Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen im folgenden Vortrag unsere Sammlung näher
bringen. Als ich von Herrn Wieser angefragt wurde, diesen Vortrag zu halten, bat er mich,
einen Bericht abzugeben über die Geschichte der Sammlung, den Zustand und die Art der Nutzung.
Genau dies will ich gerne tun, doch ist mein Vortrag etwas anders gegliedert. Die Räume und
vor allem unsere Exponate können Sie ja dann bei der öffentlichen Führung am Samstag um 10 Uhr
selbst den Augenschein nehmen. Heute möchte ich anhand von drei Fallbeispielen mehr Hintergrundinformation
zu ausgewählten Objekten vermitteln. Beginn möchte ich mit diesen beiden Funden. Was sehen Sie?
Links sehen Sie eine kleine bunte Glasperle und rechts ein Tongefäß. Erkennbar ist, dass der
Topf rekonstruiert ist und zwar aus vielen kleinen Scherben. Schauen Sie genauer hin,
erkennen Sie, dass die Scherben nicht einmal aneinanderstoßen. Es handelt sich also um eine
ziemlich schlechte, nahezu willkürliche Rekonstruktion unter Verwendung von Originalfragmenten.
Wenn Sie nun noch genauer hinsehen, etwa an die Stelle, an der Sie die weiße Beschriftung
mit der Inventarnummer des Objekts erkennen, dann sehen Sie, dass die Original-Scherben hier
einen deutlichen Knick aufweisen. Was verraten uns nun diese beiden Funde über die damalige
Welt und in Bezug auf unsere Sammlung? Werfen wir dazu zunächst einmal einen Blick ins Inventarbuch.
Wir erfahren, dass es sich um ein grau-schwarzes Gefäß handelt, sehr stark und wohl falsch
ergänzt. Außerdem sind verschiedene Maße vermerkt. Sie sehen hier unter dem Gefäß auch einen
modernen, zeichnerischen Rekonstruktionsversuch zum ursprünglichen Aussehen. Sie erkennen die
deutliche Profilverlaufsänderung vom Bauchteil zur Mündung hineinziehend. Die bunte Glasperle wird
als Schichtaugenperle bezeichnet. Außerdem ist zu lesen Beigabe im Grabhügel. Gut, was machen wir
jetzt damit? Was können wir daraus schließen? Wir haben eine ungefähre Vorstellung von der
Gefäßform und eine kleine gelb-blaue Schichtaugenperle. Man könnte fragen, seit wann gibt es denn überhaupt
Glasperlen und gibt es eine Zeit, in der solche Perlen vielleicht typisch sind? Und wie verhält
sich das mit den Gefäßformen? Hier müssen Sie mir nun glauben, da ich sonst zu lange mit meiner
Erklärung ausholen müsste. Für beide Objekte gibt es Vergleichsfunde aus gut datierten Kontexten.
Die Funde sind charakteristisch für die sogenannte frühe Latentzeit. Die Latentzeit wird manchmal
populär auch als Zeit der Kelten bezeichnet. Wir befinden uns damit also in der Eisenzeit,
die hier bereits um 800 v. Chr. begonnen hat. Als Vergleich zeige ich Ihnen unten links ein
Fundinventar aus der frühen Latentzeit vom Staffelberg in Oberfranken. Es handelt sich
um einen sekundär gebrannten Geschirrsatz aus einer einzigen Siedlungs- oder besser Abfallgrube.
Das heißt, die Gefäße hier waren verbrannt und sind dann entsorgt worden. Sie können die typischen
nach innen einziehenden Ränder bei den meisten Gefäßen erkennen, auch wenn diese nicht völlig
unserem Gefäß entsprechen. Aha, wir haben es also bei unseren Ausgangsstücken mit Funden
der jüngeren Eisenzeit zu tun, die laut Inventarbuch aus einem Grabflügel stammen. Welche Bedeutung
haben die Funde denn für die Forschung und für die Sammlung? Bis jetzt habe ich ihnen den
Fundplatznamen vorenthalten, der in unserem Fall im Inventarbuch überliefert ist. Es handelt sich
um einen Grabhügel in Kosbach bei Erlangen. Und dieser Kosbacher Grabhügel, seine Ausgrabungen und
seine Funde hatten entscheidenden Einfluss auf die Gründung der ur- und frühgeschichtlichen Sammlung,
sowie auch des gleichnamigen Instituts. Werfen wir als nächstes einen Blick auf die Hintergründe und
Umstände. Dieser Mann hier, Dr. Rudolf Herold, ein Pfarrer aus Erlangen, stellte 1913 einen Antrag
an die Universitätsleitung. Er hatte als lokalgeschichtlich interessierter Mensch eigene
Feldforschungen im Raum Erlangen betrieben. Unter anderem grub er den eisenzeitlichen Grabhügel in
Kosbach aus und er wollte nun seine Funde der Universität für die prehistorische Sammlung
übergeben. Es gab zu dieser Zeit schon diverse Sammlungen, unter anderem eine in der Anthropologie
und eine geografisch-ethnologische, die beide auch ur- und frühgeschichtliche Funde enthielten und
ihrerseits aus kleineren privaten, gestifteten Sammlungen hervorgingen. Besonders der Anatomie-
Professor Leo Gerlach setzte sich für die Einrichtung der 1914, also im Jahr des Ausbruchs
des Ersten Weltkriegs, dann auch gegründeten anthropologisch-prähistorischen Sammlungen ein. In
diesem Jahr wird unsere Sammlung somit 101 Jahre alt. Die Funde aus Herolds regionalen Grabungen
Presenters
Prof. Dr. Doris Mischka
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:39:07 Min
Aufnahmedatum
2015-01-15
Hochgeladen am
2015-01-29 15:51:21
Sprache
de-DE
Die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung enthält Funde nahezu aus der ganzen Welt von den Anfängen bis in die Frühe Neuzeit, die durch Ankäufe, Schenkungen und Ausgrabungen des Instituts erworben worden sind.
Die Sammlung wurde 1914 als 'Anthropologisch-Prähistorische Sammlung' gegründet und zunächst den Direktoren des Anatomischen Instituts (Leo Gerlach) und des Geographischen Instituts (Wilhelm Volz) zur Verwaltung unterstellt. Ab 1933 bekam die Sammlung mit Prof. Dr. Rudolf Paulsen (1893-1975) einen eigenen Kustos, der sich unter Ausnutzung des Zeitgeistes um die Trennung der prähistorischen von der anatomischen Abteilung bemühte. 1938 gelang ihm die Einrichtung eines eigenen 'Seminars', 1941 eines 'Instituts für Ur- und Frühgeschichte', dem die Sammlung zugewiesen wurde. Die Ausstellungsräume blieben bis 1957 weiterhin in der Anatomie.
Nach der Fertigstellung des neuen Philosophischen Seminargebäudes zogen das Institut für Ur- und Frühgeschichte und die Sammlung 1957 in die Kochstraße um. Damit war auch die räumliche Trennung von der Anatomie endgültig vollzogen. Die Sammlung umfasst heute rund 200 000 Objekte aus mehr als 800 Fundorten aus Europa, Asien, Afrika, Amerika, Australien und Ozeanien.