Wir haben ab 2001 in den USA eine Wirtschaftskrise, die ist zwei Faktoren geschuldet.
Zum einen, einige von Ihnen können sich vielleicht noch erinnern an das Platzen der Dotcom-Blase im März 2000,
da sich viele dieser jungen Internetunternehmen als substanzlos erweisen und bedingt durch diesen Crash an der Börse
leidet dann auch die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit.
Und wir haben natürlich auch die Anschläge vom 11. September 2001, die dann zu dieser Krise führen.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:47:40 Min
Aufnahmedatum
2014-11-05
Hochgeladen am
2015-10-05 14:11:45
Sprache
de-DE
Der Vortrag geht der Frage nach, ob die Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Welt seit 2007 beschäftigt, auf Fehler im Wirtschaftssystem an sich und den regulativen Rahmenbedingungen oder auf moralisches Fehlverhalten der Akteure zurückzuführen ist. Die Analyse zeigt, dass es im Vorlauf zur Krise zu Deregulierungen gekommen ist, die den Akteuren im Finanzmarkt zu viel Spielraum eingeräumt haben, der missbraucht wurde. Eine erneute Verschärfung der Regulierung wird das Problem jedoch nicht alleine lösen, da es immer Akteure geben wird, die bestrebt sein werden, gesetzliche Vorgaben zu umgehen. In einer globalisierten Welt ergeben sich dafür zahlreiche Möglichkeiten. Von daher ist auch ein Umdenken notwendig, das zum einen darin liegt, dass die Marktwirtschaft nicht als Vehikel verstanden werden sollte, das zur Erzielung von Profit auf dem Rücken anderer dient. Zum anderen sollte realisiert werden, dass die Ausschöpfung und Umgehung von Regeln erstrebenswert ist. Auch die Ausbildung an Hochschulen kann zu einem solchen Umdenken einen Beitrag leisten.