Die Familie ist eine der ältesten Lebensformen. Sie ist älter als der Staat. Fast jedes Mitbiet
der Gesellschaft erfährt diese Form menschlichen Zusammenlebens. Die vornehmliche Aufgabe der
Familie ist die Pflege und die Erziehung des Nachwuchses, die Weitergabe gesellschaftlicher
Werte und Ordnungsvorstellungen. Die Familie wird gern als Keimzelle der Gesellschaft bezeichnet,
auf der das gesellschaftliche und der staatliche Leben aufbaut. Sie erfreut sich daher einer
besonderen Aufmerksamkeit in der öffentlichen Meinung und in der Wissenschaft. Und trotz
alledem oder gerade deswegen wird ihr sehr häufig die besondere Aufmerksamkeit zugekehrt.
Und sie ist, das werden Sie alle als regelmäßige Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser schon
festgestellt haben, sie ist ein beliebter Gegenstand kulturpessimistischen Japans. Die Kritik und so
manches gesellschaftliche Vorurteil teilt die Familie mit der Ehe. Der durch die
Industriegesellschaftlichen Umwälzungen bewirkte Wandel der Familienstruktur und des Familiensinns
ist von den Pionieren der Familiensoziologie als Verfall dieser Lebensform bezeichnet worden.
Die Geschichte der Familie wird dann auch immer gern als Geschichte ihres Zerfalls beschrieben.
Ihre Zersetzung lesen wir sogar in einem der ältesten familienrechtlichen Lehrbüchern.
Die wachsende Scheidungsrate und die dadurch ansteigende Zahl von Alleinerziehenden,
die abnehmende Heirats- und Gebärfreudigkeit, die Vielzahl nicht ehrlicher Lebensgemeinschaften
und Kinder, die Familienflucht der Jugendlichen und deren Kriminalität werden gern als Indizien
des Verfalls gedeutet. Als Ursache dieser Auflösungstendenzen werden häufig die
Erwerbstätigkeit der Frau und das Lachse Scheidungsrecht angeführt. Schon Saviné wollte
gern aus diesen Erwägungen heraus das relativ liberale Scheidungsrecht des preußischen allgemeinen
Landrechts reformieren. In seinem Plädoyer für ein strenges Scheidungsrecht behauptete er,
dass bei vielen Ehen der Grund des Verderbens schon in der Art liege, in der sie geschlossen
werden. Stünde doch nicht selten den neuen Ehegatten schon der Gedanke an die leichte
Auflösbarkeit der Ehe vor Augen und Saviné meinte, dass der Ehegatte, der sich auf dem Abweg
von Selbstsuchtruhe und böser Lust befinde, diesen Anwendungen oder diesen Anwandlungen
mit mehr Selbstbeherrschung begegnen würde, wenn ihm der Gedanke ein ernstes, die bloße
Willkür ausschließendes Scheidungsrecht vor Augen stünde. Nun dagegen ist in
richtsoziologischen Analysen wiederholt schon vor Jahrzehnten festgestellt worden, dass die
Bestandskraft von Ehen und Familien und deren Zusammenhalt nicht durch die engere oder
weitere Fassung der Scheidungsgründe beeinflusst wird und dass durch die Einschränkung der
Scheidungsgründe sich weder die Entwicklung der Ehen noch die der Scheidungszahlen steuern
lasse. Die Ängste jedenfalls in dieser Frage haben sich inzwischen zu der Frage gesteigert,
sterben die Deutschen aus? Zum Glück ist es noch nicht so weit, doch sprechen unsere Statistiken
eine deutliche Sprache, was die Geburtenfreudigkeit angeht. Seit dem Jahre 1972 werden jedes Jahr
weniger Kinder geboren als Menschen sterben. Die jüngste Jugendstudie stellt fest, dass der
Kinderwunsch bei den jungen Menschen sinkt. Zwar hegt die Mehrheit der Jugendlichen den Wunsch
nach eigenen Kindern. Sie möchten aber das persönliche Glück nicht von der Erfüllung
dieses Wunsches abhängig machen. Die jungen Menschen können sich ein glückliches Leben
auch ohne Kinder vorstellen. Auffällt, dass sich Mädchen und junge Frauen viel häufiger als
jungen und junge Männer Kinder wünschen, doch Kinderwunsch und Kinderkriegen ist zweierlei.
Empirische Untersuchungen der Soziologin Rosemarie Nave Herz zeigen, dass die Mutterideologie
zusammen mit dem fehlenden Infrastruktureinrichtung im Westen zu einer hohen Kindlosigkeit geführt
hat und weiterführen wird. Es gibt ja kaum ein Gebiet, das so schön auch europäisch durchdruckt
der Europäischen Kommission analysiert und beobachtet wird, wie das der Gleichberechtigung
der Frau. Und da können Sie lesen, dass tatsächlich dieser Muttermythos, diese Mutterideologie eine
typisch deutsche Erscheinung ist, die es in dem Maße in anderen Ländern, selbst in
Mediterranenländern nicht gibt. Das finde ich doch erstaunlich. Aber bei uns herrscht sie doch noch.
Denn immer mehr Mütter, das führt jetzt zurück zur Geburtenfrage, immer mehr Mütter schieben ihren
Kinderwunsch, so hat es Rosemarie Nave Herz dargetan, wegen ihres hohen Berufsengagements und der
gleichzeitig gegebenen Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie hinaus in der Hoffnung,
Presenters
Prof. Dr. Jutta Limbach
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:28:34 Min
Aufnahmedatum
2010-07-08
Hochgeladen am
2011-04-11 13:53:29
Sprache
de-DE
Die Frage, welche Gemeinschaft als Ehe oder Familie im Rechtssinne zu gelten habe, ist in der juristischen Zunft nach wie vor umstritten. Der stete Wandel der Lebensformen führt immer wieder zu neuen Rechtsproblemen. Die zunehmende Vielfalt und gesellschaftliche Akzeptanz familiärer Lebensformen dies- und jenseits des Familienrechts kann auf Dauer nicht ohne Folgen für das juristische Normalitätskonzept bleiben. Nur allmählich wächst die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, d.h. die Bereitschaft, nicht von der Ehe her zu argumentieren, sondern von Kindern und Partnerschaften und deren Lebensverhältnissen auszugehen. Die Aufmerksamkeit wird mehr und mehr dem Schutz des sozial und wirtschaftlich schwächeren Familienmitglieds zugekehrt.