10 - Anwendung der Knochendistraktion bei verschiedenen Gesichtsfehlbildungen im Wachstumsalter [ID:1699]
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Was ist denn das überhaupt, diese Knochendistraktion und wozu dient sie überhaupt? Sie dient dazu,

einen zu kurzen Knochen zu verlängern und dabei auf aufwendige Knochentransplantation,

also Knochenverpflanzung zu verzichten. Zunächst wird eine Ostiotämie durchgeführt, das heißt,

dass der Knochen, der zu verlängern, der verlängert werden soll, in seiner Kontinuität durchtrennt wird,

wie bei einer Fraktur, die artificiell oder beim Fußballspielen zum Beispiel dann auftritt.

Wir warten dann ungefähr eine Woche ab, die sogenannte Latenzperiode. In dieser Zeit füllt sich

der Frakturspalt oder der Ostiotämiespalt mit Blut. Dieses Hematom wird von Gefäßen erschlossen

und Bindegewebszellen, die Knochenvorläuferzellen darstellen, proliferieren. Anschließend wird dann

mit einem Distraktor dieser Art zum Beispiel die Knochendehnung durchgeführt. Das ist hier ein

Distraktor mit einer Spindelmechanik, der uns erlaubt dann, 1 mm am Tag im Schnitt ungefähr den

Knochen zu verlängern. Wenn wir dann das Endergebnis erreicht haben von sagen wir mal 1, 2 oder auch 3

Zentimeter im Kiefergesichtsbereich, warten wir ab. Diese Konsolidierungsperiode dauert ungefähr 6

bis 8 Wochen. Anschließend wird der Distraktor entfernt und der Knochenumbau mit einer Wiederherstellung,

auch der Struktur des Knochens findet statt, wobei das ein bis zwei Jahre dauert, der Patient davon

aber nichts merkt. Ist diese Distraktion neu? Nein, neu ist sie nicht. Bereits 1905 hat der italienische

Chirurg Kodivia dieses Verfahren beschrieben und Sie sehen rechts aus der Originalpublikation eine

entsprechende Abbildung, die natürlich heute archaisch anmutet. Wir haben natürlich heute ganz

andere Techniken mit denen wir vorgehen, aber das Prinzip, das Kodivia 1905 beschrieb, gilt auch

heute noch. Elisarov gebührt das Verdienst diese Technik der Distraktion wiederentdeckt zu haben und

auf wissenschaftliche Füße gestellt zu haben. Während im Mundkiefer- und Gesichtstheorischen

Bereich der New Yorker MacCarthy Vorreiter war und dieses Verfahren in unserem Bereich etablieren

konnte und im deutschsprachigen Bereich verschiedene Arbeitsgruppen, unter anderem auch Klein und

Hovold, das Verfahren in Deutschland hoffähig machten. Sie sehen rechts Elisarov, der sich für seine

Verbannung nach Kurgan in Sibirien eigentlich dadurch rechte, dass heute ihn jeder kennt durch seine

Arbeit zur Distraktion im traumatologischen und orthopädischen Bereich, während diejenigen, die ihn

damals verbannt haben, natürlich nicht mehr bekannt sind. Dieser Ringfixateur, den er schon in den

50er Jahren beschrieb und natürlich dann weiter modifiziert, aber es gelang ihm an mehreren hunderten

von Patienten die Distraktion, also die Knochenverlängerung, ohne Transplantation von

Knochen durchzuführen. Nun werden Sie fragen, wann hat dieses Verfahren in der Mundkiefer- und

Gesichtstheorologie Sinn, wann sollen wir dieses Verfahren anwenden? Wir haben das hier in drei

Altersstufen aufgeteilt, in das Säuglingsalter, das Wachstumsalter und das Erwachsenenalter.

Im Säuglingsalter distrahieren wir dann den Unterkiefer insbesondere, wenn eine akute

Atemwegsobstruktion vorliegt. Sie wissen, dass die Zunge einen komplizierten Aufhängungsmechanismus

aufweist, der an der Innenseite des Unterkiefers endet. Und wenn der Unterkiefer zu weit zurück

liegt, liegt natürlich auch die Zunge zu weit zurück und das führt dazu, dass es ein Kollaps

der Zunge in den Rachenraum, zu einem Kollaps in den Rachenraum führen kann. Und das führt

natürlich dann zu einem Verschluss der Atemwege. Ein ähnliches Mechanismus wie auch bei der Schlafabknühe.

Das ist eine Indikation zur Distraktion, auch in diesem frühen Alter, um einen Luftröhrenschnitt,

eine sogenannte Tracheotomie vermeiden zu können, in bestimmten Fällen. Eine Hauptindikation zur

Distraktion sehen wir im Wachstumsalter heute bei Kindern, die eine Unterentwicklung des

Unterkiefers und des Mittelgesichtes aufweisen und natürlich auch eine Indikation im Erwachsenenalter,

wenn Teil- oder auch komplette Unterentwicklungen des Ober- oder des Unterkiefers vorliegen, sei es

nun anlagebedingt, traumabedingt oder auch tumorbedingt. Wir sehen hier jetzt einen Säugling,

unten kurz nach der Geburt, Sie sehen noch die Nabelschnur, die hier abgeklemmt wurde und was

auffällt ist dieser Schlauch, der durch die Nase führt und kein Ernährungsschlauch darstellt, sondern

ein sogenanntes Tubus ist. Hiermit wird das Kind beatmet. Es war also unmittelbar nach der Geburt

nicht in der Lage selbst Luft zu holen. Woran lag es? Sie sehen hier rechts die Computersimulation

eines Computertomogramms des Kindes in einer 3D-Simulation und es fällt auf, dass der Oberkiefer,

den Sie hier sehen, richtig steht, aber der Unterkiefer deutlich zu klein und unterentwickelt ist.

Das Kiefergelenk hier ist angelegt, aber der Unterkiefer ist sehr sehr kurz. Sie sehen es hier,

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Jörg Wiltfang Prof. Dr. Jörg Wiltfang

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:27:46 Min

Aufnahmedatum

2000-07-13

Hochgeladen am

2018-06-20 12:20:00

Sprache

de-DE

Tags

Wachstum Collegium Alexandrinum Chirurgie Knochendistraktion Gesichtsfehlbildung Wiltfang
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