3 - Die Staufer [ID:1112]
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Meine Damen und Herren, wir fangen mit dem Thema Landfrieden an.

Und eine der ersten Sachen, die wir machen müssen, ist, uns ein bisschen zu überlegen, warum das überhaupt für die Entwicklung der Staatlichkeit in Europa,

insbesondere im Reich, ein wichtiges Thema ist. Und die Schwierigkeit liegt darin, dass wir uns in eine Zeit hineindenken müssen,

in der es in unserer heutigen Sprache keinen Staat gab, also keine öffentliche Verwaltung durch Nichtbeteiligte, insbesondere was den Rechtsfrieden angeht.

Sie wissen ja alle aus den Nachrichten, was passiert, wenn Sie die Unverschämtheit besitzen, gegen Atomkraft zu sein und noch unverschämter es wagen,

in diesem Sinne an einer Demonstration sich zu beteiligen. Und kommt die Polizei.

Die Polizei sagt einem manchmal etwas sanft und manchmal etwas weniger sanft, was man zu tun und lassen hat.

Die Polizei ist bislang noch nicht eine Unterabteilung der Atomindustrie.

Die Polizei ist eine staatliche Behörde, die ist weder für die Demonstranten noch für die Atomindustrie neutral.

Das ist die Vorstellung. Der Staat ist in all diesen gesellschaftlichen Konflikten neutral und schickt zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung,

insbesondere des lebenswichtigen Bahnverkehrs in Lüchow-Dannenberg, schickt sie unbeteiligte Staatsbedienstete hin, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

Und die Allgemeinheit unterstützt diese Bemühung. Wir müssen uns in eine Zeit zurückdenken, in der es nicht nur keine Atomkraftwerke gegeben hat,

wenigstens verraten unsere Quellen nichts davon, sondern auch keine Polizei.

Der Administration in dieser Zeit fehlte schlichtweg das, was eine Administration ausmacht, nämlich der Minister.

Es gibt so gut wie gar keine Staatsbedienstete. Und die Frage ist, wie wird die öffentliche Ordnung die Aufrechterhaltung,

die Unversehrtheit sowohl körperlich als auch in Bezug auf Besitztümer, die Unversehrtheit des Individuums gewährleistet?

Und die Antwort ist, es muss die Sippe einspringen. Und die Sippe ist eine von diesen Wörtern, die missbraucht wurde im Dritten Reich.

Es ist im Grunde genommen relativ einfach. Wir haben im Bereich des frühen Mittelalters, und deswegen gehen wir so früh zurück,

damit wir die ganze Entwicklung zumindest im Zeitraffer erblicken können, im frühen Mittelalter gibt es keine, zumindest nicht zahlreiche, große Siedlungen.

Die typische Siedlung ist 75 Leute, 100 Leute, 120 Leute. Ein Dorf im Mittelalter ist klein.

Trotz einer gewissen Mobilität sind die meisten Leute seit Generationen, seit der Besiedlung da.

Es gibt noch heute diejenigen, die aus gewissen Ecken kommen, wo diese immer noch gilt werden sie bestätigen können.

Es gibt noch Dörfer etwa in Niedersachsen, wo man mit drei Familiennamen 75 Prozent der Mannschaft abdecken kann.

Also das heißt, es gibt die angestammten Familien punktschlos aus. Klein, überschaubar.

Und das zweite, was wir überall in unseren Quellen auch bei den Adligen erblicken, ist eine unglaubliche, also für unsere Verhältnisse,

ein unglaubliches Bewusstsein für eine weitläufige noch lebende Verwandtschaft.

Die meisten von uns haben Schwierigkeiten überhaupt über Onkel, Tante, Cousin zu kommen.

Diese Leute haben mühelos, was weiß ich, meinen Großonkel Zweikengrades dreimal entfernt oder was weiß ich auf die Reihe gekriegt.

Also die Sippe ist etwas, was zumindest, was unsere Quellen uns verraten, lebendig war.

Man wusste mit wem man und vor allen Dingen wie man mit anderen Menschen verwandt war.

Ist viel leichter, wenn alles schön überschaubar ist und so weiter und so fort.

Also die Frage ist dann, was ist diese Sippe? Im rechtlichen Sinne ist es nicht nur eine Verwandtschaft.

Die hat zwei Funktionen, die heute unbeteiligte Dritte übernehmen.

Nämlich die ist nach innen hin eine Friedensgemeinschaft.

Die Sippenmitglieder sollen sich nicht totschlagen, wenn sie ärgerlich aufeinander sind oder wenn sie Konflikte haben,

sondern irgendwie auf einem nicht gewaltsamen Weg lösen.

Also es gibt eine Friedenspflicht der Sippenmitglieder untereinander, was auch heutzutage der Fall ist beim Staat.

Zweitens ist es eine Schutzgemeinschaft nach außen hin.

Wenn die Sippe angegriffen wird, ist die gesamte Sippe sozusagen zur Gegenwehr aufgerufen, so auch unser heutiges Staat.

Und das ist sozusagen die Sicherheit des einzelnen Gegenangriffes, sei es innerhalb der Sippe oder sei es von außerhalb der Sippe.

Denn jeder Bruch der Rechtsordnung wird mit einem Codewort, dazu kommen wir gleich,

wird angezeigt durch das sogenannte Gerüfte.

Das Gerüfte ist nichts dramatischeres als das, was man, was weiß ich, Taschendieb, irgendjemand schreit, haltet den Dieb.

Und es passiert gar nichts. Irgendjemand anders holt die Polizei.

Im Mittelalter, im frühen Mittelalter vor allen Dingen, ist das Rufen eines bestimmten Wortes Grund einer Rechtspflicht.

Und wer dieses Wort hört, muss alles andere stehen und liegen lassen und dem Friedensbrecher hinterher eilen, in der Hoffnung, ihn zu fangen.

Und dieses ist nicht nur eine Anzeige, es ist auch sozusagen der Anfang der Rache der Sippe als Schutzgemeinschaft nach außen an den Friedbrecher.

Und damit Sie kapieren, worum es geht, gebe ich Ihnen ein konkretes Beispiel.

Anfang des 13. Jahrhunderts hatten die Grafen von Holstein ihre Macht über früher mehr oder minder unabhängige, jedenfalls sehr viel Autonomie genießende,

volksartliche, so heißen sie in der Literatur.

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:31:29 Min

Aufnahmedatum

2010-11-15

Hochgeladen am

2011-04-11 13:53:29

Sprache

de-DE

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