Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Wie Sie gehört haben, es geht heute um den Mindestlohn und wie Sie sicherlich wissen,
ist es so, dass die neue Bundesregierung vor wenigen Wochen einen Gesetzesentwurf
vorgelegt hat, der vorsieht, dass ab Januar 2005 ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn
in Höhe von 8,50 Euro eingeführt werden soll. Dieser Mindestlohn sieht auch gewisse Ausnahmen vor,
auf die ich später noch zurückkommen werde. Aus meiner Sicht ist dieses Thema ganz besonders
interessant, denn wenn Sie sich die Debatte in den letzten Jahren anschauen zum Mindestlohn,
so finden Sie sehr kontroverse Aussagen, auch von sehr vielen Ökonomen und Ökonomen. Und ich möchte
Ihnen das mal illustrieren an zwei Ergebnissen von Forschungsinstituten, nämlich zuerst das
Prognos-Institut. Das Prognos-Institut hat im Jahr 2011 eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ewert-
Stiftung vorgelegt und macht folgende Aussagen. Der Mindestlohn von 8,50 Euro würde eine Gehaltserhöhung
für rund 5 Millionen Arbeitnehmer bedeuten und der Mindestlohn von 8,50 Euro würde zusätzliche
staatliche Mehreinnahmen in Höhe von rund 7 Milliarden Euro bringen. An diesen beiden Aussagen sehen
Sie, dass der Mindestlohn rund um positiv beurteilt wird, also mehr Staatseinnahmen, Gehaltserhöhung.
Wenn Sie diese Sache kontrastieren mit einer Studie des IFO-Instituts, der Autoren raken
jetzt zum Tum aus dem Jahr 2008 zu kommen, die zu komplett anderen Aussagen. Dort wird argumentiert,
dass ein Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro, das ist die Zahl, die damals in der politischen Debatte
war, rund eine Million Arbeitsplätze vernichten würde. Die 7,50 Euro und die 8,50 Euro sind ganz
gut vergleichbar, denn Sie sehen, die Studien liegen ein bisschen auseinander und wenn Sie für
die Inflation bereinigen, dann ist es in etwa dieselbe Zahl. Wie kann es jetzt sein, dass zwei
seriöse Forschungsinstitute zu so unterschiedlichen Antworten kommen, obwohl doch die Frage dieselbe ist?
Und genau mit dieser Frage will ich anfangen und Sie dann so ein bisschen überführen in die
theoretische und empirische Literatur zum Mindestlohn. Natürlich werden sich dann viele
so ein bisschen vorkommen wie im Hörsaal, aber ich kann Sie beruhigen, dieser Theorie- und Empirie-Teil
der endet dann auch wieder und dann kommt die Frage, was lernen wir jetzt aus der Theorie und aus der
Empirie? Und ich werde immer im Vorbeilaufen auch so ein bisschen einen Blick drauf werfen, wie
kamen denn diese IFO- und Prognosaussagen zustande? Und dann habe ich Ihnen ein Fallbeispiel mit
gebracht, wie diese Erkenntnisse aus der Theorie und der Empirie in einem Land praktisch umgesetzt
wurden. Und ich möchte dieses Fallbeispiel kontrastieren mit dem Gesetzesentwurf der
Bundesregierung und Sie werden sehen, dass ich mit einigen Punkten in diesem Gesetzesentwurf nicht
einverstanden bin bzw. aus wissenschaftlicher Sicht argumentieren würde, dass dies noch wesentlich
besser umgesetzt werden könnte, wenn man die Lehren aus diesem Fallbeispiel ernst nimmt. Und
genau das war der Hintergrund, warum wir an der Friedrich-Alexander-Universität am Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften im Dezember einen Ökonom-Aufruf gestartet haben, um auf diese
Probleme hinzuweisen. Nachdem ich so ein bisschen auch über diesen Ökonom-Aufruf gesprochen habe
und die Reaktion darauf, werde ich noch ein, zwei Folien ein bisschen reflektieren zur wissenschaftlichen
Politikberatung bzw. zur Beziehung zwischen wirtschaftswissenschaftlicher Forschung und
tatsächlicher Politikumsetzung. Lassen Sie uns einsteigen mit diesen zwei sehr gegensätzlichen
Aussagen vom Prognos und Ifo-Institut. Wie kann es sein, dass dieselbe Frage so unterschiedlich
beantwortet wird? Und natürlich ist es so, dass wenn Sie eine wissenschaftliche Studie
wirtschaftlicher Natur anfertigen, dass Sie immer Ihre Annahmen offenlegen. Und das ist
natürlich auch beim Prognos und beim Ifo-Institut passiert. Und wenn Sie ins Kleingedruckte gucken,
das ist natürlich was, was in den Medien nicht zitiert wird, dann steht beim Prognos-Institut
in der Fußnote, potenzielle Beschäftigungseffekte sind nicht Gegenstand dieser Studie. Anders
gesprochen, die Methodik des Prognos-Instituts war es, anzunehmen, dass egal wie hoch Sie den
Mindestlohnschrauben, das hat keinerlei Effekte auf die Beschäftigung, auf die Arbeitslosigkeit,
die wir konstant gehalten. Und die Implikation daraus ist natürlich, dass wenn Sie den Mindestlohn
erhöhen, dann steigt die Lohn- und Gehaltssumme und infolgedessen steigen die Steuereinnahmen. Das
heißt, wenn Sie diese einfache Methodik anwenden, dann ist es immer so, dass der Mindestlohn zu
positiven Effekten führt. Und Prognos führt auch ein zweites Szenario durch, bei dem ein Mindestlohn
Presenters
Prof. Dr. Christian Merkl
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:53:14 Min
Aufnahmedatum
2014-04-24
Hochgeladen am
2014-04-28 14:08:10
Sprache
de-DE
Die neue Bundesregierung legte Anfang April 2014 einen Gesetzeswurf zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes vor. Die Diskussionen zu den Wirkungen eines flächendeckenden Mindestlohnes in Deutschland waren in den vergangenen Jahren durch sehr gegensätzliche Positionen gekennzeichnet. Welche ökonomischen Auswirkungen hat ein Mindestlohn aus wissenschaftlicher Perspektive? Gibt es Länder, in denen der Mindestlohn ökonomisch vernünftig umgesetzt wurde? Obwohl dies der Fall ist, geht die große Koalition einen anderen Weg. Deswegen haben im Dezember 2013 als Reaktion auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag rund 170 Ökonominnen und Ökonomen zu einer Kurskorrektur aufgerufen. Der Aufruf wird ebenfalls thematisiert.