7 - Formen der Sprachpflege im 21. Jahrhundert [ID:496]
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Als vollkommen gilt eine Sprache dann, wenn sie angemessen ist. Das heißt frei oder relativ

frei von Fremdwörtern, aber auch frei von Dialektalismen, also von regionalem Sprachgebrauch,

von Barbarismen, also generell fehlerhaften Sprachgebrauch, von Archaismen, Altenwortgut

und Neologismen, Neuprägungen. Übrigens, sehr viele Sprachdumheiten, die in Wustmanns

Sprachdumheiten Ende des 19. Jahrhunderts vermerkt sind, von diesen getadelt und abgelehnt

wurden, sind mittlerweile in unseren Sprachgebrauch übernommen worden. So tatelte er das Wort

Anteilnahme als eine hässliche Verbreiterung von Teilnahme. Er tatelte offensichtlich, es

sei zusammengebraut, aussichtlich und offenbar. Und auch das Wort Begrüßen, es sei ein Modewort,

das schnell wieder verschwindet und anstelle von Willkommen heißen, eben in letzter Zeit

um sich greift. Niemand von uns stört sich an Anteilnahme offensichtlich und begrüßen.

Der sprachliche Fehler von heute ist die sprachliche Norm von morgen. Betrachten Sie die heutigen

Gepflogenheiten im Gebrauch der sogenannten starken und schwachen Verben. Die Wissenschaft

hat eine Tendenz festgestellt. Sie besagt, dass die sogenannten starken Verben, also

Verben wie Backen, auf alle Fälle Werfen und Essen vielleicht im Laufe der Sprachentwicklung

zu schwächeln beginnen. Sie rutschen also von den starken, ablautenden Klassen in die

sogenannte schwache Konjugation ab. Ein Grund dafür ist die größere Regelmäßigkeit.

Sichtbar wird dieser Sprachwandel, wenn wir uns das Verb Backen näher betrachten, gesetzt

den Fall, Sie haben gestern gebacken und Sie verwenden noch das Präteritum und nicht das

Perfekt, dann würden Sie folgendermaßen sagen, gestern backte ich einen Kuchen, gestern buke

ich, klingt veraltet, aber es ist noch nicht so lange veraltet. Noch immer aber heißt

es gebacken und nicht gebackt. Und was ist bei Bewerben beobachtbar? Heißt die Befehlsform

bewirb dich auf die Stelle oder schon bewerbe dich? Heißt es wirf oder werfe, iss oder esse?

Es besteht wohl Einigkeit darin, die Befehlsformen wie Bewerbe und Werfe als fehlerhaft zu werden.

Aber wie steht es mit Bug? Eine gute Empfehlung wäre wohl die, dem allgemeinen Sprachgebrauch

zu folgen und dieser meidet Bug für backte. Die heutzutage noch kaum gebrauchte Form gebackt

ist zweifellos noch falsch. Übrigens bei Bellen werden Sie mir alle zustimmen, dass

der Hund gestern nur bellte, er konnte nicht anders, er bellte. Aber vor 200 Jahren, um

1800 boll er, wie dem Grimmschen Wörterbuch zu entnehmen ist und im Mittelalter war Bellte

gänzlich unbekannt, da ball er. Ein zweites Beispiel aus dem engeren Bereich der Grammatik

ist die Verwendung der Präposition wegen. Ethymologisch kommt wegen von Weg, Weg, Ort,

Stelle, Seite. In älteren Auflagen der Dudengrammatik, noch in der dritten Auflage von 1973 wird

wegen unter den Präpositionen aufgeführt, die ein Substantiv im Genitiv fordern. Wegen

des schlechten Wetters sind wir dann doch daheim geblieben. Ein anderer Gebrauch wird

erst gar nicht erwähnt. Sie alle aber kennen die Verwendung mit dem Dativ, wegen dem schlechten

Wetter, die in der neuesten Auflage der Dudengrammatik, nämlich der von 2005 auch dokumentiert ist.

Dort wird wegen zwar noch unter den Präpositionen mit dem Genitiv aufgeführt, aber gerade in

der gesprochenen Sprache stehe auch der Dativ. Standardsprachlich heißt es zwar immer noch

wegen starker Regenfälle, also Genitiv, fehlt aber das CASUS markierende Attribut, fehlt

also stark, dann heißt es wegen Regenfällen. Zwar sagt man wegen großen Erfolges, aber

steht Anna im Genitiv davor, heißt es bereits wegen Annas großem Erfolg. Die Schwankung

im CASUS bei wegen ist nicht zuletzt sprachwandelbedingt. Wegen ist auf dem Weg von einer Präposition

mit Genitiv hin zu einer Präposition mit Dativ. Kurz die wissenschaftliche Erklärung für

dieses Phänomen. Die Genitiverbindung ist Relikt der Herkunft der Präposition von Weg.

Substantive haben normalerweise Genitivattribute bei sich. Steht nun der Dativ hinter wegen,

man hat wegen seine Substantivvergangenheit endgültig abgestreift und ist zur Präposition

geworden. Wegen hat dann das Stadium der echten Präposition zu denen auch wir und zu zählen

mit und zu zählen erreicht. Das letzte Beispiel betrifft die Konjunktion weil, die zur Zeit

einem syntaktischen Wandel unterliegt. Im Deutschen ist es üblich, das finite Verb

das Ende des mit weil eingeleiteten Nebensatzes zu stellen. Es ist üblich zu sagen, er ist

schon nach Hause gegangen, weil er noch Besuch erwartet. Immer häufiger wird die Verbendstellung

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Mechthild Habermann Prof. Dr. Mechthild Habermann

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:25 Min

Aufnahmedatum

2006-01-19

Hochgeladen am

2017-07-06 14:41:13

Sprache

de-DE

Tags

Sprachpflege
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