So, jetzt sind wir wieder bei bekannten Paul-Gerhard-Liedern, bei Liedern, die im Gesangbuch stehen und die auch öfters gesungen werden.
Sollte ich meinem Gott nicht singen. Dazu denke ich fällt jedem gleich die charakteristische Melodie ein.
Sollte ich meinem Gott nicht singen. Sehr dezidiert im Rhythmus mit diesem Dreier immer ta, tan, tan, tan, tan, tan.
Und sehr dezidiert auf das Singen zu im Oktav Ambitus. Und es geht dann noch ambitionierter weiter.
Sollte ich ihm nicht dankbar sein.
Also eine Melodie, die uns herausfordert, also wirklich gut zu atmen, gut Luft zu holen und dann auch kräftig zu singen.
Nun muss man in dem Fall gleich vorneweg sagen, hier ist die Signifikanz des Liedes mit dieser Melodie tatsächlich nicht der Zusammenarbeit von Paul-Gerhard und Johann Krüger oder Johann Georg Eberling geschuldet, sondern auch dies ist eine Lähmelodie.
Aber es ist eine sehr gute Lähmelodie und zwischen der ersten Fassung des Liedes, wozu diese Melodie geschaffen wurde und der Rezeption durch Paul-Gerhard ist auch nur eine ganz kurze Zeit.
Das Lied wurde erstmalig 1642 von Johann Rist publiziert in Verbindung mit dieser Melodie.
Und mit diesem Satz auch diese Gesänge von Johann Rist, dem Hamburger Dichterfürsten, selber Jahrgang wie Paul-Gerhard 1607.
Auch Johann Rist lebte davon, oder seine Rezeption war wesentlich dadurch bestimmt, dass er eng zusammenarbeitete mit einem Musiker, der ihm die passenden Melodien und Sätze schrieb.
Der Johann Schroop, der zu allen seinen Liedern die musikalischen Fassungen geliefert hat.
Damit wir einfach diesen Satz haben, die Harmonik und die Rhythmik, die sich ziemlich original erhalten hat, bis heute ins Gesamtbuch von der ersten Fassung her,
gehe ich jetzt einfach einmal das Lied mit Paul-Gerhards Text und singe dazu die erste Strophe.
ist doch nichts als lauter Liebe,
das sein treues Herz erregt,
das Totende ehnt und tritt,
Die in seinem Dirz sich üben, Alles Ding währt seine Zeit,
Gottes Leben in Ewigkeit.
Nur am Schluss gibt es eine Variante, da war ursprünglich die Fassung,
also noch einen Ton höher und dann von der oberen Nähnote in den oberen Grundton.
Das Faszinierende dieser Melodie ist, wie auch bei anderen Hitmelodien,
dass sie in der oberen Oktavlage endet.
Das hat ja immer etwas spezielles mitreißendes, wenn man sich zum Schluss nach oben aufschwingt.
Und hier ist es eben mit diesem Refrain jetzt vernünftig, der in jeder Strophe gleich ist.
Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Liebe in Ewigkeit.
Und ich mache immer die Erfahrung, wenn ich dieses Lied im Gottesdienst begleite,
dass die Leute vorher sich etwas durch die Strophen mühen,
aber wenn Alles Ding währt seine Zeit kommt, dann kommt es plötzlich Sound auf in der Gemeinde.
Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Leben in Ewigkeit.
Original ist auch natürlich, dass wir am Schluss wieder einen schönen Duradreiklang haben,
während sonst das Lied ja in Moll steht.
Ich habe es jetzt in C-Moll gespielt, wie es im Gesamtbuch steht.
Ursprünglich war es ein Ton höher, in Dorisch.
Das hängt auch damit zusammen, dass es ursprünglich ein Osterlied war.
Also Johann Rist hat hier ein Osterlied gedichtet.
Lasst uns den Herren preisen, o ihr Christen überall.
Ich habe den Text der ersten drei Strophen auf der zweiten Liedseite mit Noten.
Und Osterlieder stehen gerne in Dorisch. Dorisch ist die Ostertonart.
Ja, so viel zunächst hier von der Orgel. Ich wechsle jetzt wieder ans Mikro.
Ich habe ja auch schon bei zurückliegenden Liedern verstärkt in der Besprechung den Akzent drauf gelegt,
die Vorlage, wenn es eine andere Melodie als Vorlage gibt oder sogar einen anderen Text,
etwas näher zu betrachten und mit einzubeziehen. Und so doch auch noch mal hier.
Denn es ist, denke ich, doch sehr wesentlich, sich klar zu machen,
was macht Paul Gerhard bei diesem Lied, indem er sich konkret auf diese Vorlage von Johann Rist bezieht.
Die Strophenform hat nämlich Johann Rist erfunden mit diesem Lied.
Lasst uns den Herren preisen. Es ist im Vergleich zu dem Pfingstlied, das wir vorher hatten, eine große Strophenform.
Man sieht es ja schon am Handout des Liedtextes. Es sind jeweils zehn Zeilen.
Und die Strophenform ist darin kunstvoll. Man braucht mal das Reimschema nur anzuschauen.
Ich habe es auf dem Handout bei der Strophe drei hingeschrieben.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:59:57 Min
Aufnahmedatum
2020-06-03
Hochgeladen am
2020-06-07 16:16:33
Sprache
de-DE
Das Phänomen Paul-Gerhardt-Lieder II
Die Lieder von Paul Gerhardt (1607-1676) sind "Evergreens" trotz ihrer veralteten barocken Sprach- und Vorstellungswelt, trotz ihres oft schweren theologischen "Ballasts", trotz ihrer Überlänge. Die Vorlesung nimmt einzelne Lieder in Textgestaltung wie Melodiezuweisung genauer unter die Lupe, vermittelt historischen Hintergrund der Liedentstehung und gibt Einblicke in die Liedrezeption durch die Jahrhunderte in Gesangbüchern wie Kunstmusik.