Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
So meine Damen und Herren, ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Vortragsveranstaltung
im Rahmen der Universitätsring-Vorlesung Arabischer Aufbruch 2011. Die vorletzte
Veranstaltung mit dem Kollegen Professor Dr. Reza Hajatpur, der seit diesem Semester ganz neu an
unserem ebenso neu gegründeten Department für Islamisch-Religiöse Studien, den Lehrstuhl für
Islamische Systematische Theologie. Theologie dürfen wir nicht sagen. Es ist relativ kompliziert,
begrifflich, aber wir sagen andere Sachen und meinen Theologie. Wir reden von Studien und meinen
Theologie, stimmt's? Genau, systematischer Schwerpunkt. Wir sind froh, dass wir Herrn
Hajatpur für diese Professur oder diesen Lehrstuhl gewinnen konnten, weil er in Erlangen auch kein
ganz Unbekannter war. Er hat nämlich vorher in Bamberg unterrichtet und wir haben ja eine
sehr enge Kooperation mit Bamberg, auch in der Durchführung des Bayerischen Orientkollokiums.
Aber er ist kein gebürtiger Bamberger, wenn man so sagen kann. Er ist nämlich im Iran geboren,
1958 im Nordiran, hat dann im Iran auch noch studiert, in Rom, hat da eine veritable
islamische Theologieausbildung tatsächlich genossen, hat auch ein theologisches Seminar
gearbeitet, ist dann aber nach der Revolution in den 80er Jahren, hat in Iran verlassen,
ist nach Deutschland gegangen und hat in Deutschland noch mal von der Pike auf,
würde man auf Deutsch sagen, also von Anfang an noch mal studiert Islamwissenschaft,
Iranistik in Heidelberg, stimmt's? Nee, in Bonn, Heidelberg, Bonn und hat habilitiert in Bamberg
bei dem Professor für Iranistik und Islamkunde, Herrn Professor Fragner und hat dort eben als
wissenschaftlicher Assistent mitarbeiter lange Zeit gearbeitet, daher kennen wir uns. Seine
Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Theologie, aber auch der Philosophie,
die im Islam teilweise ja auch sehr eng miteinander verschränkt ist. Themen sind Menschenbild im
Islam, islamische Mystik, islamische Philosophie, Philosophie der Menschenrechte, philosophische
Ethik und Dialogphilosophie und Dialogtheologie, das geht teilweise von historischen Studien bis
zu sehr aktuellen Reflektionen Islam und säkularer Staat und so weiter. Was er heute präsentiert ist
nicht Teil seiner Forschung, sondern eher Teil seiner Biografie, wie man schon fast erraten konnte,
er hat seine Autobiografie, das darf ich auch sagen, im Söhrkampferlag publiziert unter dem Titel
der Geschmack der Freiheit, der brennende Geschmack der Freiheit, was allen sozusagen zur Lektüre
empfohlen ist und vor diesem Hintergrund, also seiner persönlichen biografischen Erfahrung haben wir
ihn dann eben auch gebeten, sich hier der akademischen Öffentlichkeit und der breiteren
Öffentlichkeit vorzustellen und sich einzubringen in diese Ringvorlesungen zum arabischen Aufbruch
und diese Erfahrung oder den Konnex zwischen der iranischen Revolte oder der iranischen Revolution
von 2008 und der arabischen Revolte von 2011 herzustellen. Ich freue mich, dass du überhaupt hier bist,
Reza, gute Zusammenarbeit gehabt in den letzten Monaten und in Zukunft wird zu bleiben.
Erstmal die Halskette hängen. Vielen herzlichen Dank, liebe Christo, für die freundliche Einführung.
Meine sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte zunächst mit einem Zitat von Albert Camus anfangen,
mit dem er sehr gut das Wesen der Revolte beschreibt. Der Mensch ist das einzige Geschöpf,
das sich weigert, das zu sein, was es ist. Dieser Satz von Albert Camus erklärt einen Diskurs der Revolte,
der nicht unbedingt die Logik der Geschichte entspricht. Der Widerstand des Menschen gegenüber
den Systemen hat in der Geschichte immer wieder den Blick auf die wahre Natur des Menschen und die Substanz
seiner Revolte gegen die bestehenden Ordungen, zu denen auch der revoltierende Mensch gehört, verändert.
Die Logik, sein Leben der Gefahr auszusetzen und den Gehorsam gegenüber einem System zu verweigern,
ist für Michel Foucault, den französischen Philosophen, nicht erklärbar. Foucault hält jede Form
von Widerstand für gerechtfertig, denn, und das geht aus seinem moralischen Blickwinkel hervor,
denn jeder Widerstand sei eine Art Widerspenstigkeit gegenüber einer bestehenden Macht.
Und diese, also die Macht per se, ist schlecht. So gesehen ist jede Revolte, wie auch immer sie später
in der Geschichte beurteilt wird, mit einer Erwartung verbunden, die nach einer Verbesserung des
gesellschaftlichen Umstands strebt. Victor Hugo war der Meinung, dass die Revolutionen ein ewiges Gutes
in ihrem vorübergehenden Schlägten haben. So habe der Sturz des Königs durch die französische Revolution
auf lange Sicht eine Veränderung bzw. Verbesserung der Gesellschaft herbeigeführt, auch wenn der Sieg der Revolution
Presenters
Dr. Reza Hajatpour
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:28:35 Min
Aufnahmedatum
2013-01-23
Hochgeladen am
2013-02-07 11:52:04
Sprache
de-DE
Seit Jahrzehnten suggeriert das klerokratische System im Irannach außen hin demonstrativ das Erscheinungsbild, die revolutionären Eliten und das Volk stünden geschlossen hinter der Führung und seiner kompromisslosen Politik. Mit der Wahl Ahmadinejads zum Präsidenten im Jahr 2005 hatten die revolutionären Protagonisten gehofft, diese vermeintliche Einheit aufrecht erhalten zu können. Am meisten versprach sich davon die oberste geistliche Führung der Islamischen Republik, Ali Chamenei, mit dem Ziel, seine angeschlagene Autorität zu stärken.
Die Massenproteste im Juni 2009 nach der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinejads und die Entstehung einer neuen Bewegung, die sich der „Grüne Weg“ nennt, zeigen die tiefe Unzufriedenheit, vor allem der jungen Generation, mit dem System in Teheran. Im Jahr 2011 wurde im Nahen und Mittleren Osten eine Protestwelle ausgelöst, die die Welt und die Arabische Bevölkerung selbst überrascht hat. Die Wurzel dieses Umbruchs ist allerdings eine verschleierte Krise, die seit Jahrzehnten die islamische Welt begleitet.
Die Ähnlichkeit der Massenprotestbewegungen in Tunesien und Ägypten mit der im Iran ist verblüffend, und es ist sicherlich nicht falsch, wenn man die Bewegungen in Tunesien und Ägypten als „Nachbeben“ der Proteste gegen Ahmadinejad bezeichnet. Der Nahe und Mittlere Osten befindet sich in einer Krise und steht vor einem radikalen Wandel. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Vorlesung anhand der Veränderungen des politischen und religiösen Klimas im Iran die Vorgeschichte einer Revolte, die kaum jemand erwartet hat.